Wir haben eine große Menge Systeme, die für die Bundes-wehr bestimmt waren, leider an die Ukraine abgegeben.
Deutscher Verteidigungsminister Pistorius (SPD) über Bundeswehr: „Wir haben zu wenig von allem"
Veröffentlich am 26. Jänner 2024 - Stefan Beig
Schon vor der Ukraine-Invasion wurde die deutsche Bundeswehr kaputtgespart, wie Experten kritisierten. Doch nun hat Deutschland auch noch jene Systeme, die für seine eigene Verteidigung bestimmt waren, an die Ukraine übergeben. Das Ergebnis: „Wir haben zu wenig von allem", wie der Verteidigungsminister einräumt.
Bild: Symbolfoto - Pistorius beim Panzer-Manöver
(Foto: Copyright 2024 by eXXpress.at)
„Deutschland muss kriegstüchtig werden", der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius beim Besuch des Panzerbataillons 203 der Bundeswehr. (APA/AFP/INA FASSBENDER)Sollte Deutschland jetzt von einem Staat mit solider Armee angegriffen werden, dürfte es vor ernstzunehmenden Problemen stehen. Zwar versucht Verteidigungsminister Boris Pistorius (63, SPD) die Ängste zu zerstreuen. So widerspricht er energisch Berichten, wonach einzelne Städte wie Cottbus nur einen Tag gegen einen russischen Luftangriff verteidigt werden könnten: „Nein, das stimmt nicht. Wir sind verteidigungsfähig." Allerdings merkt gleich im nächsten Satz an: „Aber natürlich haben wir zu wenig von allem!"
Das ist auch nicht wirklich verwunderlich, 23 Monate nach Beginn der Ukraine-Invasion: „Wir haben ganz viele Systeme, die für uns bestimmt waren, an die Ukraine abgegeben", sagt der SPD-Politiker gegenüber der „Bild". Nun wolle man diese Systeme wieder beschaffen, was allerdings Zeit brauche. „Das sind genau die Zeitfenster, von denen ich gesprochen habe, die wir dann aufmachen. Die müssen wir schnell wieder schließen." Sprich: Staaten, die Deutschland angreifen wollen - zum Glück wollen das zurzeit keine! -, sollten sich damit besser Zeit lassen.
Die Ukraine ist im Krieg gegen Russland mittlerweile vollständig von westlicher Unterstützung abhängig. Das Problem: Auch die westlichen Staaten sind auf einen solchen Krieg nicht vorbereitet.
„Wir müssen richtig, richtig Tempo nachlegen"
Aus einem macht Pistorius aber kein Geheimnis: Gegenwärtig sei die
Bundeswehr so wie alle Streitkräfte in Europa „nicht auf einem
großen Krieg, was die Stärke angeht, eingerichtet". Der Minister
räumt ein: Deutschland müsste nach 30 Jahren Frieden sehr schnell viel
mehr tun, um wieder „kriegstüchtig" zu werden. Der
Verteidigungsminister mahnt: „Wir müssen richtig, richtig Tempo
nachlegen, damit wir uns in die Situation bringen für den Fall der
Fälle."
Es brauche wieder „das Prinzip von Abschreckung, wie wir es aus Zeiten des Kalten Krieges" kennen. Allerdings sei die Weltlage heute viel schwieriger. Denn die Situation vor 1989 war „wesentlich berechenbarer als die Lage, die wir heute haben." Damit meint er den Kriegsfall.
Die Deutsche Bundeswehr möchte aufrüsten - auch beim Personal...
Es fehlt nicht nur an Waffen, sondern vor allem auch an Soldaten
Waffen sind nicht einmal das einzige Problem Deutschlands. Es mangelt auch an
Bürgern, die ihr Land überhaupt verteidigen wollen. Es fehlt schlicht
und einfach an Soldaten - der eXXpress berichtete.
Bundeswehr in der Krise: Enormer Anstieg bei Kriegsdienstverweigerern
Der Krieg in der Ukraine hat auch direkte Auswirkungen auf die Bundeswehr. Die entsetzlichen Bilder aus dem Donbass wirken abschreckend. Die Folge: Deutlich mehr Anträge auf Kriegsdienstverweigerung.
Ende November 2023 dienten 171.608 Berufs- und Zeitsoldaten bei der Bundeswehr. „Wir brauchen einen Aufwuchs", sagt der Minister. Er spricht von 200.000 bis 250.000 Soldaten." Mittlerweile denkt Deutschland schon offen darüber nach, Ausländer zu rekrutieren - der eXXpress berichtete ebenfalls.
Pistorius kein grundsätzliches Problem damit. „Wir reden über die Kinder in zweiter, dritter Generation, die noch keinen deutschen Pass haben, die aber fließend Deutsch sprechen, die in diesem Land leben und möglicherweise bereit sind, für dieses Land, in dem sie aufgewachsen sind oder aufwachsen, Dienst zu tun." Vielleicht sind sie das. Eine „Fremdenlegion" ist das für den Minister nicht.
Personalkrise: Auch Ausländer sollen in der Bundeswehr kämpfen
Seit Jahren kämpft die kaputt gesparte deutsche Bundeswehr mit Nachwuchsproblemen. Jetzt spielt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit einem Gedanken, der einem Tabubruch gleichkommt: Auch Bewerber ohne deutsche Staatsangehörigkeit sollen künftig in den Streitkräften dienen können.
Die Bundeswehr mit ihren Teilstreitkräften Heer, Marine und Luftwaffe war einst 500.000 Mann stark, gehörte zu den modernsten Armeen in Europa. Heute ist nur noch ein Schatten davon übrig geblieben. Die Truppe mehr als halbiert, die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft, Hunderte Standorte geschlossen. Das einstige Leitbild vom "Bürger in Uniform" ging verloren, die Armee und die Gesellschaft drifteten immer weiter auseinander.
Mit fatalen Folgen für die Nachwuchsgewinnung. Freiwillig meldete sich kaum noch einer für den Militärdienst. Langwierige, teils erfolglose Auslandseinsätze und der marode Zustand der Streitkräfte taten ein übriges, um das Image zu zerstören.
Koalitionspartner für Pistorius-Idee
Der Krieg vor der Haustür in der Ukraine und die weltweit angespannte
geopolitische Lage aber haben zu einem Umdenken geführt. Mit einem
Sondervermögen von 100 Milliarden Euro will Deutschland seine Rumpftruppe
wieder auf Vordermann bringen.
Doch dafür fehlen nach wie vor Soldaten, entsprechende Rekrutierungsprogramme liefen maximal durchwachsen. Einsätze wie einst in Afghanistan oder Mali, Verwendungen wie künftig an der NATO-Ostflanke in Litauen erscheinen jungen Menschen offenbar wenig attraktiv.
Verteidigungsminister Boris Pistorius bringt deshalb keine ganz neue, aber eine doch revolutionäre Idee ins Spiel: Er will die Bundeswehr auch für Ausländer öffnen. Beim Koalitionspartner FDP rennt er damit offene Türen ein. Die verteidigungspolitische Sprecherin Marie-Agnes Stark-Zimmermann: "Grundsätzlich müssen wir bei der Suche nach geeigneten jungen Menschen, die ihren Dienst in der Bundeswehr zu leisten bereit sind, deutlich europäischer denken", sagte sie der Rheinischen Post.
Opposition: Gilt das nur für EU-Bürger?
Auch die Opposition signalisiert grundsätzlich Zustimmung, sieht aber Klärungsbedarf: "Gilt diese Möglichkeit nur für Bürgerinnen und Bürger von EU- oder NATO-Staaten oder auch noch darüber hinaus? Ist die vollständige Kenntnis der deutschen Sprache nötig?"
Es wird also dauern, bis die ersten Soldaten ohne deutsche Staatsangehörigkeit mit dem schwarz-rot-goldenen Abzeichen am Uniformärmel aufmarschieren.
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