„Langen Information“ und das Offset-Trägertechniksystem CLIMAX
Der untere Luftraum der Bundesrepublik Deutschland ist in mehrere Fluginformationsgebiete (FIR) unterteilt. 2016 wurden die bisherigen Regionen feiner definiert und am Standort Langen (Hessen) zentralisiert. Jeder Region ist eine Frequenz zugeteilt, die man im Luftfahrthandbuch (AIP) unter AIP/VFR/Online/GEN/GEN3/GEN3-9 findet. Das Rufzeichen ist für alle Regionen in ganz Deutschland einheitlich:
LANGEN INFORMATION
Um große Gebiete sicher abdecken zu können, nutzt LANGEN INFORMATION für seinen Fluginformationsdienst (FIS = Flight Information Service) ein Gleichwellenfunksystem mit Offset-Trägertechnik, siehe FIR-Karte. Das Multi-Carrier-System ist unter dem Namen „CLIMAX“ bekannt.
Das System umfaßt pro Region mehrere Sender/Empfänger (sowie weitere Empfänger) an verschiedenen Standorten, wovon aber immer nur maximal 2 Sender gleichzeitig aktiv sind.
Derjenige Empfänger, welcher die Aussendung vom Luftfahrzeug am besten empfängt, wählt automatisch die beiden nächstgelegenen Sender für die Kommunikation mit LANGEN aus.
CLIMAX ist in Europa mit über 400 Systemen weit verbreitet. Bei der Einführung des neuen 8,33-kHz-Frequenzrasters wurde es allerdings nicht berücksichtigt, da man davon ausging, daß es mit „Schmalband-AM“ nicht funktionieren würde. Aus diesem Grund wurde CLIMAX bezüglich der 8,33-kHz-Regelung eine Ausnahmegenehmigung erteilt.
Es gibt CLIMAX-Systeme, bei denen bis zu 5 Sender gleichzeitig auf unterschiedlichen Offset-Frequenzen (0 kHz, ±5 kHz und ±7,5 kHz) auf Sendung sein können! LANGEN INFORMATION nutzt nur ±5 kHz.
Aktuell laufen Studien, ob man es mit angepaßten Offset-Frequenzen auch innerhalb eines 8,33-kHz-Kanals nutzen könnte. Vorläufiges Ergebnis: Ja, es funktioniert, aber nur als „Zwei-Sender-System“ (in DSB-AM oder CSSB-AM) mit einem Frequenz-Offset von ±2,5 kHz.
Das aktuelle 25-kHz-CLIMAX-System ist zum 8,33-kHz-Raster NICHT kompatibel!
Aus diesem Grund sind in den ICAO-Karten die FIS-Kanäle von LANGEN INFORMATION in „alten 25-kHz-Frequenzen“ angegeben (welche die alten ZF-Filterbreiten verwenden).
Zur Info: Mit der Umstellung aufs neue 8,33-kHz-Raster wurden die alten Frequenzen vollständig als „Kanäle“ integriert.
Um Kommunikationsprobleme zu vermeiden, sollte man also immer genau den Kanal einstellen, der in der ICAO-Karte aufgeführt ist!
Gleichwellenfunk
Mit Gleichwellenfunksystemen kann man das zu versorgende Gebiet enorm vergrößern. Damit lassen sich Stellen abdecken, die von der Topographie her für VHF/UHF schwierig zu erreichen sind (z. B. Tallagen in gebirgigem Gelände).
Alle Sender sind über Kabel oder Zubringerfunk mit der Sendezentrale verbunden und stahlen das gleiche Audio-Signal ab. Die dazu passenden Empfänger sind im gesamten Versorgungsgebiet verteilt und ebenfalls mit der Zentrale verbunden. Der Empfänger mit dem besten Audio-Signal wird zur Sendezentrale durchgestellt, so daß diese immer optimale Empfangsverhältnisse hat.
FM-Gleichwellenfunk
In FM sind Gleichwellenfunksysteme mit mehreren Sendern üblich (z. B. im BOS- oder Bündelfunk), die alle gleichzeitig auf der gleichen Frequenz senden, mit einem konstanten Frequenzversatz (Offset) von 0,5 bis 2 Hz.
Da die stationären FM-Sender nicht exakt die gleiche Frequenz nutzen, fallen im mobilen Empfänger Mischprodukte (Interferenz: f2 - f1) der beiden Sendesignale an. Durch die Überlagerung der Sendesignale schwankt im Empfänger die Feldstärke der ankommenden Signale im Takt der Interferenzfrequenz. Je nach Standort des Empfängers im Versorgungsgebiet kann der Effekt so stark sein, daß das Empfangssignal (mehrmals pro Sekunde) komplett ausgelöscht wird!
AM-Gleichwellenfunk
Im AM-Flugfunk kann man das (langsame) „Interferenz-Fading“ vermeiden, indem man die „Doppel-Sender“ mit einem konstanten Frequenzversatz (Offset: hier ±5 kHz) zur Mittenfrequenz fM betreibt. Die Sender-Mischprodukte (fB - fA) sind damit nicht verschwunden, sondern nur auf eine „andere“ (Interferenz-)Frequenz verlagert. Dies macht sich im Flugfunkempfänger mit einem „10-kHz-Pfeifen“ bemerkbar, siehe die Grafik Frequenzanalyse.
© DJ3UE
Im Flugfunkempfänger wird das „Störgeräusch“ mittels eines 6-kHz-Tiefpass-Filters soweit gedämpft, daß es die Verständlichkeit nicht mehr beeinträchtigt.
Info für Experten
AM zählt nicht zu den Winkelmodulationen wie z. B. FM. Bei AM verschlechtert sich das S/N-Verhältnis bei 2 Trägern kontinuierlich und nicht sprunghaft, wie es bei FM der Fall ist (siehe FM-Schwelle). Deshalb ist der Empfang von 2 Trägern mit gleichem Informationsgehalt mit einem Offset innerhalb der ZF-Filterbandbreite (inklusive den beiden Seitenbändern LSB + USB) kein Problem.
Wasserfalldiagramm
Bildvorlage: © DJ3UE
Hier kann man sehr schön den zeitlichen Verlauf der Bandbelegung sehen:
Zunächst ruft ein Pilot auf der Mittenfrequenz fM = 123,525 MHz (Kanal 123.525) mit einer Sender-Bandbreite von ca. 6 kHz. Danach antwortetet LANGEN auf den Doppelsender-Frequenzen fA = 123,520 MHz und fB = 123,530 MHz (Offset: ±5 kHz = 10 kHz) mit einer Sender-Bandbreite von je ca. 7 kHz.
Die beiden Sender von LANGEN INFORMATION stehen an unterschiedlichen Standorten (A + B) und kommen somit auch mit unterschiedlichen Feldstärken am SDR-Empfänger an:
Der Bereich links und rechts von fB (die beiden AM-Seitenbänder LSB und USB) ist „heller“ als der bei fA. Der Sender auf fB liefert also mehr Feldstärke an der Empfängerantenne als der Sender auf fA. Sehr schön sind auch die 3 HF-Träger fM, fA und fB als senkrechte weiße Linien im Spektrum zu sehen.
Hinweis
Die in der Karte angedeutete Reichweite der Sender ist nur beispielhaft zu sehen. In der Realität sind es keine Kreise oder Ellipsen und die Funkversorgung geht weit über die Sektorengrenzen hinaus. Je nach Topographie gibt es eine unterschiedliche Anzahl an Sender/Empfänger (Der Bereich Stuttgart bedient 9 Standorte!), die entsprechend der Feldstärke am stationären Gleichwellen-Empfänger vom System automatisch ausgewählt werden.
Alle Sender nutzen den gleichen Funkkanal, aber es sind immer nur zwei Sender gleichzeitig auf Sendung.
CLIMAX arbeitet vollautomatisch – da wird nichts manuell umgeschaltet!
Wenn man als Pilot dem Funkverkehr der anderen Piloten mit LANGEN INFORMATION lauscht, dann kann es vorkommen, daß man sich „außerhalb“ des Versorgungsbereichs der gerade (für die anderen Piloten) automatisch ausgewählten Sender befindet und man selbst somit LANGEN nicht optimal empfangen kann. Das ändert sich, wenn man selbst „aktiv“ LANGEN ruft: Dann werden die beiden naheliegendsten CLIMAX-Sender automatisch neu ausgewählt und man hat bestmöglichen Empfang.
Falls es in schwierigem Gelände (z. B. in Tälern) vorkommt, daß nur einer der beiden Doppel-Träger empfangen wird, dann funktioniert trotzdem alles wunderbar, denn ohne CLIMAX hätte man auch nur einen Träger!
CLIMAX im 25-kHz-Raster
Das AM-Gleichwellenfunksystem ist fürs 25-kHz-Raster optimiert. Die verwendeten Empfänger-ZF-Filter sind entsprechend 25 kHz breit (siehe auch das neue 8,33-kHz-Raster).
Solange also die am Empfänger ankommenden Aussendungen nicht breiter sind als 25 kHz, können die empfangenen Signale verzerrungsfrei im AM-Empfänger demoduliert werden:
2 x 7 kHz + 3 kHz („Lücke“ in der Mitte) = 17 kHz < 25 kHz
(siehe Wasserfalldiagramm)
Die 2 Signale des LANGEN-Doppelsenderpärchens erzeugen zwar ein Interferenz-Pfeifen, da aber beide Sender identische Modulationsinhalte aussenden (die zudem laufzeitkompensiert sind), ist der gleichzeitige Empfang von 2 AM-Trägern kein Problem.
Problematisch wird’s, wenn man z. B. versucht auf Kanal 123.530 mit LANGEN INFORMATION in Verbindung zu treten. Die Mittenfrequenz fM = 123,525 MHz würde zwar passen und LANGEN würde auch antworten, aber der aufs schmale 8,33-kHz-Raster abgestimmte Empfänger-ZF-Filter im Luftfahrzeug verhindert den Empfang von mindestens einem der beiden Doppel-Träger! Beide Träger liegen außerhalb der ZF-Filterbandbreite, siehe Grafik, aber ohne Träger ist keine Demodulation des AM-Signals möglich! Infolgedessen kann man nur die völlig unverständlichen Seitenbänder hören, die wie ein SSB-Signal klingen.
Der Empfang des Funksprechverkehrs der anderen Piloten (die mit LANGEN sprechen) ist kein Problem, denn deren 6 kHz breite Aussendungen passen wunderbar durchs eigene 8,33-kHz-ZF-Filter. Dieser Umstand kann zu heftigen Irritationen führen und so u. U. auf ein defektes Funkgerät schließen lassen...
Sonderfall: Sektorenübergreifende Weiterleitung (CLIMAX-Relaisbetrieb)
Funkwellen machen bekanntermaßen nicht an Landes- oder Sektorengrenzen halt. Dort überlappen sich unweigerlich die Sendebereiche. Da die Luftfahrzeuge aber in verschiedenen Sektoren auf unterschiedlichen Frequenzen senden und empfangen, können sich die Piloten untereinander nicht hören, auch wenn sie nur wenige hundert Meter voneinander entfernt fliegen!
Dies ist ein potentielles Sicherheitsrisiko!
Damit jeder jeden hören kann, werden 2 Sender/Empfänger von LANGEN Information nahe der Sektorengrenze audiomäßig „über Kreuz“ gekoppelt:
Alles was der eine Empfänger hört, wird sofort an den anderen Sender weitergeleitet und umgekehrt. Das nennt man dann Relaisbetrieb.
Wenn ein Luftfahrzeug im rechten Sektor (1) LANGEN INFORMATION ruft (siehe Bild), dann nehmen die Empfänger Rx1A und Rx1B das HF-Signal auf und leiten die demodulierten Audio-Signale über eine Standleitung an LANGEN weiter. Über die Kreuzkoppelung wird parallel dazu das Audio-Signal über die Sender Tx2A sowie Tx2B im linken Sektor (2) abgestrahlt.
Dies funktioniert auch mit Luftfahrzeugen im Sektor 2, die auf 123,525 MHz senden und deren Audio-Signal auf die beiden Sender-Frequenzen von Sektor 1 umgesetzt werden.
LANGEN antwortet auf allen 4 Sender-Frequenzen
Somit kann jeder jeden hören!
Die „großzügige“ Überlappung der Sende-/Empfangsbereiche mag als „Verschwendung von Ressourcen“ erscheinen, denn eigentlich wird von den Piloten immer nur die Hälfe des Bereiches genutzt, da sie ja an der Sektorengrenze üblicherweise auf die jeweils andere Frequenz umschalten.
Dank den Transpondern kann der Lotse in Langen den Piloten mitteilen, wann sie umschalten sollen, aber: ohne Transponder keine Aufforderung! Durch die Überlappung müssen Piloten nicht „exakt auf der Grenze“ umschalten, was sie ohne Transponder bzw. ohne GPS u. U. auch gar nicht können. Da jeder jeden über größere Entfernungen hören kann, „kann“ man also durchaus eine ganze Weile auf der falschen Frequenz im anderen Sektor fliegen, ohne daß die Flugsicherheit leidet.
Befindet sich nahe einem Schnittpunkt von z. B. 3 Sektorengrenzen ein hoher Berg, dann kann es sein, daß an einem Standort 3 Sender/Empfänger aufgebaut sind, die entsprechend ihren Sektoren auf 3 verschiedenen Kanälen arbeiten und audiomäßig miteinander vernetzt sind. Wenn LANGEN spricht, dann sind bis zu 3 Doppel-Senderpärchen, also 6 Sender auf 3 Frequenzen gleichzeitig in der Luft!
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