2.2.12           Mimeoscope

Dick und Doof gehörten, und das dürfte auch heute noch so sein, zu den bekanntesten und beliebtesten Komikern rund um den Globus. Ein Originalplakat aus den 30er Jahren zeigt die Abbildung 168. Ob der Widerstandskreis Mr. Oliver Hardy und Mr. Stan Laurel kannten, kann ich nicht beantworten, vielleicht nur vom Hören und Sagen, vielleicht wurden sie im Kino gesehen. Wenn ich geahnt hätte, dass mir die beiden im Zusammenhang mit dem Wider­standskreis Weisse Rose durch eine Werbeschrift begegnen würden, hätte ich beim letzten Brief bei Doktorin Traute Lafrenz-Pagegleich mit angefragt.

Oliver Hardy, Stan Laurel aus den 30er Jahren, Privatbesitz

Abbildung 168: Oliver Hardy, Stan Laurel aus den 30er Jahren, Privatbesitz

    Mir ist aus Zeitungsberichten bekannt, dass ihre Filme vor der Machtübernahme durch die National­sozialisten in Deutschland im Kino unter dem Titel "Dick und Doof" zu sehen waren und auch mit Begeisterung von jenem gesehen, dem der Widerstandskreis im speziellen mit Flugblättern begegnete und vom Propagandaminister. Angeblich durften ab 1938 Oliver Hardyund Stan Laurelin Deutschland nicht mehr in Erscheinung treten, mit Ausnahme einiger Extraprivilegierter in Berlin. Ausserhalb Deutschlands konnte dieses Duo im Kino gesehen werden. Wer glücklicher Besitzer eines Fernsehempfängers war, genoss die originelle Truppe unabhängig vom Wetter auch zuhause. Die Brüller waren 1943 "Air Raid Wardens", "Jitterbugs" und "Dancing Masters". Sie alle und viele weitere sind in voller Länge im Internet zu sehen, ja natürlich in schwarzweiss Technik und gratis leicht flimmernd und verrauscht, sehr alte Stücke ohne Ton.

    Die verwendete Schablone zur Erstellung der gezeigten Werbeanzeige der A.B. Dick Company aus Chicago, wurde mit einem Mimeoscope bearbeitet und natürlich nicht mit einem Hektographen, sondern mit einem Mimeographen vervielfältigt. Ein Mimeoscope ist ein spezielles Zeichenbrett für die Bearbeitung von Schablonen. Um 1910 waren sie als urige Tischchen erhältlich, auf denen in der Mittagspause auch Schach gespielt werden konnte. Edelversionen solcher Tischchen hatten eine innenliegende Beleuchtung, darüber befand sich eine Glasplatte. Bald folgten den Zeichentischen Zeichenkästen für die Benutzung an einem Tisch. Die Zeichenflächen waren in unterschiedlichen Grössen erhältlich. Mit Linierrädchen und anderen Schablonenwerkzeugen konnte unter heller Beleuchtung im Gelbstichton gearbeitet werden. Zu dieser Zeit war noch kein Neonlicht oder gar Beleuchtungstechnik mit LEDs bekannt. James Watthatte sich mit seiner Erfindung der Glühbirne bereits einen grossen Namen gemacht. War das Mimeoscope mit Beleuchtung ausgestattet, erschien das Licht von unten durch die Schablone. So konnte jedes Detail bei der Bearbeitung der Schablone "augenschonend" erkannt werden. Dies war speziell für die Halbtontechnik oder Mehrfarben­vervielfältigung von Bedeutung, weil hier sehr genau gearbeitet werden muss. Ich hatte bei den Recherchen das Gefühl, dass für diese spezielle Bearbeitung von Scha­blonen ausgebildete Mimeo­scope-Spezialistinnen bzw. Spezialisten am Werk waren.

Oliver Hardy, Stan Laurel vergrösserter Schriftzug, Privatbesitz

Abbildung 169: Oliver Hardy, Stan Laurel vergrösserter Schriftzug, Privatbesitz

    Nun stellt sich die Frage, wie funktioniert eine Halbtontechnik mit Schablonen für Mimeographen? Ähnliches Problem kennen wir heute von der Fernsehtechnik, wenn mit einem zweidimensionalen Bildschirm dreidimensional geschaut werden soll. Ich musste erst selbst überlegen und dachte viel zu kompliziert. Verschiedene Halb­ton­techniken sind zum Teil schon sehr alt und wurden entwickelt oder angewendet von namhaften Persönlichkeiten wie Albrecht Dürer[713] oder Georg Meisenbach[714] aus München und Alois Senefelder[715]. Bei dem hier gezeigten Werbepapier wurde diese Pseudotechnik der genannten Personen, der eine trickreiche Täuschung zugrunde liegt, angewendet. Wird das Werbeplakat um ein mehrfaches vergrössert, lüftet sich das Geheimnis von selbst. Nur eine einzige Farbe wird auf gleicher Druckebene verwendet. Bei diesem Halbtoneffekt werden Zeichnungspunkte geschickt aneinander geordnet bzw. verteilt, mal enger, mal weiter auseinander, mal grösser, mal kleiner. Je mehr die Abbildung 168 vergrössert wird, umso deutlicher zeigt sich der zugrundeliegende Effekt dieser Zeichentechnik. Mit zunehmender Vergrösserung verflüchtigt sich der zugrundeliegende Trick. Das Bild besteht aus vielen einzelnen Punkten mit leicht veränderter Form und Strichkonturen, mehr nicht. Mit genügendem Abstand zum Bild kommt der Halbtoneffekt für den Betrachter am besten zur Entfaltung. Im Internet finden sich verschiedene Variationen von Mimeoscopen. Ich sah einige Mimeoscope von der A.B. Dick Company Chicago, darunter sogar einige Raritäten von 1910.

Mimeoscope, Privatedition

Abbildung 170: Mimeoscope, Privatedition

Die Bearbeitung durch Halbtontechnik ist aufwendig. Unterläuft ein Missgeschick durch Beschädigung des Schablonenpapiers, ist das Kunstwerk für die Vervielfältigung unbrauchbar und alles muss von vorne beginnen. Aus einer Gebrauchsanweisung der Greif-Wer­ke aus den 30er Jahren "Das Zeich­nen und Schreiben auf Greif-Dauerschablonen" geht hervor, wie Schattierungen, Rasterungen und Halbtontechnik an Schablonen auf einfache Weise erreicht werden können.[716] Abbildung 171 liefert eine Beschreibung zur Halbtontechnik, Abbildung 172 enthält verschiedene Zeichengeräte für verschiedene Typen von Schablonen und auf der nächsten Seite in Abbildung 173 werden Zeichenunterlagen und Rasterplatten für verschiedene Anwendungen der Hintergrundbearbeitung gezeigt.

Zeichnen und Schreiben auf Greif-Dauerschablonen, Privatbesitz

Abbildung 171: Zeichnen und Schreiben auf Greif-Dauerschablonen, Privatbesitz

Greif-Zeichengeräte für Schablonen, Privatbesitz

Abbildung 172: Greif-Zeichengeräte für Schablonen, Privatbesitz