2.2           ROTO-PREZIOSA

Der Rotationsvervielfältiger, auch als Drehvervielfältiger bekannt, ROTO-PREZIOSA gehört vervielfältigungstechnisch ebenfalls zu den Mimeographen.[492], [493], [494] Eine Erfindung von Thomas Alva Edison, ein Schablonen-Vervielfältigungsverfahren. Der ROTO-PREZIOSA des Widerstandskreises hatte die Fabrikationsnummer 13101..[495], [496] Hersteller waren die ROTO-WERKE in Königslutter am Elm.

Typenschild ROTO-PREZIOSA, Privatbesitz

Abbildung 71: Typenschild ROTO-PREZIOSA, Privatbesitz

Das Herstellungsjahr konnte nicht genau ermittelt werden, weil keine Dokumente zur Altersbestimmung des Herstellers zur Verfügung standen.[497] Eingereichte Erfindungen passend zum ROTO-PREZIOSA, Abbildung 72 vom 1. Juni 1921, Abbildung 73 und Abbildung 74 vom 20. Oktober 1927 erhielten vom Patentamt Patentschutz.[498] Die ROTO-Werke boten zwei Modelle an, neben dem ROTO-PREZIOSA ein Parallelmodell, den ROTO-REKORD für die Vervielfältigung unterschiedlicher Papiergrössen.[499], [500] Die Produktion der Sparte Vervielfältigungsapparate wurde 1921 vom Mutterwerk in Goslar ins Tochterwerk Königslutter verlagert und dort die ROTO und Debego Werke gegründet.[501], [502] In ihrer Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum der Marke ROTO schreiben die ROTO-Werke 1938: «Gegen Ende des Jahres 1912 begannen die Vorarbeiten für die Fabrikation des „Roto-Drehvervielfältigers“ in einer gesonderten Abteilung der damaligen Kommanditgesellschaft „Deutsche Bürobedarfs-Gesellschaft Bruer Co. In Goslar; sie stützte sich auf zehnjährige Erfahrung des Betriebes auf seinem Spezialgebiet der Vervielfältigung und waren von Anfang an Glückhaft.“…» «…Bis zum Jahre 1912 gab es keinen deutschen Drehvervielfältiger……»[503] «…Von Anfang an gleich zwei Druckzylinder. Ein Jahr später legte der Roto schon automatisch an. 1915 neues Modell 3 mit neuen Gedanken und Formen; Modell 4 war eine spätere kaufmännische Lösung. 1921 Forderung und Streben nach Gut und Schön — Ergebnis: das elegante Modell 5. 1925 plötzlich ein Name statt der gewohnten Modellnummer? — Jawoll, Krisenjahr! Preisrekord nach unten und Rekord im Absatz, denn „Rentenmark“ und neue „Schablone“ schufen völlig neue Grundlagen. 1926 erste Doppelfoliomaschine. 1927 höhere Ansprüche, deshalb im Frühjahr zur Messe das alles Bisherige in den Schatten stellende Modell 10… Erster Erweiterungsbau 1927; im gleichen Jahr Betriebsfest des 10000sten Roto…»[504] Kurze Anmerkung: Mit der Aussage "legte der Roto schon automatisch an" ist ein automechanischer Papiereinzug gemeint. Modell 4 wurde modifiziert und wird hier im Buch als Modell 4-1 (Antriebszahnräder der Kurbel aussenliegend, Oberfläche der Drucktrommeln aus Holzkitschnurmatten, andere Drucktrommelbefestigung als bei Modell 4-2) und 4-2 (Antriebszahnräder der Kurbel innenliegend, Drucktrommeln aus Holzkitschnurmatten, später aus Aluminium, andere Drucktrommelbefestigung als bei Modell 4-1) wiedergegeben. Mit einer Doppelfoliomaschine konnte in A3-Format vervielfältigt werden.

    Auf einem ROTO-REKORD befand sich die Gravur "R.f.A.u.A." und das steht für "Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung".[505] Restaurationstechnisch wurde das nationalsozialistische Hakenkreuz, das auch auf Armbinden, Fahnen und Gebäuden damals zu sehen war, an der Maschine mit grosser Genugtuung entfernt. Das Produktionsjahr kann aufgrund der Firmengeschichte der ROTO-PREZIOSA und ROTO-REKORD frühestens nach 1921 liegen.[506] Der Antrag auf Patentschutz wurde 1926 eingereicht und 1927 stattgegeben. Aus der Werbeschrift und dem Werbebrief des Vertriebspartners Friedmann & Seumer aus Mannheim wird den Kunden 1924[507] bereits das neue ROTO-Modell 5 vorgestellt. Im März 1921[508] erhalten ROTO-Kunden noch Werbeschriften über Modell 3, siehe Text[507]: "mit selbstt. Papieranlage" und bedeutet automatischer Papiereinzug, das Papier wird automatisch der Maschine zugeführt und Modell 4, siehe Text[507]: "mit Handanlage", entspricht Modell 4 als ROTO-PREZIOSA, das Papier muss von Hand in die Maschine hineingeführt werden.

    Aufgrund der kleinen Produktionsauflage dürfte das Produktionsende bis ca. 1930 angesetzt werden.[509] Laut Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum der Marke ROTO, erschien nach 1915 Model 4(-1). Die Modifikation für Model 4(-2) erfolgte kurz darauf, vielleicht gegen 1920. Siehe Seite 158, Abbildung 77. Die Zeichnungen aus den Patentschriften entsprechen exakt dem Modell wie auf Seite 181, Abbildung 96 dargestellt.

    In den Vernehmungsniederschriften sind unterschiedliche Angaben durch Sophie Scholl, Hans Scholl und Alexander Schmorell ffeststellbar, wer die Vervielfältigungsapparate beschaffte.[510] Der ROTO-PREZIOSA wurde im Dezember 1942 bei Firma Beierl, Sendlingerstrasse 49 in München gekauft und für die Aktionen im Januar und Februar 1943 zur Vervielfältigung der letzten beiden Flugblätter V und VI eingesetzt. Das VI. Flugblatt hatte nicht wie das V. Leerzeilen zwischen den Zeilen und war textlich sogar geringfügig länger als das V. doppelseitige Flugblatt. Der zur Recherche und Untersuchung verwendete baugleiche Original-Rotationsvervielfältiger ROTO-PREZIOSA hat die Fabrikationsnummer 8132. Ein ROTO-PREZIOSA, alle Indizien und Berechnungen[511] sprechen dafür, ist ein halbautomatischer Rotationsvervielfältiger, bei dem das zu vervielfältigende Saugpostpapier auf einem Führungsbrett von Hand in den Vervielfältigungsapparat bis zu einem Papieranschlag (beweglicher Papierstopper[512]) hineingeführt werden muss.[513], [514] Anschliessend erfolgt durch eine Rotationsbewegung mittels Handkurbel die Vervielfältigung. Die ROTO-Werke hatten schon ab 1913 vollautomatische Vervielfältigungsapparate im Sortiment. Doch der Widerstandskreis hatte keine Wahl, denn der unerlaubte Besitz von Vervielfältigungsapparaten war nicht unproblematisch und stand deshalb im Einzelfall unter Strafe bzw. Höchststrafe in Abhängigkeit der Laune des Richters, zumindest betrifft dies die Situaation vor einem Sondergericht.[515], [516]

Greif-Werke vorm. Deutsche Bürobedarfsgesellschaft Bruer Co. in Goslar am Harz, Patentschrift zum ROTO-PREZIOSA, Patent Nr. DE337390C, 1.6.1921, Vervielfältigungsvorrichtung, Position 'h' zeigt einen Papieranschlag, das Saugpostpapier wird waagerecht zum Papieranschlag per Hand hineingeführt, Deutsches Patent- und Markenamt, Europäisches Patentamt

Abbildung 72: Greif-Werke vorm. Deutsche Bürobedarfsgesellschaft Bruer Co. in Goslar am Harz, Patentschrift zum ROTO-PREZIOSA, Patent Nr. DE337390C, 1.6.1921, "Vervielfältigungsvorrichtung", Position "h" zeigt einen Papieranschlag, das Saugpostpapier wird waagerecht zum Papieranschlag per Hand hineingeführt, Deutsches Patent- und Markenamt, Europäisches Patentamt

Abbildung 73: Greif-Werke Goslar am Harz, Patentschrift zum ROTO-PREZIOSA, Patent 20.10.1927, Nr. DET270628, (GB270628A), 'Verbesserungen der Drucksteuerung und Papierausrichtung von Geräten für Schablonen-Vervielfältiger und Druckmaschinen', 'Improvements in Impression-Controlling and Sheet-Registering Devices for Stencil-Duplicators and like Printing Machines'. Position 's' zeigt den beweglichen Papieranschlag, das Saugpostpapier 'u' wird waagerecht über das Zuführungsbrett per Hand hineingeführt, Deutsches Patent- und Markenamt, Europäisches Patentamt

Abbildung 73: Greif-Werke Goslar am Harz, Patentschrift zum ROTO-PREZIOSA, Patent 20.10.1927, Nr. DET270628, (GB270628A), 'Verbesserungen der Drucksteuerung und Papierausrichtung von Geräten für Schablonen-Vervielfältiger und Druckmaschinen", "Improvements in Impression-Controlling and Sheet-Registering Devices for Stencil-Duplicators and like Printing Machines". Position "s" zeigt den beweglichen Papieranschlag, das Saugpostpapier 'u' wird waagerecht über das Zuführungsbrett per Hand hineingeführt, Deutsches Patent- und Markenamt, Europäisches Patentamt

ROTO und Debego Werke Königslutter, Patentschrift zum ROTO-PREZIOSA, Patent 20.10.1927, DET270628, (GB270628A), 'Improvements in Impression-Controlling and Sheet-Registering Devices for Stencil-Duplicators and like Printing Machines'. Saugpostpapier befindet sich während des Vervielfältigungsvorganges zwischen unterer Drucktrommel a1 und Anpresswalze y, Papieranschlag s ist abgewinkelt, Deutsches Patent- und Markenamt, Europäisches Patentamt

Abbildung 74: ROTO und Debego Werke Königslutter, Patentschrift zum ROTO-PREZIOSA, Patent 20.10.1927, DET270628, (GB270628A), "Improvements in Impression-Controlling and Sheet-Registering Devices for Stencil-Duplicators and like Printing Machines". Saugpostpapier befindet sich während des Vervielfältigungsvorganges zwischen unterer Drucktrommel a1 und Anpresswalze y, Papieranschlag s ist abgewinkelt, Deutsches Patent- und Markenamt, Europäisches Patentamt

1938 aus der 25-jährigen Jubiläumsschrift Marke ROTO der ROTO-Werke, Privatbesitz

Abbildung 75: 1938 aus der 25-jährigen Jubiläumsschrift Marke ROTO der ROTO-Werke, Privatbesitz

1938 aus der 25-jährigen Jubiläumsschrift Marke ROTO der ROTO-Werke, hier ROTO-REKORD 4-1 mit Kettenantrieb und abweichender Aufhängung der Drucktrommeln, Zahnräder befinden sich aussen, siehe im Vergleich ROTO 4-2 Seite 181, Abbildung 96, Privatbesitz

Abbildung 76: 1938 aus der 25-jährigen Jubiläumsschrift Marke ROTO der ROTO-Werke, hier ROTO-REKORD 4-1 mit Kettenantrieb und abweichender Aufhängung der Drucktrommeln, Zahnräder befinden sich aussen, siehe im Vergleich ROTO 4-2 Seite 181, Abbildung 96, Privatbesitz

Werbeschrift vom 21. März 1921, ROTO-Vertriebspartner Friedmann & Seumer Mannheim

Abbildung 77: Werbeschrift vom 21. März 1921, ROTO-Vertriebspartner Friedmann & Seumer Mannheim

ROTO-PREZIOSA, Rückseite mit beweglichem Papieranschlag in der Mitte oberhalb der Andruckwalze, Privatbesitz

Abbildung 78: ROTO-PREZIOSA, Rückseite mit beweglichem Papieranschlag in der Mitte oberhalb der Andruckwalze, Privatbesitz

    Bezugscheine für Vervielfältigungsapparate waren nicht ohne Weiteres erhältlich. Vielleicht gerade deshalb bekamen Hans Scholl und Alexander Schmorell dden Rotationsvervielfältiger, weil der Maschine ein automatischer Papiereinzug gefehlt haben muss. Dies geht aus einer Bedienungsanleitung und durch Berechnungen hervor.[517] Gleiches gilt für den Greif-Vervielfältiger, der ohnehin vollkommen von Hand bedient werden musste. Durch diesen Umstand wäre erklärbar, warum die beiden überhaupt in den käuflichen Besitz der Vervielfältigungsapparate kommen konnten. Die Verkäuferin bzw. der Verkäufer ist womöglich davon ausgegangen, dass mit solchen Apparaten ohne automechanischem Papiereinzug keine grosse Vervielfältigungsauflage möglich sei. Anzunehmen, dass dem so wäre, wird sich noch zeigen, war ein dicker Irrtum.

    Der halbautomatische ROTO-PREZIOSA ist im Vergleich mit einem manuellen Handabzugsapparat wesentlich angenehmer zu bedienen. Eine Bedienungsanleitung liess sich viele Jahre nicht auffinden, dafür verschiedene Patentschriften. Vervielfältigungsapparate mit einer automatischen Papierzuführung können, bei leicht erhöhtem Farbauftrag, ungefähr pro Sekunde eine Flugblattseite vervielfältigen. Bei dieser Geschwindigkeit der Vervielfältigung sollte die Viskosität der Vervielfältigungsfarbe nicht zu hoch sein, das heisst nicht zu pastös. Ansonsten kommen die Flugblätter nicht schnell genug von der Drucktrommel, weil sie dort an der Oberfläche des Schablonenpapiers verkleben. Steht zur Vervielfältigung keine andere Vervielfältigungsfarbe als pastöse zur Verfügung, muss langsamer und mit weniger Farbauftrag vervielfältigt werden, oder der Vervielfältigungsfarbe wird zur Verdünnung etwas Leinenöl zugefügt. Auf Seite 235 "Schablonen zur Flugblatt-Herstellung" wird auf die Bearbeitung von Schablonen näher eingegangen.[518]

   Bei einem Testlauf vervielfältigte ich einmal mit einem Vervielfältigungszyklus knapp unter einer Sekunde, mit der Maschine die Abbildung 82 auf Seite 166 wiedergibt. Weil die Vervielfältigungsfarbe optimal mit dem Papier abgestimmt war, konnten die Flugblätter problemlos auch ohne Abstreifklammern vervielfältigt werden. Der Farbauftrag muss bei diesem Tempo etwas höher sein, ansonsten erhält das Saugpostpapier zu wenig Farbe. Die damals verwendete Vervielfältigungsfarbe war von dem Vervielfältigungsapparate-Hersteller RONEO. Diese Vervielfältigungsfarbe ist leicht flüssig und für hohes Drehtempo ideal geeignet. Bei einer Vorführung mit einem ROTO Modell 9 wollte ich das V. Flugblatt vervielfältigen. Zum Vortesten verwendete ich ebenfalls die RONEO Vervielfältigungsfarbe und beim Vorführen eine nur ganz leicht pastöse Vervielfältigungsfarbe vom Hersteller Gestetner. Und prompt klebten mit jeder Vervielfältigung die Flugblätter an der Schablone fest und fielen nicht in den Auffangkorb. Ich war erstaunt und mir war sofort bewusst, auf was ich vertraut habe. Ob dem Widerstandskreis immer die gleiche Vervielfältigungsfarbe zur Verfügung stand und ob sie ähnliche Probleme hatten, kann ich nicht beantworten. Aus den Gerichtsakten geht nichts darüber hervor. Ich vermute, aufgrund der vielen Berechnungen zur Flugblatt-Herstellung, eher nicht. Sonst wäre die Flugblatt-Herstellung an den bekannten Produktionstagen nicht so "flüssig" gelaufen. Nur beim VI. Flugblatt wurde einmal ein technisches Problem erfolgreich behoben.[519] Saugpostpapier mit leicht rauer Oberfläche kann störungsfreier durch die Maschine transportiert werden. Generell nimmt Saugpostpapier Vervielfältigungsfarbe besser auf als Standardpapier. Durch das voluminöse und saugfähige Saugpostpapier entstehen Höhen und Tiefen. Die Höhen im Papier sorgen für kleine Abstände zwischen den einzelnen Papierlagen. Dies ist von Bedeutung, wenn die Saugpostpapiere nach der Vervielfältigung aufeinanderfallen. Durch die Pressung des Saugpostpapiers wird die Vervielfältigungsfarbe während eines Vervielfältigungszykluses in der Tiefe des Papiers aufgenommen. Ist der Pressvorgang nach der Vervielfältigung beendet, befindet sich die Vervielfältigungsfarbe vorwiegend im Inneren des Saugpostpapiers und weniger an der Papieroberfläche. Saugpostpapiere verkleben deshalb nicht so schnell, als das bei Standardpapier der Fall wäre. Mit etwas Übung gelingen exzellente Vervielfältigungen und diese sehen im Erscheinungsbild so aus, wie die damaligen Weisse Rose Flugblätter.[520] Weitere interessante Erkenntnisse zur Vervielfältigung mit optimaler Papiersorte finden sich auf Seite 250 "Frisch vervielfältigte Flugblätter".

    Hätte der Widerstandskreis in München einen Rotationsvervielfältiger mit automatischem Papiereinzug zur Verfügung gehabt, wären an einem halben Tag, in etwa 11[521] Arbeitsstunden, alle Flugblätter V und VI hergestellt gewesen, dem ein fröhliches Fest hätte folgen können. Doch wissen wir heute, dem war nicht so.[522], [523] Die fröhlichen Feste fanden allerdings schon statt. Diese 11 Arbeitsstunden zur Vervielfältigung der letzten beiden Flugblätter V und VI, werden an anderer Stelle zu weiteren Betrachtungen eine wichtige Erkenntnis liefern, denn diese nur 11 Arbeitsstunden verlangen eine nachvollziehbare Antwort zu den tatsächlich gebrauchten Arbeitsstunden.[524] Abbildung 82 auf Seite 166 zeigt eine automatische Papierzuführung, die sich auf dem Papierzuführungsbrett abgelegt befindet. Wie bei modernen Druckern und Kopiersystemen wird üblicherweise während des Vervielfältigungsvorgangs das Kopierpapier automatisch in den Apparat eingezogen. Diese Mechanik ist bei der Restauration, mangels fehlender Unterlagen, irrtümlich durch mich entstanden. Bei der Restauration kam die Frage auf, wann wird ein Papieranschlag gebraucht. Fast alle Mimeographen und Matrizendrucker sind weltweit mit einer automatischen Papierzuführung ausgestattet. Keiner der vielen gesichteten Maschinen mit Papiereinzug hatte einen Papieranschlag, was auch in der Sache logisch ist, denn der Automatikbetrieb sorgt für die korrekte Positionierung des Vervielfältigungspapiers. Vermutlich wurden aus Vertriebsgründen vereinzelt Modelle ohne Automatikbetrieb zum günstigen Preis angeboten. Siehe Jubiläumsschrift zum 25-jährigen Bestehen der ROTO-Werke auf Seite 504. Möglicherweise auch für Spezialanwendungen, kleine Tagesauflagen über das ganze Jahr verteilt, beispielsweise um Karteikarten zu erstellen. Die Holzabdeckung weist bei lang ausgedehnten Vervielfältigungs-Arbeiten den Staub ab und noch viel wichtiger, die Vervielfältigungsfarbe trocknet bei geschlossenem Deckel an der Maschine nicht so schnell ein. Damit immer an gleicher Position am Anfang eines jeden Saugpostpapiers die Vervielfältigung beginnt, wurde der Papieranschlag notwendig. Weil die Saugpostpapiere mit der Hand einzeln in die Maschine eingeführt werden, würde ohne den Positionsgeber der Text nicht wie gewünscht auf das Saugpostpapier gelangen. Der Text beginnt auf dem Saugpostpapier mal weiter oben, mal weiter unten, in Abhängigkeit, wie weit das Saugpostpapier in die Maschine eingeführt wurde. Wie bereits erwähnt, standen zwei verschiedene Rotationsvervielfältiger mit unterschiedlicher Namensbezeichnung zur Auswahl. Ein ROTO-PREZIOSA und ein ROTO-REKORD..[525], [526] Nur der ROTO-PREZIOSA war serienmässig als Edelausführung mit einem Holzgehäuse und Zählwerk ausgestattet und unterscheidet sich im Typenschild vom ROTO-REKORD. Was die Technik betrifft, sind beide identisch. Tabelle 7 zeigt eine Auswertung der Kaufoption eines ROTO-PREZIOSA bzw. ROTO-REKORD.

    Weil jahrelang keine Gebrauchsanweisung zur Verfügung stand, aus der hervorgeht, mit welcher Ausstattung der ROTO-PREZIOSA bzw. ROTO-REKORD zzum Verkauf angeboten wurde, musste zunächst eine Auswertung aus einem über Jahre gesammelten Datenbestand erfolgen. Aus diesem Datenbestand kamen insgesamt 33 Exponate mit verschiedenen Merkmalen zur Auswertung. Die ROTO und Debego Werke bezeichneten ihre Rotationsvervielfältiger als ROTO 1, ROTO 2, 3 oder werksintern als Modell 1, Modell 2, 3… usw.[527] Demnach verwendete die Weisse Rose einen ROTO-PREZIOSA mit der internen Bezeichnung des Herstellers ROTO-Modell 4. Tabelle 7 Seriennummer 7436 listet eine Vorvariante Modell 4-1 in der Edelausführung als ROTO-PREZIOSA. Einige Zahnräder des Kurbelantriebs befinden sich bei Modell 4-1 aussen, bei Modell 4-2 sind alle innen angeordnet. Im Übrigen eine sehr seltene Maschine, das Modell 5 mit der Seriennummer 4199. Innerhalb weniger Produktionsjahre wurden vermutlich 20000 Maschinen des Typs ROTO-PREZIOSA, ROTO-REKORD gebaut (Modell 4-1, Modell 4-2). Aus Tabelle 7 ist erkennbar, dass zumindest in den Anfangsjahren bei einem neuen Modell mit der Seriennummer 1 begonnen wurde.

Greif-Werke AG, Werbung für Greif-Vervielfältigungsfarben, Werbeschrift-Vorderseite, Privatbesitz

Abbildung 79: Greif-Werke AG, Werbung für Greif-Vervielfältigungsfarben, Werbeschrift-Vorderseite, Privatbesitz

Greif-Werke AG, Werbung für Greif-Vervielfältigungsfarben, Werbeschrift-Rückseite, Privatbesitz

Abbildung 80: Greif-Werke AG, Werbung für Greif-Vervielfältigungsfarben, Werbeschrift-Rückseite, Privatbesitz

Greif-Werke AG, Werbung für Greif-Vervielfältigungsfarben, Werbeschrift-Rückseite mit Vergrösserung der Detailangaben des Herstellers, Privatbesitz

Abbildung 81: Greif-Werke AG, Werbung für Greif-Vervielfältigungsfarben, Werbeschrift-Rückseite mit Vergrösserung der Detailangaben des Herstellers, Privatbesitz

ROTO-PREZIOSA mit irrtümlich restauriertem automechanischen Papiervorschub, Privatbesitz

Abbildung 82: ROTO-PREZIOSA mit irrtümlich restauriertem automechanischen Papiervorschub, Privatbesitz

Serien-Nr. ROTO-Typ Modell Holz-Gehäuse Druck-Trommel Zähl-Werk Zahn-Räder Lack Gehäuse

5132

ROTO

4-1

-

Schnurkitmatte

Nein

Aussen

Glatt

5228

ROTO

4-1

-

Schnurkitmatte

Demontiert

Aussen

Glatt

5409

ROTO

4-1

-

Aluminium

Nein

Aussen

Glatt

5623

ROTO

4-1

-

Schnurkitmatte

Nein

Aussen

Glatt

5852

ROTO

4-1

-

?

Ja

Aussen

Glatt

7436

PREZIOSA

4-1

Bodenplatte

Schnurkitmatte

Demontiert

Aussen

Glatt

7932

ROTO

4-2

-

Schnurkitmatte

Nein

Innen

Struktur

8132

PREZIOSA

4-2

Bodenplatte

Schnurkitmatte

Ja

Innen

Struktur

8140

PREZIOSA

4-2

Komplett

Schnurkitmatte

Ja

Innen

Struktur

8646

ROTO

4-2

-

Schnurkitmatte

Nein

Innen

Struktur

8979

ROTO

4-2

-

Schnurkitmatte

Nein

Innen

Struktur

9001

ROTO

4-2

-

Schnurkitmatte

Nein

Innen

Struktur

9148

ROTO

4-2

-

Schnurkitmatte

Nein

Innen

Struktur

9202

ROTO

4-2

-

Aluminium

Nein

Innen

Struktur

9617

PREZIOSA

4-2

Demontiert

Aluminium

Ja

Innen

Struktur

9774

ROTO

4-2

-

?

Nein

Innen

Struktur

11500

PREZIOSA

4-2

Bodenplatte

Aluminium

Nein

Innen

Struktur

12481

ROTO

4-2

-

?

?

Innen

Struktur

12690

ROTO

4-2

-

?

Nein

Innen

Struktur

12913

ROTO

4-2

-

Aluminium

Nein

Innen

Struktur

13101

PREZIOSA

4-2

Abdeckung

Weisse Rose Originalmaschine

13890

ROTO

4-2

-

Aluminium

Nein

Innen

Struktur

13946

ROTO

4-2

Komplett

Aluminium

Platte nicht Original

Innen

Struktur

14225

ROTO

4-2

-

Aluminium

Rücksetzung

Innen

Struktur

15030

ROTO

4-2

-

Aluminium

Rücksetzung

Innen

Struktur

15080

ROTO

4-2

-

Aluminium

Nein

Innen

Struktur

17021

ROTO

4-2

-

Aluminium

Nein

Innen

Struktur

17180

ROTO

4-2

-

Aluminium

Nein

Innen

Struktur

18651

ROTO

4-2

-

Aluminium

Nein

Innen

Struktur

4199

ROTO

5

Komplett

Aluminium

Ja

Innen

Glatt

19807

ROTO 8

8

-

?

?

 

Struktur

24742

ROTO 8

8

-

Aluminium

?

 

Struktur

50035

ROTO 8

8

-

?

?

 

Struktur

Tabelle 7: Auswertung ROTO Ausstattungsvarianten 

    Nachvollziehbar, dass nach so vielen Jahren nicht mehr viele Exemplare existieren. Viele dürften den II. Weltkrieg nicht überstanden haben, andere sind dem Fortschritt gewichen. Verständlich, warum die wenigen Geräte, die zum Kauf angeboten werden, sich meist in einem schlimmen Zustand befinden. Im Duden wird der Wortlaut PREZIOSA mit lateinischem Ursprung geführt: lateinisch pretiosa, zu: pretiosus = kostbar, zu: pretium = Preis.[528] Wird der italienische[529] Ausdruck prezioso oder preziosa ins Deutsche übersetzt, bedeutet dies wertvoll. Der Begriff REKORD könnte bekannt sein. REKORD hat laut Brockhaus einen lateinischen, französischen bzw. englischen Hintergrund und bedeutet Höchstleistung. Der ROTO-REKORD in der Standardausführung hatte die genannten Ausstattungsmerkmale des ROTO-PREZIOSA nicht. Das Gussgehäuse des ROTO-REKORD war meist auf grossen runden Kautschukfüssen verschraubt und wirkte darauf etwas staksig. Der auf einer Holzbodenplatte montierte ROTO-PREZIOSA braucht wegen der Dicke der Holzbodenplatte 2 cm längere Gewindeschrauben im Zollmass. ROTO-PREZIOSA und ROTO-REKORD ssind heute in aller Regel "gut bis sehr gut" verrostet und zwischenzeitlich durch meine Veröffentlichungen fast nur noch zum unanständigen Preis erhältlich.[530] Einem ROTO-REKORD, siehe Seite 168, Tabelle 7, Seriennummer 13946, wurde nachträglich ein Zählwerk angebaut.

Typenschild ROTO-PREZIOSA, Privatbesitz

Abbildung 83: Typenschild ROTO-PREZIOSA, Privatbesitz

Typenschild ROTO-REKORD, Privatbesitz

Abbildung 84: Typenschild ROTO-REKORD, Privatbesitz

    Die Anbaumechanik wurde von Hand hergestellt und entsprach nicht dem Original. Vermutlich hat der Eigentümer, das Arbeitsamt Konstanz, während der nationalsozialistischen Zeit an einem ROTO-REKORD als Standardausführung nach träglich die Holzverkleidung nachgerüstet. Nur bei der Standardausführung dürfte eine Erweiterung mit Holzgehäuse möglich sein. So lautet dennoch das Typenschild nicht ROTO-PREZIOSA, sondern schlicht ROTO. Nur in der Gebrauchsanweisung, die Jahre später aufgefunden wurde, wird vom ROTO-REKORD gesprochen, auf den Typenschildern steht jedoch nur ROTO.

Inventarisierungsmarke Arbeitsamt Konstanz, Privatbesitz

Abbildung 85: Inventarisierungsmarke Arbeitsamt Konstanz, Privatbesitz

   Interessant ist ein wissenschaftlicher Bericht, der die Bedienung eines ROTO Rotationsvervielfältigers ohne automatischen Papiereinzug beschreibt. Die Unter­suchung sollte Rationalisierungsfragen, bezüglich Vervielfältigungs- und Personal­kosten, klären. Die damalige Vorgehensweise entspricht der heutigen REFA-Technik.[531] Bei einer Arbeitsplatzbewertung wird jeder Arbeitsvorgang mit einer Stoppuhr gemessen und zusammen mit dem Arbeitsvorgang dokumentiert: «Auf dem Anlegebrett sind zwei auf die Breite der Karten einzustellende Einlaufschienen, zwischen denen die Karten in die Maschine eingeführt werden.» Weiter wird angegeben, dass die durchgezogenen Vervielfältigungen in einen Auffangkorb fallen. Detailliert wird der eigentliche Bedienungsvorgang beschrieben: «Abnehmen auf dem Anlagebrett liegenden Stapel von Karteikarten. Einlegen der Karte zwischen die Laufschienen in einem bestimmten Abstand von der Walze. Drehen der Handkurbel. Einlegen der zweiten Karte usw.»[532] Die Vorgehensweise beschreibt exakt jene, die auch der Widerstandskreis bei der Benutzung ihres ROTO- PREZIOSA kannte. Ein vollständiger ROTO-PREZIOSA wiegt 18 kg. Das Gussgehäuse der ersten ROTO mit Bodenplatte und Holzabdeckung hat die Masse 47 x 42 x 45 cm (B x L x H). Die kräftigen Gehäusefüsse unter der Holzbodenplatte, die sich mittlerweile auflösen, wurden damals auch beim ROTO-PREZIOSA aus Kautschuk hergestellt. Die beschafften baugleichen Originalexponate sind so gut wie immer unvollständig und müssen aufwendig restauriert werden.

Farbauftrag am oberen Druckzylinder zwischen der Seidengaze, Gebrauchsanweisung ROTO-Werke Königslutter am Elm, Privatbesitz

Abbildung 86: Farbauftrag am oberen Druckzylinder zwischen der Seidengaze, Gebrauchsanweisung ROTO-Werke Königslutter am Elm, Privatbesitz

   Die ersten Mimeographen hatten nur eine zylinderförmige Drucktrommel. Später kam, wie auch beim ROTO-PREZIOSA, eine zweite gleichgrosse Drucktrommel hinzu, die entweder waagrecht nebeneinander oder senkrecht übereinander angeordnet waren. Die Oberflächen der Drucktrommeln bestanden anfänglich aus Holzkitschnurmatten mit innenliegendem Aluminium­tu­bus. Später wurden die Holzkit­schnur­matten durch Aluminium­­oberflächen ersetzt..[533] Dem folgte ein Dreidrucktrommelmodell für grosse Papier­druckformate.[534] Zwischen den Drucktrommeln des ROTO-PREZIOSA befindet sich eine Farbverteilungswalze. Diese rotiert um die eigene Achse und bewegt sich während des Vervielfäl­tigungsvorgangs horizontal von rechts nach links und umgekehrt und verteilt auf diese Weise die Vervielfältigungsfarbe, die auf die obere Drucktrommel zuvor manuell aufgebracht werden muss.[535] Eine einstellbare Kurvenscheibe steuert die Andruckwalze und damit den Zeitpunkt, wann diese gegen den unteren Druckzylinder aufsetzt. Liegt die Andruckrolle am unteren Druckzylinder an, wird das zuvor von Hand an den Papieranschlag herangeführte Saugpostpapier zur Vervielfältigung mittels zweier Umdrehungen mit der Handkurbel durch die Maschine gezogen.[536] Konstruktions­bedingt bestimmt die Kurvenscheibe immer an gleicher Stelle das Ende der Vervielfältigung. Nur der Beginn der Vervielfältigung kann für einige Zentimeter variabel eingestellt werden. Am Ende des Vervielfältigungsvorganges entfernt sich immer zum gleichen Zeitpunkt die Andruckwalze von der unteren Drucktrommel. Wie bereits angesprochen, sind die Druckzylinder von einer Seidengaze überzogen. Zwischen Anfang und Ende ist die Seidengaze mehrere Zentimeter unterbrochen und wird nur an den beiden äussersten Rändern rechts und links durch schmale Verbindungen zusammengehalten, sodass die Seidengaze nicht von den Trommeln rutschen kann. Diese Öffnung wird zum manuellen Auftrag der Vervielfältigungsfarbe verwendet. Zum Farbauftrag wird die Öffnung waagrecht ganz nach oben gekurbelt. Dann kann aus einer Farbtube, wie Abbildung 86 zeigt, Vervielfältigungsfarbe entlang des oberen Druckzylinders gemässigt aufgetragen werden. Die schwarzen Flächen der Seidengaze, wie Abbildung 89 zeigt, sind farbundurchlässig. Diese Seidengaze wird über die Drucktrommeln gelegt, wie aus Abbildung 88 erkenntlich ist. Die beiden äusseren Leisten werden rechts und links durch eine Stahlfeder miteinander verbunden. An der breiten Leiste von oben betrachtet, wird die fertig bearbeitete Schablone eingehängt. Die mittig gräulich grosse Fläche ist die eigentliche Seidengaze. Sie nimmt ölhaltige Vervielfältigungsfarbe auf, führt und schützt die Schablone während der Vervielfältigung. Eine handgefertigte Nachbildung muss sehr genau gefertigt werden, ansonsten fällt sie aufgrund eines Längenunterschieds von den Drucktrommeln.

 

Schematische Darstellung ROTO-PREZIOSA, Privatbesitz

Abbildung 87: Schematische Darstellung ROTO-PREZIOSA, Privatbesitz

  
Befestigung Seidengaze, Gebrauchsanweisung ROTO-Werke Königslutter am Elm, Privatbesitz

Abbildung 88: Befestigung Seidengaze, Gebrauchsanweisung ROTO-Werke Königslutter am Elm, Privatbesitz

Durch mehrmaliges Leerkurbeln verteilt sich die Vervielfältigungsfarbe auf dem 100 µm dünnen Seidengaze und auf den beiden Drucktrommeln. Gelangt zu wenig Farbe auf die Drucktrommeln, wird auch der Farbauftrag auf das zu vervielfältigende Saug­postpapier spärlich ausfallen und der Text gegebenenfalls nicht vollständig wiedergegeben. Zu hoher Farbauftrag führt zu einem übersättigten Schriftzug bzw. zu einer unangenehmen Überschwemmung der Schablone. Eine qualitative Vervielfälti­gung ist auf diese Weise nicht möglich. Wie bereits im Kapitel "Mimeograph – Thomas Alva Edison" auf Seite 75 angegeben, brauchen Mimeographen zur Vervielfältigung Schablonen.[537] Diese enthält nach der Bearbeitung den Inhalt für die Flugschriften. Diese kann durch Schreibmaschinenanschlag oder mit speziellen Schreibwerkzeugen handschriftlich mit Text oder Graphik versehen werden. Dort, wo sie bearbeitet wurde, wird die Schablone für Vervielfältigungsfarbe durchlässig.[538]

Nachbildung Seidengaze, Privatbesitz

Abbildung 89: Nachbildung Seidengaze, Privatbesitz

   Nach der Bearbeitung der Schablone muss ein Kohlepapier, das zwischen Schablone und einem Schutzkarton liegt, herausgenommen werden. Anschliessend wird die Schablone an der Aufhängeschiene, die sich am Anfang der Seidengaze befindet, in Ösen oder wie Abbildung 89 zeigt in Trapeze (2. Leiste von oben) eingehängt, sodass der lesbare Text auf den Drucktrommeln liegt. Zuvor muss genügend Vervielfältigungsfarbe auf die Drucktrommeln gegeben und gut verteilt werden, damit die empfindsame Schablone auf die Seidengaze durch Adhäsionshaftung locker, blasen- und wellenfrei anhaftet. Der Schutz­karton besteht aus zwei Teilen. Ein kurzer Teil des Schutz­kartons von ca. 5 cm muss zum Eigenschutz des Schablonen­papiers verbleiben, der grössere Teil wird erst nach dem Probelauf an einer Perforationsstelle abgetrennt.[539] Das Schablonenpapier auf den Drucktrommeln wird soweit vorge­kurbelt, bis der später verbleibende Schutzkarton sich kurz vor der Anpresswalze befindet. Dann kann die Arretierung der Andruck­walze mechanisch freigeschaltet werden und durch Kurbelbetrieb eine Vervielfältigung ohne die Verwendung von Saugpostpapier vonstattengehen. Der Schutzkarton wird an Stelle des Saug­postpapiers für den Probelauf verwendet. Die Kurbel muss solange gedreht werden, bis das Ende der Schablone sichtbar wird. Für Kontrollzwecke sollte die Anpresswalze deaktiviert sein. Anschliessend wird das Ende des Schutzkartons angehoben und dieser überprüft, ob sich die Vervielfältigungsfarbe auf den Schutzkarton vollständig an allen Textstellen und Grafiken übertragen hat.

Geha Schablonen-Linierrädchen verschiedener Grössen zum Unterstreichen von Wörtern und zum Zeichnen, Privatbesitz

Abbildung 90: Geha Schablonen-Linierrädchen verschiedener Grössen zum Unterstreichen von Wörtern und zum Zeichnen, Privatbesitz

Sollte die Übertragung zu gering ausgefallen sein, muss etwas mehr Vervielfältigungsfarbe auf die obere Drucktrommel gegeben und der Vorgang einschliesslich Leerkurbeln wiederholt werden, bis der Text und oder die Grafik am Schutzkarton vollständig übertragen wird. Erst danach kann an der Perforationslinie bis auf einen kleinen Teil des Schutzkartons dieser gefühlvoll abgetrennt werden. Anschliessend erfolgt der zweite Teil des Probelaufs mit preiswertem Papier. Eventuell muss ein weiterer Farbauftrag in kleinen Mengen auf die obere Drucktrommel erfolgen, bis vollständig alle Informationen, die das Schablonenpapier enthält, auf dem Testpapier ankommen. Manchmal befindet sich an den Flugblatträndern zu wenig Vervielfältigungsfarbe, sodass der Text schwächer auf dem Flugblatt erscheint. Für diesen Fall ist ausreichend, punktuell etwas mehr Vervielfältigungsfarbe auf die Ränder der oberen Drucktrommel aufzutragen. Nach erfolgreichem Probelauf kann mit Saugpostpapier die Vervielfältigung beginnen. Auf exakt gleiche Weise vervielfältigte der Widerstandskreis seine Flugblätter V und VI.

Rechts am Ausgang befindliche Abstreifklammern, Gebrauchsanweisung ROTO-Werke Königslutter am Elm, Privatbesitz

Abbildung 91: Rechts am Ausgang befindliche Abstreifklammern, Gebrauchsanweisung ROTO-Werke Königslutter am Elm, Privatbesitz

   Die Vervielfältigungsgeschwindigkeit eines Mimeographen ist nicht endlos. Ein Experiment mit einem umgebauten ROTO-PREZIOSA, dem ein automechanischer Papiervorschub angebracht wurde, ergab, dass bei einer Vervielfältigungszeit eines Flugblatts unter 1 Sekunde sich nicht alle Flugblätter schnell genug von der oberen Drucktrommel am Schablonenpapier lösten und dann nicht in den Korb fielen, sondern über die obere Drucktrommel nach vorne transportiert wurden. UUm derartiges Verhalten zu unterbinden, konnten spezielle Klammern am Ausgang des Rotationsvervielfältigers angeklemmt werden, um so während des Vervielfältigungsvorganges festgeklebte Blätter vom Schablonenpapier der Drucktrommel abzustreifen.[540] Bei optimaler Abstimmung von Papier und Vervielfältigungsfarbe werden diese Abstreifklammern nicht benötigt. Wird zu schnell und ruppig vervielfältigt, erreicht das Schablonenpapier keine hohe Flugblattauflage, sie verschleisst frühzeitig, dem ein Abriss folgt. Ist das Druckbild bei hoher Vervielfältigungsgeschwindigkeit zu schwach, muss mit wesentlich mehr Farbauftrag gearbeitet werden, was nicht ganz unproblematisch ist, denn für keinen Moment darf langsamer vervielfältigt werden, weil sonst zu viel Farbe auf das Flugblatt gepresst wird und die Farbe sich in Erholungspausen durch das Schablonenpapier eine Zeitlang selbständig durchdrückt und beim nächsten Vervielfältigungsvorgang zu einer Farbüberschwemmung führt. Durch den erhöhten Farbauftrag verkleben Flugblätter tendenziell häufiger mit dem Schablonenpapier. Laut Gebrauchsanweisung sollte die Kurbel bei einem ROTO-REKORD mit Anleger, mit Anleger ist ein automechanischer Papiervorschub gemeint, nicht zu schnell gedreht werden. Empfohlen wurde vom Hersteller aus Königslutter am Elm zwischen 30 und 50 Vervielfältigungen pro Minute. Das entspricht einem Vervielfältigungszyklus von  bis  Sekunden pro Flugblattseite. Bei einem Testlauf konnte ein Vervielfältigungszyklus im Automatikbetrieb von ca. 0,9 Sekunden für eine Flugblattseite erreicht werden. Der Vervielfältigungszyklus sollte nicht unter einer Sekunde sein.