1.4           Professoren-Schreibmaschine Ideal

Eine Schreibmaschine Seidel & Naumann Typ Ideal mit Seriennummer 16505 wurde am 2. März 1943 aus Privatbesitz in München im Stadtteil Gräfelfing beschlagnahmt. Sie gehörte Professor Kurt Huber. Auf dieser Schreibmaschine schrieb ihr Professor das VI. Flugblatt als Entwurf.[460], [461] Hans Scholl und Alexander Schmorell übertrugen den Text mit der Remington Portable 2 auf Schablone[462] zur Vervielfältigung mit dem Rotationsvervielfältiger ROTO-PREZIOSA. Herstellerbedingt kommen zwei[463], [464] Schreibmaschinen mit gleicher Seriennummer 16505 für die Professoren-Schreibmaschine in die engere Wahl. Wie bereits erwähnt, ist bei Seidel & Naumann eine gewisse Unstetigkeit bei der Seriennummernvergabe feststellbar, das geht aus den einschlägigen Fabrikationslisten hervor. Offensichtlich erkannte der Hersteller diese Situation und reagierte um 1934 darauf. Danach wurden die Seriennummern fortlaufend geführt und nicht mehr nach Modifikation eines Schreibmaschinentyps mit der Ziffer 1 begonnen. Doch für die Schreibmaschine des Professors kommt diese Massnahme zu spät.

    Aus der Gerichtsakte des Professors geht hervor: «Die Sichergestellte Schreibmaschine des Beschuldigten Kurt Huber wurde am 2.3.43 durch Gend-Hauptw. Fleischmann des Gen-Postens Gräfelfing durchgeführt. Die Schreibmaschine Marke Ideal mit Firmenzeichen S & N und Firmenschild Alfred Bruck, Schreibmaschinenhaus München Fabrik-Nr. 16505 wurde am 3.3.43 zur Dienststelle der Staatspolizeileitstelle München verbracht[465] Leider existieren nur wenige Angaben zur verwendeten Schreibmaschine. Folgende Maschinen überschneiden sich mit der Seriennummer 16505:

-  Modell Ideal A3, Baujahr 1904

-  Modell Ideal B, Baujahr 1917/1918

Generell ist korrekte Literatur mit Quellenangaben über Schreibmaschinen nur schwer zu bekommen. Nur extrem teure antike Fachbücher für Schreibmaschinen stehen mit Quellenangaben zur Verfügung.

   Ideal A3 (ohne gesicherte Quellenangabe)

Der Schreibmaschinentyp Ideal soll für individuelle Kundenansprüche entwickelt worden sein. Spezielle Wünsche zu Tabulatoren mit zwei verschiedenen Schreibsätzen wären möglich gewesen.

    Das Modell Ideal war als Version A1 bis A4 erhältlich,[466], [467] davon waren Versionen A2 bis A4 Modifizierungstypen. Die Schreibmaschine verfügt über einen Dezimaltabulator. Edwin Barney und Frank J. Tanner sollen im Jahre 1900, für die Nähmaschinenfabrik Seidel & Naumann, diesen Maschinentyp entwickelt haben. Der Typenkorb liegt nicht vertikal, sondern ist 45° abgewinkelt. Der Rückstellhebel für den Wagen liegt rechts vom Tastenfeld und damit fern vom Wagen. Beim Drücken der Umschalttaste wird der Typenkorb angehoben und der Wagen gesenkt. Diese mechanische Funktion wird gelegentlich auch als Hybridumschaltung bezeichnet.[468] Das Design und der Schriftzug "Ideal" des schweren Metallgehäuses zeigt Ähnlichkeit mit den Seidel & Naumann Nähmaschinen. Die verschiedenen Schreibmaschinen des Typs Ideal haben die Masse (T x B x H) 35 x 35 x 24 cm. Das Gewicht liegt bei 12 kg ohne Holzgehäuse. Gewicht mit Holzgehäuse ca. 17 kg.[469]

    Ideal B (ohne gesicherte Quellenangabe)

Die Ideal B, Konstrukteur Julius Mohns, ist ein Nachfolgetyp der Ideal A4 und wiegt ohne Holzgehäuse 21 kg. Auch die Ideal B erfuhr mehrere Modifikationen.[470] Die Ideal B hat anstelle der Segmentumschaltung[471] eine Wagenumschaltung.[472] Die Maschinen hatten im Schriftzug der Modellbezeichnung den Namen Naumann eingebettet, manche Maschinen auch nicht. Der seitliche, massive Wagenrücklaufhebel neben dem Tastaturfeld wurde durch einen modifizierten linksseitig an den Wagenrücklauf verlagert. Durch die mechanische Anhebung bzw. Absenkung kann zwischen Klein- und Grossschrift umgeschaltet werden.

    Zusammenfassung

Eine Übergangsmaschine Ideal A5 hatte bereits das Gehäuse der Ideal B. Auf der Ideal A5 stand jedoch nur Ideal und etwas unterhalb die Ziffer 5. Aufgrund der Seriennummer, die bis etwa 3000 anzusetzen ist, kann dieses Modell ausgeschlossen werden. Auf der Schreibmaschine Ideal B steht üblicherweise der Herstellername vorne am Gehäuse, Seidel & Naumann, Dresden. Mit einer Kopie eines maschinengeschriebenen Originals, das nach dem Krieg von Kurt Huber erhalten blieb, könnte durch eine Schriftanalyse die Maschine des Professors identifiziert werden. Unter der Voraussetzung, die Beamten haben fehlerfreie Angaben gemacht, würden die vorliegenden Daten aus der Vernehmungsakte des Professors für eine Schreibmaschine von Seidel & Naumann Ideal A3 oder Ideal B sprechen.

   In München hatte Professor Kurt Huber in der Theresienstrasse 93/II ein Arbeitszimmer gemietet, um wissenschaftlich in Ruhe arbeiten zu können.[473] Laut Zeugenaussagen durch seine Vermieterin bekam er keinen Besuch. Angeblich soll Hans Scholl seinen Professor dort einmal aufgesucht haben. Für die Entfernung bis zur Ludwig-Maximilians-Universität Münchens ergab sich ein Fussweg von etwa 2 km.

Vormals Seidel & Naumann AG, Übersicht nach 1936 bisher erschienener IDEAL Modelle, Privatbesitz

Abbildung 64: Vormals Seidel & Naumann AG, Übersicht nach 1936 bisher erschienener IDEAL Modelle, Privatbesitz

   Aufgrund der unterschiedlichen Gewichte von 12 kg und 21 kg, dürfte die Schreibmaschine Ideal A3 der gesuchte Favourit sein. Verlässlich ist diese Annahme nicht.