1.3
Kriminaltechnik – Schreibmaschinen
Auch Schreibmaschinen hinterlassen mit den
Jahren eigenspezifische Spuren durch mechanische Abnutzung.
Insbesondere betrifft dies die Typen, mit denen geschrieben wurde.
Die Abnutzungsspuren werden unter einem Mikroskop sichtbar. Durch
Vergleichslisten der Schriftbilder lassen sich die
Schreibmaschinenhersteller ermitteln. Allerdings wird hierzu für
jeden Hersteller und für jeden Schreibmaschinentyp eine lückenlose
Schriftprobe zum Vergleich benötigt und die dazugehörige Bemassung
der Typen. Genau dies lag bei der KTI Berlin (Kriminaltechnisches
Institut als oberste Reichs-
Dienststelle) und KTU München
(Kriminaltechnische Untersuchungsstelle) zur Remington Portable 2 nicht
vollumfänglich vor. Folglich konnte die Remington Schreibmaschine
erst nach der Beschlagnahmung im Februar 1943 als Tatwerkzeug
identifiziert werden.[454],
[455]
Wenn bekannt ist, in welcher
Zeit bestimmte Schriftsätze verwendet oder Modifikationen an den
Schriftsätzen durch die Hersteller vorgenommen wurden, so kann
möglicherweise das Baujahr eingegrenzt oder sogar genau ermittelt
werden. Allerdings wird für eine Analyse eine sehr umfassende
Datenbank, mit vielen Schrifttypen der damaligen
Schreibmaschinenhersteller und dazugehörige zeitliche Modifikationen
der Typen benötigt.[456],
[457] Die verwendete
Farbe, die durch ein Schreibmaschinenfarbband übertragen wird,
braucht eine gewisse Trocknungszeit. Die Farbzusammensetzung kann
Aufschluss zum Hersteller geben. Da der mechanische
Schreibmaschinenvorschub bei jeder Schreibmaschine abweicht, können
solche Merkmale weitere Hinweise liefern. Beispielsweise sind bei
werksmässig gelöteten Typensätzen im Vergleich mit anderen
Schreibmaschinen des gleichen Typs in aller Regel geringfügige
Unterschiede feststellbar. Insbesondere sind Reparaturen
möglicherweise über das Schriftbild erkennbar.
Ein auffälliger
Schreibmaschinenanschlag kann Auskunft über einen
Schreibmaschinenanwender geben.[458]
Ein geschriebener Text ist nicht nur durch das geschriebene Dokument
lesbar, sondern kann auch auf dem Farbband sichtbar werden und
möglicherweise nahezu alle genannten Parameter. Experten der
Untersuchungsstelle schrieben Flugblätter und Briefumschläge
mehrmals mit den Schreibmaschinen des Widerstandskreises exakt ab,
um durch einen kriminaltechnischen Schriftenvergleich die
Beschuldigten zu überführen. So wurde festgestellt, dass einige
Typen der Schreibmaschine Erika 6, mit der grösstenteils die vielen
Briefumschläge adressiert wurden, eine leichte Schrägstellung
aufwiesen, insbesondere der Kleinbuchstabe "i".
Eine horizontale Überhöhung zeigte das kleine "o".
Am Strassennamen "Adolfstr.
33" des gezeigten
Briefumschlags, Abbildung 63, ist
eine horizontale Hochstellung der Kleinbuchstaben "do"
erkennbar, wenn auch nur minimal. Durch Anlegen eines Lineals an den
Wortkonturen werden bei näherer Betrachtung unter dem Mikroskop
systematische Höhenabweichungen sofort erkennbar. Derartige
Abweichungen können bei der Remington Portable 2 Schreibmaschine,
mit der die Schablonen bearbeitet wurden, mit den Flugblättern
verglichen werden und an einem Anteil der adressierten
Briefumschläge. Gleiches gilt für die Schreibmaschine Erika 6, mit
der überwiegend die Adressierung der
Briefumschläge stattfand. Auf diese Weise können die Tatwerkzeuge
durch zum Teil extrem kleine Merkmale eine Überführung ermöglichen.
Möglicherweise entstand an der Schreibmaschine eine Stauchung oder
Verbiegung eines oder mehrere Typen, oder die Typen wurden bei der
Herstellung der Schreibmaschine nicht ganz exakt beim Einlöten auf
Linie gebracht. Auch eine Reparatur könnte vorgelegen haben. Werden
verbogene Typen zurückgebogen, kann eine Auffälligkeit
zurückbleiben, die sich im Schriftbild dauerhaft niederlegt.
Interessant war die Sichtung beim
Institut für Zeitgeschichte in München bezüglich der vielen
Dokumente, die von der Kriminaltechnik erstellt wurden. Bei erster
Sichtung könnte der Eindruck entstehen, das seien Flugblätter und
Briefumschläge des Widerstandskreises. Vielmehr blieben die
maschinell abgeschriebenen Flugblätter und Briefumschläge, die von
der Kriminaltechnik zur Analyse und Überführung der
Schreibmaschinenschreiber gefertigt wurden, im Original erhalten.[459]
Im heutigen Computerzeitalter
werden Schriftproben der Typen eingescannt und dann durch Vermessung
analysiert und das Ergebnis mit einer Datenbank verglichen. Eine
ähnliche Vorgehensweise wie sie zur Identifizierung von Personen
mittels Fingerabdrücken vorgenommen wird. Am Ende kann nochmals eine
mikroskopische Untersuchung vorgenommen werden.