1.1.4           Kleiner geschichtlicher Exkurs ums "ß"

Die Historikerin Barbara Ellermeier berichtet in ihrer Hans Scholl Biographie, Hans Scholl war ab dem 4. November 1937 bis 31. März 1939 in der Taubenheim-Kaserne Rekrut im Regiment 18 in Bad-Cannstatt.

Hans Scholl, Bad-Cannstatt Taubenheim-Kaserne, Postkarte gelaufen 7.5.1912, Privatbesitz

Abbildung 53: Hans Scholl, Bad-Cannstatt Taubenheim-Kaserne, Postkarte gelaufen 7.5.1912, Privatbesitz

Die Taubenheim-Kaserne zeigt Abbildung 53. Laut der Historikerin habe sich Hans Scholl freiwillig zur Kavallerie gemeldet, um dort reiten zu können.[428] Während dieser Zeit war Hans Scholl bei verschiedenen Einsätzen ausserhalb von Bad-Cannstatt unterwegs.

Hans Scholl im August 1938 im Murgtal, Postkarte gelaufen 13.6.1938, Ausschnitt aus dem Murgtal mit Gemeinde Gernsbach, Privatbesit

Abbildung 54: Hans Scholl im August 1938 im Murgtal, Postkarte gelaufen 13.6.1938, Ausschnitt aus dem Murgtal mit Gemeinde Gernsbach, Privatbesit

    Aus seinen Briefen an die Eltern in Ulm vom 6., 13. und 24. August 1938 geht hervor, dass Hans Scholl im August 1938 im badischen Malsch privat einquartiert war.[429] Welcher militärischen Einheit Hans Scholl in Bad-Cannstatt angehörte, geht aus seinem Brief vom 6. August 1938 hervor. Hans Scholl schreibt in diesem Lebensalter seine Texte noch mit "ß".[430], [428] Jedoch nicht mehr lange. Im Brief vom 5. September 1938 schreibt Hans Scholl von Stuttgart aus an seine Eltern, dass er in Malsch in der Lorettostrasse bei Familie Grässer untergebracht war und spricht über gleichaltrige Mitbewohnerinnen. Die beiden seien 19 und 21 Jahre alt.[431] Was Hans Scholl im Brief nicht angab, war die Hausnummer. Zwischenzeitlich wurde der damalige Strassenname umbenannt.

    Einen besonderen Dank gilt Josef Bechler der Heimatfreunde Malsch e. V. für seine Unterstützung. Josef Bechler suchte im Archiv nach dem Haus, wo Hans Scholl im August 1938 in Malsch einquartiert war und wurde fündig. Die beiden jungen Frauen wurden 1917 und 1918 geboren, die Familie hatte sechs Kinder, vier waren bereits ausgezogen. Hans Scholl nannte den Nachnamen des Quartiergebers und Josef Bechler fand den Doppelvornamen dazu und die Hausnummer der Unterkunft. Um die Persönlichkeitsrechte der heutigen Hausbewohner zu wahren, wird die genaue Adresse zurückgehalten. Josef Bechler lieferte viele personenbezogene Details wie Namen der Eltern und die Geburtsdaten. Zur Umbenennung der Strasse berichtet Josef Bechler: «Aufgrund einer Entschließung des Bürgermeisters Hornberger von Malsch vom 8. Februar 1936 wurden in unserer Gemeinde, der damaligen Zeit entsprechend, teilweise Straßennamen nach politischen Größen in jenen Tagen, oder nach hohen Offizieren und Schlachten des Ersten Weltkrieges benannt. So bekam auch die ehemalige Schützenstraße der im Ersten Weltkrieg hart umkämpften Anhöhe in Frankreich ihren Namen. Gleich nach Ende des Krieges wurden größtenteils die Straßennamen vor der Änderung von 1936 wieder verwendet[432]

Originalunterschrift von Hans Scholl, Brief vom 13. August 1938 aus Malsch. Der Brief beginnt: Meine lieben Eltern, und endet Herzliche Grüße !, Euer Hans . Die Doktoren-Schrift beherrschte er schon damals… Privatedition

Abbildung 55: Originalunterschrift von Hans Scholl, Brief vom 13. August 1938 aus Malsch. Der Brief beginnt: "Meine lieben Eltern," und endet "Herzliche Grüße !", "Euer Hans .". Die Doktoren-Schrift beherrschte er schon damals… Privatedition

    Am 6. August berichtet Hans Scholl an seine Eltern: «Die Hitze ist oft sehr drückend und die Schnaken können einen wahnsinnig machen.» «Malsch liegt am Fuße des Schwarzwaldes in der großen Rheinebene.» Hans Scholl vermisst ganz offensichtlich bergige Landschaften. «Aber überall Ungeziefer, Sumpf und fade Rübenfelder. Die Menschen sind sehr Lebenslustig.» Am nächsten Tag, dem 7. August 1938, fährt er ins Murgtal und freut sich darauf.[433]

    Im nächsten Brief, den Hans Scholl am 13. August 1938 an die Eltern richtet, beklagt er das regnerische Wetter und er habe heute keinen Sonntagsurlaub. Hans Scholl beabsichtigt am kommenden Tag, dem 14. August 1938, eventuell nach Karlsruhe zu fahren. Wiederholt beklagt Hans Scholl wie im vorigen Brief, dass er den Chef nie sehe. Er meint den Rittmeister Scupin,[434] der ihm und seiner Familie wohl gesonnen ist.

    Hans Scholl kündigt die Rückreise nach Bad-Cannstatt zum 30. August 1938 an.[435] Am 24. August 1938 schreibt Hans Scholl den nächsten Brief aus Malsch an seine Eltern und berichtet über die ersten Erlebnisse des Tages: «Als ich heute aufwachte, sah ich von meinem Fenster aus die welligen Höhen des Schwarzwaldes als Silhouette gegen die aufgehende Sonne.» Hans Scholl bedankt sich für ein Paket und erwähnt, wie gern er Briefe liest. «Wir sind in Malsch nun beinahe heimisch; ich habe äußerst nette Quartiersläute.»

Hans Scholl im August 1938 in Baden-Baden, Postkarte gelaufen 6.6.1938, Privatbesitz

Abbildung 56: Hans Scholl im August 1938 in Baden-Baden, Postkarte gelaufen 6.6.1938, Privatbesitz

    Nebenbei liest Hans Scholl begeistert die Buddenbrooks. Er würde am 30. oder 31. wieder nach Bad-Cannstatt kommen, nach nur 5 Tagen ist schon wieder Aufbruch. «Ein unstetes Leben. Das ist mir lieber als in der Kaserne. Vor acht Tagen war ich in Karlsruhe in der Gemäldegalerie und im Tierpark. Nächsten Sonntag besuche ich wieder Baden-Baden. Die Stadt ist sehr sauber. Sie riecht direkt nach Sauberkeit.»[436], [437] Als Hans Scholl in Karlsruhe den Tiergarten aufsucht, gelangt er durch das breite Eintrittstor in den schönen Stadtgarten der Stadt Karlsruhe.

Hans Scholl im August 1938 im Karlsruher Tierpark, Postkarte gelaufen 25.4.1941, Privatbesitz

Abbildung 57: Hans Scholl im August 1938 im Karlsruher Tierpark, Postkarte gelaufen 25.4.1941, Privatbesitz

Der Stadtgarten befindet sich am nahegelegen Hauptbahnhof.