1 Widerstandsapparate – Schreibmaschinen
1.1 Remington Portable 2
Auf
der amerikanischen Kleinschreibmaschine
Remington Portable 2,[391],
[392],
[393]
Seriennummer NL 82533M,
Baujahr März 1928,[394]
Made in U.S.A., bearbeiteten die beiden Studenten Hans Scholl und
Alexander Schmorell die
Schablonen für ihren Mimeographen der ersten vier Flugblätter im
Juni und Juli 1942, in einem Zeitraum von etwa 14 Tagen,
einschliesslich aller Briefumschläge für die Adressaten.[395]
Bei den letzten beiden Flugblättern V und VI schrieb der
Widerstandskreis mit der
Remington Portable 2 alle
Schablonen und einen Teil der zu adressierenden Postsendungen. Zu
diesem Ergebnis kam die Kriminaltechnische Untersuchungsstelle (KTU)
München und die oberste Dienststelle Berlins, das Kriminaltechnische
Institut (KTI).[396],
[397],
[398]
Vervielfältigungsapparate wie sie vom Widerstandskreis zur
Flugblatt-Herstellung eingesetzt wurden, benötigen als
Vervielfältigungsvorlage eine Mimeographen-Schablone. Für die ersten
vier Flugblätter Ende Juni, Anfang Juli 1942 verwendeten die
Studenten einen Vervielfältigungsapparat Marke Greif-
Vervielfältiger mit Handabzug,[395], [399]
für die letzten beiden Flugblätter im Januar und Februar 1943 einen
Rotationsvervielfältiger Modell ROTO-PREZIOSA.[400] Hans Scholl und
Alexander Schmorell verarbeiteten
die Schablonenvorlagen für den Handabzugsapparat gemeinsam.
Möglicherweise war Sophie Scholl beim
Beschreiben einer Schablone des V. Flugblatts ebenfalls beteiligt.[401]
Die verwendete Originalschreibmaschine Remington Portable 2, die dem Widerstandskreis zur Verfügung stand, hatte als Gehäuselackierung einen matten Schrumpflack. Im Vergleich zur Standardausführung fehlt ihr das hintere Zierblech mit der Firmenaufschrift Remington, der Papierandruckbügel, die rechte klein/gross Umschalttaste und die Zierbügel rechts und links am Schreibsatz des versenkbaren Typenkorbs. Anstatt des Papierandruckbügels wurde ein quasi Papierandruckbügel, eine umgearbeitete mechanische Papierführung in Höhe der Farbbandaufnahme angebracht. Der Lack ist leicht gekräuselt und matt.[402] Abbildung 50 zeigt eine Remington Portable 2 in der Ausführung mit Schrumpflack und Abbildung 272 auf Seite 664 eine Standard Remington Portable 2 mit Glanzlack. Seriennummer und Baujahr der Vergleichsmaschine NX84102M, wurde im April 1928 gebaut.[403]
Die Remington Portable 2 wurde von der amerikanischen Typewriter Company in Ilion, New York, USA hergestellt. In Berlin unterhielt die Remington Company ein eigenes Vertriebsbüro, die Remington Schreibmaschinen Ges.m.b.H. Berlin.[404] Laut Hans Scholl war die Schreibmaschine eine Typenhebelmaschine, deren Typenkorb nach beendeter Arbeit versenkt werden konnte.[405] Dadurch erfährt die Maschine eine niedrigere Bauhöhe als andere Schreibmaschinen. Die Standardmaschine besitzt eine vierreihige Tastatur mit 42 Schreibtasten. Durch mechanische Umschaltung können 84 verschiedene Zeichen im Oberaufschlag geschrieben werden. Beim Oberaufschlag fallen die Buchstaben von oben auf die gummiartige Schreibwalze. Andere Anschläge wären Unteraufschlag und Vorderaufschlag. Die vom Widerstandskreis original erhalten gebliebene Schreibmaschine Remington Portable 2 ist mit einer deutschen Schreibtastatur ausgestattet und hatte auch eine Taste für das "ß". Die Ziffer 1 hat jedoch keine Taste, dafür muss das kleine "L" verwendet werden. Warum bei allen sechs Flugblättern für das "ß" immer ein doppeltes "s" getippt wurde, blieb bisher unklar. Nur an einer Stelle tauchte verflixt dann doch unerklärlich ein "ß" auf.[406] Die offene Frage konnte dankend die Historikerin Barbara Ellermeier beantworten. «Für Hans Scholl kann ich sagen: Als er 1938 zum Studium ging, hat er seine Schrift regelrecht umgestellt. Vorher schrieb er deutsche Schreibschrift, dann lateinische Buchstaben. (Mehr dazu in meinem Buch, S. 47f.). Und er schrieb ~~grundsätzlich~~ "ss" statt "ß". Das mag also eine persönliche Vorliebe gewesen sein, die er nicht nur in seinen persönlichen Briefen, sondern auch in den Flugblättern beibehalten hat.»[407]
Die Schreibmaschine verfügt nur über ein kleines "ü". In folgedessen wurde insbesondere bei den ersten Flugblättern bei Wortanfang für das grosse "Ü"ein "Ue" eschrieben.