4.4.5 Mimeograph – Vervielfältigungsfarbe
Dem
Opalograph liegt ein
komplexes, chemisches Vervielfältigungsverfahren zugrunde.
Vorausgegangen ist das Verfahren der Lithographie, ein
Steindruckverfahren nach Alois Senefelder im Jahre
1798.[320] In der Literatur wird manchmal erwähnt, dass die
Vervielfältigungsqualität bei Mimeographen und Opalographen am
besten sei.[321]
Aufgrund zahlreicher Patentschriften kamen für die Opalographie
unterschiedliche chemische Rezepturen zur Anwendung, die über
Jahrzehnte verfeinert wurden. Manchmal wird fälschlicherweise die
Lithographie mit dem Opalograph gleichgesetzt.
Eine
Papiervorlage wird mit einer speziellen Tinte, die aus Tonerde oder
Cerium besteht, handschriftlich mit Federhalter oder durch
Schreibmaschinenanschlag mit Verwendung von speziellem Farbband oder
Tintenblatt beschrieben. Eine gründlich gereinigte Glasplatte wird
durch Watte mit einer Preservat-Chemikalie[322]
hauchdünn eingerieben. Anschliessend wird die beschriebene
Papiervorlage auf die vorbehandelte Opalplatte gelegt und mit dem
Apparatedeckel des Holzgehäuses bis zu mehreren Minuten aufgepresst
und vorsichtig wieder abgenommen. Die Vorlage darf nicht
verrutschen, ansonsten folgen unsaubere Vervielfältigungen. In
diesen Minuten entsteht eine chemische Reaktion, ähnlich einem
Fotonegativ, zwischen Schrift und der Chemikalie, die sich auf der
Opalplatte befindet. Der Text überträgt sich spiegelverkehrt als
Umdruck. Umdruck, weil später keine Vervielfältigung durch die
erstellte Vorlage erfolgt. Eine letzte alkalisch wirkende Chemikalie
muss anschliessend mit unbenutzter Watte auf die bearbeitete
Opalplatte ebenfalls sehr dünn aufgetragen werden. Nach der zweiten
chemischen Reaktion ergibt sich auf der Glasplatte ein zarter
Niederschlag, der an den Textstellen fetthaltige
Vervielfältigungsfarbe aufnimmt und von den übrigen Stellen
abgestossen wird.
Der Opalograph kann
dem Flachdruckverfahren zugeordnet werden,[323],
[324]
bei dem die druckenden und nichtdruckenden Teile auf der gleichen
Oberflächenebene liegen, sich jedoch durch chemische Reaktionen
voneinander trennen, indem sie Farbe annehmen oder abstossen. Das
Aufbringen fetthaltiger Vervielfältigungsfarbe geschieht mit einer
gummiartigen Handfarbwalze.[325]
Die Farben enthalten als Grundstoff häufig Öl, Fett, Russ und andere
herstellerspezifische Zusätze.[326]
Der Opalograph ist wesentlich
schneller betriebsbereit als ein Lithograph, viel handlicher, vor
allem viel leichter und in den Grössen DIN-A5 oder DIN-A4 oder auch
etwas grösser erhältlich.
Nun können
unbeschriebene Flugblätter zum Vervielfältigen auf die Opalplatte
aufgelegt werden. Mit einem sauberen zweiten Handroller wird das
neue Flugblatt überrollt. So überträgt sich die fetthaltige
Vervielfältigungsfarbe auf das Vervielfältigungspapier. Als letztes
muss das Vervielfältigungspapier, ohne zu verrutschen, an einer Ecke
von der Glasplatte vorsichtig abgerollt werden. Der Opalograph bekam
seine Gerätebezeichnung durch die Farbe der Glasplatte. Der
Hersteller verbürgte sich in der Gebrauchsanleitung: «Opalplatte,
für welche jede beliebige lange Garantie übernommen wird.»
Merkmale Opalograph:
Kleiner handlicher Vervielfältigungsapparat im A5-Format, A4-Format
oder grösser, schneller einsatzbereit als ein Lithograph, mehrere
Verfahren bei der Umsetzung von Vervielfältigungen möglich,
Geräteausführung als Hand- oder Rollabzug, gestochen scharfe und
lebenslang haltbare Vervielfältigungen.
Zur Anwendung standen verschiedene Verfahrensweisen zur Auswahl, deren Arbeitsschritte in den nächsten Kapiteln beschrieben werden. Diese Kenntnisse musste sich Heinz Brenner für die Flugblatt-Herstellung aneignen. Abbildung 239 auf Seite 579 zeigt den Vervielfältiger.