4.4.1 Erfindung und Entwicklung des Mimeographen
Insbesondere enthält dieses Kapitel Nachweise zum
Vervielfältigungsverfahren, das vom Widerstandskreis Weisse Rose zur
Flugblatt-Herstellung verwendet wurde.
1874 patentierte
Eugenio de Zuccato den später
auf dem Markt angebotenen Papyrograph. Auf ein mit Lack
beschichtetes Papier wurde mit einer korrosiven Tinte geschrieben,
dass den Lack an den niedergeschriebenen Stellen auflöste. Nach
Reinigung der Schablone mit Wasser war diese an jenen Stellen für
Farbe durchlässig, wo der Lack weggeätzt wurde. Bereits 1874
verwendete Eugenio de Zuccato den
Begriff Schablone (Stencil).[250]
Viele Vorversuche
waren für eine vollkommen neue Vervielfältigungstechnik zunächst
notwendig. Damals ungeahnt, sollte sich eine neue Idee bis ins 21.
Jahrhundert hochmodern weiterentwickeln. Heute heissen die
Anwendungen nicht mehr Mimeograph oder Edison/Dick
Vervielfältigungsverfahren.[251]
Der Ursprung ist jedoch ureigen dieser Pioniere geschuldet.
Thomas Alva Edison entwickelte einen mit Batterie betriebenen elektrischen Schreibstift, siehe Abbildung 23, an dem sich am oberen Ende ein Elektromotor befand. Der Schreibstift bestand aus einem Führungsrohr, in dessen Rohr eine Nadel durch den Elektromotor vertikal 50-mal pro Sekunde auf- und abwärtsbewegt wurde. Die feinen und kurzen vertikalen Nadelschwingungen, die entlang der Oberfläche eines Papiers angebracht wurden, punktierten dieses entlang der Schreib- und Zeichenkontur und machten daraus ein Schablonenpapier und somit für Schreibfarbstoffe durchlässig wie ein Sieb.[252]
Mit dem perforierten Papier konnte an den Stellen der Lochung Vervielfältigungstinte durch die Schablone gepresst werden. Zur Vervielfältigung von Papieren wurde das fertig bearbeitete Schablonenpapier auf einer Platte eingespannt. Anschliessend konnte ein mit Vervielfältigungsfarbe getränkter Filz auf die Schablone aufgelegt und mit einer Handrolle die Farbe durch die Perforation auf darunterliegende Blätter rollend übertragen werden.[253] Das Thomas Alva Edison Patent wurde am 8. August 1876 unter der Patentnummer US180857A[254] ausgegeben. Die Entwicklungen hörten weltweit nicht auf.
Charles N. Jones dürfte der
erste Erfinder gewesen sein, der 1887 eine Weiterentwicklung des
Ur-Mimeographen zum Patent anmeldete.[255]
Sein Flachbettvervielfältiger mit Klapprahmen wurde mit Wachsblatt
und Seidengaze betrieben. Anstelle von Gaze fällt in der
Patentschrift der Begriff Diaphragma. Werbeschriften, die im
Century Magazine von Albert
Blake Dick 1900
erschienen, lauten "The Edison
Diaphragm
Mimeograph" und zeigen einen Flachbettvervielfältiger für
Rundschreiben mit Diaphragma, auf den ebenfalls 1900 ein Diaphragma
Rotary No. 61 folgte, also ein Rotationsvervielfältiger mit
Seidengaze.[256]
Aus der Werbeschrift geht hervor, dass die Schablonen
handschriftlich oder mit Schreibmaschinenanschlag bearbeitet wurden.
Das perforierte Schablonenpapier wurde durch ein in Wachs getränktes
Papier ersetzt.[257]
Die Wachspapiere wurden nicht ausgestanzt, wie das zunächst bei
Thomas Alva Edison der Fall war, sondern nur das Wachs wurde an den
geschriebenen Stellen durch Schreibmaschinenanschlag verdrängt und
für Schreibstoffe durchlässig. Für diesen Effekt mussten möglichst
dünne Papiere verwendet werden. Ansonsten konnten die Typen der
Schreibmaschine die Wachsschicht nicht genügend verdrängen. Aus
diesem Grund müssen auch die Typen vor und während der Bearbeitung
von Schablonen ständig mit einer Bürste gereinigt werden.
Insbesondere Zeichen mit geschlossenem Charakter wie "b", "e" und
"o" usw. Blieb die Reinigung aus, stellte sich der gewünschte Effekt
der Verdrängung ungenügend oder nicht ein.[258],
[259]
Albert Black
Dick übernahm
1887 die Vermarktung des Ur-Patents Electric Pen[260]
von Thomas Alva Edison. Allerdings übernahm er nicht den elektrischen
Teil des Electric Pen, sondern ersetzte ihn durch Linierrädchen
und Schablonenstift. Ein auf einer Unterlage liegendes
Wachsblatt konnte dann mit den beiden Werkzeugen handschriftlich
bearbeitet werden. Die Maschine wurde als Mimeograph-Typewriter
vertrieben.[261]
Der Vertrieb von Thomas Alva Edison verkaufte
mit weit geringerem Erfolg weiterhin den Electric Pen neben der
mit hoher Nachfrage veränderten Version von Albert Blake Dick.[262]
Beide betrieben die Entwicklung des Mimeographen weiter, aus
denen in kurzen Zeitabständen neue Modelle zum Verkauf
hervorgingen.[263]
Dem Schreibmaschinenanschlag in Wachsschablonen folgten moderne
Schablonen[264]
mit unterschiedlich hergestellten Rezepturen. Anstatt in Wachs
wurden langfaserige Spezialpapiere in eine chemische Mischung
getaucht. Am Anfang wurde mit Flachbettvervielfältiger
vervielfältigt, Vergleichsbeispiel wäre ein
Greif-Vervielfältiger des
Herstellers Greif-Werke, dem ein Rotationsvervielfältiger wie
vergleichsweise ein ROTO-PREZIOSA der ROTO und
Debego Werke, nachfolgte. Zu Beginn der
Rotationsvervielfältigung bestanden die Apparate aus einer
Drucktrommel, später bekamen die Mimeographen zwei, gefolgt von
Dreitrommel-Vervielfältigern für grosse Papierflächen.[265]
Mit der Einführung von Rotationsvervielfältigern wurde für die
Vervielfältigung eine bewegliche Seidengaze zur Führung und zum
Schutz der hochempfindsamen Schablone notwendig.[266]
Laut Thomas Alva Edison sollen die
ersten Flachbettvervielfältiger mit einer Schablone bis zu 5000
Vervielfältigungen erreicht haben.[267]
Albert Black Dick vermarktete 1894 den Mimeograph Typewriter von
Thomas Alva Edison, vereinfachte und perfektionierte die technische
Vorlage seines Kompagnons und entwickelte einen
Rotationsvervielfältiger mit modernen Wachsschablonen.[268],
[269]