XII. Nachruf

1           Johanna Kirchner und Reinhold Frank

Ein besonderer Nachruf gilt Johanna Kirchner[2405], [2406] und Reinhold Frank[2407] die ebenfalls im Widerstand aktiv waren und vor dem Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt wurden. Durch ein Ehrenamt kam ich regelmässig in Karlsruhe-Oberreut in die Johanna Kirchner Strasse und in Karlsruhe-Stadtmitte in die Reinhold Frank Strasse. Ich hatte über einen langen Zeitraum vielfach versucht, mehr über sie zu erfahren. Über Johanna Kirchner wurde zwar ein Buch veröffentlicht, doch dies war seit Jahren vergriffen und über Reinhold Frank war zu diesem Zeitpunkt noch keines erhältlich. Durch die Suche nach Details über ihr Leben, gelang ich zu vielen Buchtiteln über den Widerstandskreis Weisse Rose. Zwischenzeitlich fand ich ein gut erhaltenes altes Buch über Johanna Kirchner und im Internet eine interessante Darstellung über Reinhold Frank. Ich erblickte immer wieder, die an den Strassenschildern angebrachten Hinweisschilder, die an ihren Widerstand erinnern. Ich hatte das Bedürfnis mehr über sie zu erfahren und warum sie hingerichtet wurden. Weil mir über beide keine Literatur zur Verfügung stand, entwickelte sich mein spezieller Themenbereich zum Widerstandskreis Weisse Rose. Mit 5 ½ Jahren stellte ich Fragen zur "Judenvernichtung" und konnte bedingt durch mein Alter nur erfassen, dass 6 Millionen Juden, ganz, ganz viele Menschen sein mussten, die während der nationalsozialistischen Zeit gewaltsam ihr Leben verloren, um nicht zu sagen, grausam und vorsätzlich in Konzentrationslagern ermordet wurden. Mit 8 Jahren stellte ich Fragen zum II. Weltkrieg und über Adolf Hitler. In Erinnerung blieb von damals, er sei ein böser Mann gewesen. Im späteren Leben hörte ich vom Widerstandskreis Weisse Rose, von anderen Widerstandsgruppen und Partisanen. Bei der Internetrecherche über Widerstandsgruppen während der nationalsozialistischen Zeit werden der 20. Juli, die Rote Kapelle, Edelweißpiraten, Jüdischer Widerstand und Widerstandsaktivitäten durch einzelne Personen im Suchbrowser aufgelistet und vieles über die Weisse Rose. Ursprünglich galt die Suche der Literatur über Johanna Kirchner und Reinhold Frank, leider vergebens. Also besorgte ich, was möglich war. Ich wollte mithilfe eines Buches detailliertere Informationen über die Weisse Rose in München erfahren. Mein erster Griff war irrtümlich ein Kinderbuch. Allerdings ein ausgezeichnetes Buch und ich verstand "für mein Alter" sogar die gesamte Buchausgabe. Noch mal, das Buch war wirklich sehr gut. Mit dem dritten Buch über die Weisse Rose fand ich einen Hinweis zu einer Schreibmaschine Remington Portabel. Wenig später über einen Vervielfältigungsapparat und stellte fest, die Weisse Rose verwendete noch weitere Apparaturen. Ich restaurierte damals als Ausgleich in meiner Freizeit Grammophone. Wollte, was die Sammlungsgrösse anbelangte, nur gemässigt sammeln. Mir ist sehr bewusst, dass täglich tausende Menschen verhungern und ich zum Leben mehr habe, als ich eigentlich bräuchte. Ich wollte die Sammelleidenschaft deshalb in einem gewissen Rahmen belassen. Dennoch bin ich von mancher Sammlung, die ich gesehen habe, sehr angetan. Ihre Beiträge sind sehr wichtig für kommende Generationen. Drei Tage später kam eine Remington und bald hatte ich beide Schreibmaschinen und die beiden dazugehörigen Vervielfältigungsapparate, die in München zur Flugblatt-Herstellung zum Einsatz kamen. Später gesellten sich weitere Exponate aus dem Weisse Rose Umfeld hinzu. Zunächst bestand die grosse Frage, wie könnten mit dem Rotationsvervielfältigungsapparat ROTO-PREZIOSA originalgetreue Flugblätter vervielfältigt werden, so wie damals in München. Eine Bedienungsanleitung war nicht aufzutreiben und für Jahre verwehrt. Der beschaffte Apparat war unvollständig und deshalb vollkommen unklar wie er zu bedienen ist und welches Zubehörmaterial zur Flugblatt-Vervielfältigung beschafft werden muss. In der Literatur über die Weisse Rose München wird weitläufig erwogen, die Flugblätter seien hektographisch vervielfältigt worden. Dann war eigentlich alles klar, was gebraucht wird. Jedoch ist ein Hektograph für die Vervielfältigung von bis zu 15000 Flugblattseiten ungeeignet. Auch ein Matrizendrucker musste ausgeschlossen werden, denn wohin mit dem Spiritus? Bei näherer Betrachtung wurde klar, das kann so nicht funktionieren und deshalb so nicht gewesen sein. Das Zubehörmaterial von Hektograph und Matrizendrucker passte nicht zum ROTO-PREZIOSA. Ein entscheidendes Detail am ROTO-PREZIOSA verlangt nach einer Antwort, was macht eine Seidengaze an einem Hektographen oder Matrizendrucker? Nach langer Recherche wurde mehr und mehr deutlich, dass eine historische Täuschung vorliegen muss. Ich konnte mir zunächst nicht vorstellen, dass die Vorstellung vom Hektograph seit 1943 sich so lange halten konnte. Als Gewissheit bestand, ging ich davon aus, das könnte die Öffentlichkeit interessieren. Endlich erfahren die Menschen, wie 1942/1943 in München Schablonen bearbeitet und die enorme Anzahl von Flugblättern hergestellt wurden. Daraus entwickelte sich eine Aufgabe fürs Leben. Dem folgten öffentliche originalgetreue Flugblatt-Vervielfältigungen, Vorträge, Beschaffung von Exponaten zur Restauration und ständige Recherchen zu den damaligen geschichtlichen Ereignissen zur und um die Weisse Rose. Bei manchem Vortrag mit Flugblatt-Vervielfältigung vernahmen Gäste in der Luft den Geruch von ölhaltiger Vervielfältigungsfarbe, insbesondere bei hoher Luftfeuchtigkeit und hohen Temperaturen in der Sommerzeit. Interessante Projekte entwickelten sich zur Flugblatt-Herstellung. Widerstandsapparaturen anderer Erinnerungseinrichtungen wurden ebenfalls ehrenamtlich durch Restauration unterstützt.