17.1           Widerstandskämpferin, Widerstandskämpfer – Definitionsversuch

Eine Anerkennung als Widerstandskämpferin bzw. als Widerstandskämpfer kann in etwa so verstanden werden, sie muss ein tatkräftiges Geschehen mit Öffentlichkeitscharakter aufweisen und wird bei Erfüllung als aktiver Widerstand bezeichnet. Dies reflektiert die allgemeine Auffassung verschiedener Publikationen. Etwas ausführlicher mit weiteren Details ausgedrückt:

    Aktiver Widerstand «ist keine introvertierte Aversion gegen empfundenes Unrecht oder Gegenstand einer herabwürdigenden verbalen Haltung, auch wenn diese vor dem Sondergericht zum Todesurteil[2368] führen konnte. Aktiver Widerstand ist gekennzeichnet durch eine aus dem Untergrund organisierte Gegnerschaft, die den Sturz eines verfassungswidrigen Regimes beabsichtigt, gegebenenfalls mit Gewalt herbeiführt und für sich betrachtet legitime öffentliche Handlungsweise gegen bestehendes Unrecht oder durch Zuwiderhandlung die Staatsautorität untergräbt. Aktiver Widerstand wird tendenziell begleitet durch Aktivitäten, die meist innerhalb eines längeren Zeitraumes, verschärfend, mit neuen Ideen und ausdauernd stattfindet, dessen Konsequenz mit erheblichen Nachteilen und Risiken des eigenen Lebens und die des sozialen Umfeldes einhergehen[2369]

    Aktiver Widerstand zusammenfassend formuliert: «Organisierte Gegnerschaft, die aus dem Untergrund den Sturz eines verfassungswidrigen Regimes, gegebenenfalls mit Gewalt, unter Lebensgefahr beabsichtigt[2369]

Kurzerklärungen zu einigen Begriffen, die verwendet wurden:

    Verfassungswidriges Regime: «Gewaltherrschaft ohne Gewaltenteilung mit einhergehender Missachtung von Gesetzen zum Schaden des Staates und deren Bürgerschaft»[2369]

    Gewaltenteilung: «Staatsverwaltung in Legislative (Gesetzgebung durch ein Parlament), Exekutive (alle Behördenverwaltungen von Bund, Länder und Gemeinden) und Judikative (richterliche Rechtsprechung) und als Gegengewicht gilt die Pressefreiheit zu nennen[2369]

Ergänzend seien noch zwei andere Formen des Widerstandes genannt:

    Passiver Widerstand: «Zivil organisierte Gegnerschaft, die als Opposition gewaltfrei zum Boykott aufruft. In Demokratien und meist eingeschränkt in Autokratien möglich, in Diktaturen nicht und nur stillschweigend möglich oder im Austausch unter Gleichgesinnten[2369]

   Vergleich Partisanenverbände: «Nicht reguläres Militär, das bewaffnet gegen die im eigenen Land eingedrungenen Feinde aus dem Hinterhalt operiert[2369]

    Bei Eugen Grimminger ist keine direkte Beteiligung als aktives Widerstandshandeln gegen das System durch die Weisse Rose von aussen betrachtet erkennbar. Er gehörte augenscheinlich für viele dem zweiten Kreis an, der sich um die Logistik kümmerte oder finanzielle Mittel bereitstellte. Nach obigem Verständnis würde Eugen Grimminger die klassischen Kriterien für die Anerkennung als Widerstandskämpfer nicht erfüllen. So ähnlich dürften das Kritiker empfinden. Um das zu ändern, müssen alte Sichtweisen durch neue Argumente überdacht werden.

    Ein kleiner Vergleich: Ein grosszügiger Spender stellt einen grossen Geldbetrag für den Bau eines Kinderhauses für Kriegsflüchtlinge zur Verfügung. Der Architekt und die Baufirma finden das Engagement des Spenders so rührend, dass sie sich bereit erklären, das Haus kostenlos zu planen und zu bauen. Am Ende reicht das Geld für die Einrichtung mit schönen Möbeln und medizinischem Gerät. Wer wird bei der Einweihungsfeier geehrt? Gewiss, solche Vergleiche decken meist nicht die vollständige Situation bzw. Wirklichkeit ab, doch wird am Beispiel der Grundgedanke sichtbar. Weiteres Beispiel: Der deutsche Gesetzgeber sieht vor, dass bei einer lebensbedrohlichen Situation, wenn grosse Nachteile für das eigene Leben bestehen, zwangsläufig keine Hilfeleistung geleistet werden muss, um anderes Leben zu retten und derartige Situationen rechtlich nicht als unterlassene Hilfe ausgelegt werden. Zum besseren Verständnis drei kurze Beispiele: Von einer Person kann nicht verlangt werden, dass sie sich auf eine Eisfläche eines Sees begibt, wenn alle anderen Rettungsmassnahmen versagten, um eine ins Eis eingebrochene Person vor dem Ertrinken zu bewahren. Gleiches gilt für einen Nichtschwimmer. Von ihm kann nicht verlangt werden, in den See zu springen, um eine Person zu bergen. Bei einem bewaffneten Überfall mit Geiselnahme gilt ähnliches. Der Gesetzgeber verlangt kein Eingreifen, im Gegenteil, ruhig, besonnen und deeskalierend zu handeln und abzuwarten bis Spezialeinsatzkräfte eintreffen.

    Nun hat sich ein Beteiligter um den Widerstandskreis Weisse Rose München sehr verdient gemacht. Er handelte damals aus heutiger Sicht gegen jede Vernunft und stellte sich dem vollen Risiko. Bildlich gesprochen, er begab sich damals aufs Eis… Eine grössere öffentliche Diskussion ist offensichtlich nie darüber entfacht. Einer aus dem Widerstandskreis wusste zu gut, wie nach der Regierungsübernahme durch Adolf Hitler mit den Juden verfahren wurde. Er war der Einzige aus dem Widerstandskreis, der die Übergriffe, Repressalien, Anfeindungen, Denunziationen, Beleidigungen und den verinnerlichten Hass an den Juden unmittelbar leidvoll täglich miterlebte. Ein aussergewöhnlicher und mutiger Mann stellt sich gegen die neue nationalsozialistische Gesellschaftsordnung und bleibt ihr standhaft treu bis ans Kriegsende und muss sich dafür regelmässig demütigen lassen. Er musste einiges aushalten und ertragen und verlor plötzlich seine berufliche Anstellung, weil er mit einer Jüdin verheiratet war und jüdischen Familienangehörigen Schutz in der Familie bot. Die Situation wird dramatisch. 1941 kommt die Aufforderung, dass sich fünf seiner jüdischen Familienangehörigen an einer vorgeschriebenen Sammelstelle einzufinden haben, Senta Meyers, 38 Jahre alt und ihre vier Kinder. Er begleitet sie in Stuttgart am Killesberg zur Sammelstelle. Er dürfte Schlimmes geahnt haben. «Grimminger brachte die Seinen noch mit der Straßenbahn zur Sammelstation Killesberg. Dabei wurde er vom Schaffner bedrängt, der ihn anging, weil er mit Juden unterwegs war. Er solle sich schämen. Eugen Grimminger antwortete mit zwei trotzigen Sätzen, die in Deutschland von 1941 selten zu hören waren: „Das ist meine (jüdische) Familie! Und da schäme ich mich nicht!“ (Hedi Wild). Die Deportation in Güterwaggons vom Stuttgarter Nordbahnhof aus war für Gertrud-Lore–Fritz–Else–Senta Meyers eine „Reise“ ohne Wiederkehr; im März 1942 traten ihnen dann bei Riga die Einsatzkommandos gegenüber.»[2370]

    Etwa ein dreiviertel Jahr später bekommt Eugen Grimminger von zwei jungen Herren aus München Besuch, die mit einer aussergewöhnlichen Bitte an ihn herantreten. Beide wussten, dass die Ehefrau von Eugen Grimminger Jüdin war. Alexander Schmorell bestätigte dies bei seiner Vernehmung gegenüber der Geheimen Staatspolizei München. Die Geheime Staatspolizei notiert: «Von Hans Scholl weiss ich, dass Grimminger mit einer Jüdin verheiratet ist.»[2371] Die beiden Studenten brauchten dringend Geld für den Widerstand in München. Hans Scholl muss die Aktivitäten Eugen Grimminger umfänglich erklärt haben. Von Alexander Schmorell ist aus seiner Vernehmungsniederschrift bekannt: «Bei Grimminger in Stuttgart angekommen, haben wir ihm offen zu erkennen gegeben, dass wir staatsfeindliche Flugblätter herstellen und verbreiten möchten und dazu Geld bräuchten.»[2372] Und sicher fiel in ähnlicher Weise der Satz, bei beiden nicht ihre Eltern oder Geschwister einzuweihen. Eugen Grimminger hätte im Januar 1943[2373] Hans Scholl und Alexander Schmorell mitteilen können, bitte habt Verständnis dafür, ich kann Euch nicht unterstützen, wenn ich auch sehr gerne würde, ich kann nicht über meinen eigenen Kopf hinweg entscheiden, ich habe in eine jüdische Familie eingeheiratet, meine Frau ist Jüdin, ihr wisst, was das heute bedeutet, ich riskiere Kopf und Kragen und meine Familie, einige Verwandte wurden bereits abgeholt, wir werden sie wohl nie mehr sehen, wenn ich mitmache, bringe ich vielleicht meine Familie ins Verderben, vor allem wenn Euer Vorhaben fehlschlägt und das ist hochgefährlich, das gleicht einem Himmelfahrtskommando und das wisst ihr beide ganz genau, sicher haben bereits einige nein gesagt bei Euch mitzumachen. Die Situation, die zur damaligen Zeit einhergeht, ist GEWALTIG und WAHNSINNIG gefährlich. Nichts davon ist übertrieben dargestellt, vielmehr ungenügend. Seine Entscheidung hat in der Folge viel abverlangt, mehr als einem einzelnen Menschen aufgebürdet werden kann. Später schreibt Eugen Grimminger: «Ich tat es, weil ich nicht anders konnte! Ich konnte es nicht mehr mit ansehen, was alles an Scheußlichkeiten und Verbrechen begangen wurde.»[2374]

    Eine aussergewöhnliche Entscheidung braucht eine ebenso aussergewöhnliche Gesamtbetrachtung von aussen. Sein Entschluss, die beiden Studenten zu unterstützen, dürfte nicht leichtfertig geschehen sein. Er unterstützte den Widerstandskreis zunächst finanziell und wohl auch durch Papierwaren, dem später die Lieferung eines leistungsfähigeren Vervielfältigungsapparates auf Wunsch von Hans Scholl folgen sollte und es wurde weiteres Geld für weitere Vorhaben gebraucht.[2375] Durch seine finanzielle Unterstützung konnte die Weisse Rose auf grosse Flugblattauflagen übergehen. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur Flugblatt-Herstellung noch im Sommer 1942. Eugen Grimminger bricht die Lanze über sich und seine Familie. Das Geld wurde dringend zum Kauf von 4450[2376] Briefmarken gebraucht. Der grösste Teil des Geldes war schnell ausgegeben.[2377] Der Kontakt bleibt zwischen Hans Scholl und Eugen Grimminger bestehen. Im übertragenen Sinn geschieht bei Eugen Grimminger aktiver Widerstand durch seine Entscheidung, die Weisse Rose in München tatkräftig zu unterstützen. Seinen geistigen Gewaltakt gegen das Verbrechen wurde durch den Tod seiner Frau Jenny Grimminger am Ende tragisch und traurig sichtbar. Eugen Grimminger zerbrach fast an seinem Schicksalsschlag, weil er sich gegenüber seiner Frau schuldig fühlte. Eugen Grimminger konnte seine Familie nicht regelmässig alleine lassen und er war durch eine Denunziation gezwungen, ein eigenständiges Büro zu betreiben. Sein monatliches Einkommen war damals mit etwa 666 RM[2378] nicht sehr hoch und musste zur Ernährung seiner zeitweise mehrköpfigen Familie reichen. Mit ihm eingeschlossen, sieben Personen. Aufgrund dessen hätte sich Eugen Grimminger nicht ständig in München aufhalten können. Dies war bei anderen Beteiligten im Widerstandskreis aus anderen Gründen ähnlich. Mitunter, wenn auch nicht alleine, wurde massgeblich die Weisse Rose in München durch ihn und durch seine Unterstützung geprägt. Hinzukommen würde die Finanzierung eines Vervielfältigungsapparates,[2379] den sich Hans Scholl wünschte und der ungefähr doppelt so teuer gekommen sein dürfte als der gebrauchte ROTO-PREZIOSA mit ca. 230-240 RM.[2380] Damit würde Eugen Grimminger sich mit ca. 500 + (2 * 240) ~ 1000[2381] RM finanziell eingebracht haben. Zweifel kann an der Aussage von Eugen Grimminger kaum erhoben werden, weil der Grund für die Anschaffung eines Vervielfältigungsapparates realistisch nachvollziehbar ist und rechnerisch belegt wurde.[2382]   —   Er muss sehr genau gewusst haben, was in München vor sich ging, ihm konnte das extrem grosse Risiko nicht entgangen sein, das er dennoch auf sich nahm. Insbesondere muss berücksichtigt werden, dass Eugen Grimminger von seiner Frau Jenny Grimminger gebeten wurde, sich nicht am Münchner Widerstand zu beteiligen.[2383]    —

    Ein angestrebter Vergleich soll an den Beteiligten des Widerstandskreises nichts schmälern. Er ist jedoch notwendig, um die Diskrepanz, in der sich ähnlich gelagerte Fallsituationen befinden könnten, sichtbar zu machen und die legitime Frage zu klären, ist dass alles gerecht oder wurde die Verhältnismässigkeit möglicherweise bei einigen ebenso mutigen Menschen ausser Acht gelassen? Denn ein wichtiges Kriterium scheint sehr weit vorgelegt zu sein, "Öffentliche Kampagnen". Das ist eines der Kriterien, die herangezogen werden, um zu prüfen, ob eine Anerkennung als Widerstandskämpferin bzw. Widerstandskämpfer gegeben ist. "Öffentliche Kampagnen" bedeutet, dass sich eine Person nicht nur im stillen Kämmerlein über das System echauffiert, sondern aktiv die Dinge selbst mit Flugblättern oder Knüppeln in die Hand nimmt.

    Christoph Probst schreibt einen Flugblattentwurf mit inhaltlichem Frontalangriff gegen Adolf Hitler und dessen Unrechtssystem, fordert die Beendigung des Krieges und übergibt den Entwurf an Hans Scholl. Der Entwurf kommt nicht mehr in Umlauf.[2384] Ein Sondergericht würde die Todesstrafe verhängen, so auch im Fall Christoph Probst geschehen. Christoph Propst gilt zurecht als Widerstandskämpfer, weil sein Flugblattinhalt den aktiven Widerstand klassisch verkörpert und dieser zur Verbreitung angedacht war.

    Die Ulmer Schüler Hans Hirzel, Susanne Hirzel, Franz-Josef Müller übernehmen den Münchner Postversand. Franz-Josef Müller beschafft Briefumschläge und angeblich auch Briefmarken und adressiert 4 Stunden lang Briefumschläge und beendet dann seine Widerstandstätigkeit. Den Rest von 9 Arbeitsstunden: Beenden der unfertigen Briefsendungen von Franz-Josef Müller, adressieren, kuvertieren und frankieren von weiteren Briefumschlägen, erledigt Hans Hirzel alleine und bringt diese Fracht von Ulm nach Stuttgart zu seiner Schwester Susanne Hirzel. Susanne Hirzel dürfte laut ihrer Aussage die Briefe in Stuttgart grösstenteils alleine oder komplett alleine auf verschiedene Postkästen in Stuttgart verteilt haben.[2385], [2386] Alle drei entgehen nur knapp der Todesstrafe. Sie werden zurecht als Widerstandskämpferin bzw. Widerstandskämpfer anerkannt, weil sie direkt und aktiv am Widerstand beteiligt waren.

    Der Widerstandskreis nähert sich Eugen Grimminger, kann auf ihn zählen und vertrauen. Eugen Grimminger organisiert finanzielle Mittel, die für den grossen Briefmarkenkauf im Januar 1943 dringend notwendig waren. Erst durch die Geldzuwendung war die Grossauflage zur Verbreitung der Flugblätter über den Postweg möglich geworden. Gisela Schertling berichtete gegenüber der Geheimen Staatspolizei München, Hans Scholl müsse noch nach Stuttgart.[2387] Ein Grund dafür wurde nicht genannt. Doch nach der Fertigstellung des VI. Flugblatts und dem dazugehörigen Postversand, war die Widerstandkasse bis auf 40 RM aufgebraucht.[2388] Die Weisse Rose brauchte dringend neues Kapital. Hier war weitere Hilfe durch Eugen Grimminger geboten. Am 18. Februar 1943 soll ein Vervielfältigungsapparat an Hans Scholl übereignet werden.[2389] Irgendwann müssen sie sich zu einer Besprechung zwischendurch begegnet sein. Sie brauchen bald Saugpostpapier und Briefumschläge und Geld zum Kauf von Briefmarken. Dieser Vorgang ist nachvollziehbar, denn der "neue" Vervielfältigungsapparat muss mit einer automatischen Papierzuführung ausgestattet sein. Relevante Vernehmungsniederschriften, Gebrauchsanweisung und umfangreiche Berechnungen unterlegen, dass der eingesetzte Vervielfältigungsapparat ROTO-PREZIOSA kein käufliches Ausstattungsmerkmal für eine automechanische Papierzuführung haben konnte.[2390] Deshalb wirken, um an dieser Stelle nicht zu sagen "sind", die Aussagen nach dem Krieg zum Vervielfältigungsapparat durch Eugen Grimminger glaubwürdig. Eugen Grimminger wurde von seiner Frau Jenny Grimminger gebeten, sich nicht am Münchner Widerstand zu beteiligen.[2391] Eine sehr schwierige Konstellation. Auch wenn Eugen Grimminger nicht unmittelbar an der praktischen Umsetzung des Widerstands in München involviert war, sondern diesen logistisch aus der Ferne unterstützte, kann seine Entscheidung durchaus als Akt seines Gewissens, als aktiver Gewissenswiderstand mit schlimmer Folge verstanden werden. Ein Sondergericht würde wegen Widerstandshandlungen die Todesstrafe verhängen. Eugen Grimminger ist wie durch ein Wunder der Todesstrafe, vermutlich dank seiner Sekretärin Tilly Hahn, nur knapp entgangen. Eugen Grimminger muss bewusst gewesen sein, in welche Gefahr er sich und insbesondere seine jüdische Frau bringt, wenn er in München den Widerstandskreis unterstützt oder deutlicher formuliert bei ihnen einsteigt. Er folgte seinem Gewissen. Eugen Grimminger erfährt, trotz erwiesener Widerstandshandlung, keine Anerkennung als Widerstandskämpfer.

    Wo liegt der Unterschied? Christoph Probst schreibt einen Flugblattentwurf und ist teilweise bei Gesprächen im Widerstandskreis involviert.[2392] Die Ulmer Schüler kümmern sich um die Post, wobei Franz-Josef Müller wie Christoph Probst "nicht öffentlich" in Erscheinung treten und beide nur teil- und zeitweise am Widerstand beteiligt sind. Einige sind "nur" für ein paar Stunden am lebensgefährlichen Widerstand aktiviert.[2393] Eugen Grimmiger liefert Bargeld und kümmert sich um die Lieferung eines Vervielältigungsapparates und bringt sich und seine Familie in extreme Lebensgefahr, weil ihm die Hände gebunden sind, weil er nicht mehr über das Böswillige, das täglich in diesem Land geschah, hinwegsehen konnte und deshalb zu Hans Scholl und Alexander Schmorell nicht NEIN sagte. Er legt ALLES, was ihm LIEB ist, in die Waagschale des Münchner Widerstands, einschliesslich SEINES eigenen Lebens. Welche Steigerung blieb Eugen Grimmer noch? Eine grosse Gemeinsamkeit, die in diesem Absatz genannten Personen leben ansonsten mehr oder weniger im Hintergrund. Mehrere Parteien gehen zurecht in die Geschichte als Widerstandskämpferin bzw. Widerstandskämpfer ein. Eugen Grimminger geht leer aus. Wie ist das unter diesen Aspekten vertretbar. Mit seiner Entscheidung, den Widerstand in München tatkräftig zu unterstützen, verlor Eugen Grimminger seine Frau Jenny Grimminger, vermutlich durch grausamen Gastod in Auschwitz. München hat von der Geldzuwendung für den Postversand für etwa 4310 Postsendungen profitiert[2394]. Weil noch Geld nach dem Briefmarkenkauf von 4450 Stück übrigblieb, 500 RM − (4150 * 0,08 RM) − (300 * 0,012 RM) = 164,40RM, konnte mit dem restlichen Geld weiteres Material für die Produktion und Verbreitung von Flugblättern gekauft werden. Möglicherweise lieferte Eugen Grimminger auch Briefumschläge und Saugpostpapier für die Vervielfältigung von Flugblättern. Briefumschläge waren zeitweise für die Weisse Rose nicht erhältlich. Die Beschaffung von Zubehörmaterial durch Eugen Grimminger ist durchaus möglich, weil der Bezug des Saugpostpapiers und der vielen Briefumschläge nicht lückenlos belegt ist. Die Geschwister Scholl nennen bei ihren Vernehmungen den Namen Eugen Grimminger nicht. Sie liessen ihn vollkommen aussen vor. Sie müssen sich abgesprochen haben, um das jüdische "Familienglück" von Eugen Grimminger zu wahren.