8           Weisse Rose München – Wo wurden Flugblätter vervielfältigt?

Sehr beliebt ist die Annahme, die Flugblätter seien im Atelier von Manfred Eickemeyer in Schwabing, Leopoldstrasse 38a, vervielfältigt worden. Die Vernehmungsniederschriften bestätigen dies nicht. Das Atelier als Daueraufbewahrungsort oder für die Flugblatt-Herstellung wäre so riskant gewesen wie das Ausstreuen von Flugblättern in der Universität am 18. Februar 1943. Gemäss der Vernehmungsniederschriften wurden die ersten Flugblätter im elterlichen Haus von Alexander Schmorell in München, Benediktenwandstrasse 12,[2285] vervielfältigt und die letzten beiden Flugblätter in der Franz-Joseph-Strasse 13, in der gemeinsamen Studentenwohnung von Sophie Scholl und Hans Scholl. Nachweise für eine Flugblatt-Herstellung im Atelier gehen aus den Gerichtsunterlagen nicht hervor. Bezüglich Absprachen innerhalb des Widerstandskreises zur Frage wo die Flugblätter vervielfältigt wurden, doch würde das bedeuten, alle Beschuldigten hätten sich bei ihren Vernehmungen[2286] gegenüber der Geheimen Staatspolizei erfolgreich durchgesetzt. Jegliche Aktivität, die im Atelier durch den Widerstandskreis stattfand, belastete Manfred Eickemeyer und Wilhelm Geyer. Alleine die Veranstaltungen im Atelier durch den Widerstandskreis waren für beide und für die eingeladenen Gäste problematisch. Hans Scholl erwähnt in seiner Vernehmung über Wilhelm Geyer: «Er fährt jeden Sonntag mit Dienstag nach Hause und überläßt mir für diese Zeit seine Wohnungs- und Kellerschlüssel.»[2287]

    Die Vervielfältigung nahm für die grossen Flugblattauflagen mit Briefsendung viel Zeit in Anspruch und musste bei der Herstellung Flugblatt V Charge-1, auch wegen einer Ateliersveranstaltung, sogar über zwei Tage verteilt erfolgen. Auf Seite 476 Tabelle 60 und Seite 478 Tabelle 63 sind die Arbeitstage ersichtlich, an denen laut Vernehmungsniederschriften und Tagebucheinträge die Produktion stattfand. Die Produktionstage sind mit einem Karomuster hinterlegt, die Tage, an denen Flugblätter vervielfältigt wurden, sind mit durchgezogenem, waagrechtem Karomuster gekennzeichnet. Oft kollidieren Arbeitstage, an denen im Atelier Flugblätter hergestellt werden könnten, mit jenen Tagen, an denen Wilhelm Geyer das gemietete Atelier in München für gewöhnlich aufsuchte. Auch, wenn die Aussagen, die in den Vernehmungen fallen, häufig jede Realität entbehren, weil sie dem Schutz des Umfeldes dienten, ergibt sich dennoch ein Eindruck von dem, was tendenziell der Realität entsprechen dürfte. Auszüge relevanter Passagen aus den Vernehmungsniederschriften von Sophie Scholl, Hans Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf. Die meisten Aussagen wurden bereits in anderen Kapitel verwendet. Zur Vollständigkeit werden hier die Bekannten und Weitere aufgeführt.