3           Weisse Rose Ulm – Postversand Stuttgart

Bezüglich der Briefsendungen, deren Zuständigkeit bei Hans Hirzel, Susanne Hirzel und Franz-Josef Müller lag und für den Postversand Stuttgart bestimmt waren, ergeben sich folgende Fragen: Wie viele Briefsendungen wurden wo für den Postversand Stuttgart von wem verarbeitet, welche Kosten entstanden für die Materialbeschaffung, wie wurde das Vorhaben finanziert, wie hoch war die Bearbeitungszeit und konnte das Arbeitspensum in der zur Verfügung stehenden Zeit erledigt werden?

    Hans Hirzel teilte bei seiner Vernehmung 1943 mit, er habe am 25. Januar 1943 von Sophie Scholl 2000 Flugschriften erhalten.[2078], [2079] Seine Schwester Susanne Hirzel gibt in ihrem Buch ebenfalls 2000 Flugblätter an.[2080] Die Geheime Staatspolizei notiert bei der Vernehmung von Hans Hirzel, dass ein oder zwei Flugblätter für den Postversand Stuttgart in 500 Briefumschläge jeweils gelegt worden seien.[2081] Gleichzeitig will die Geheime Staatspolizei von 800 Briefsendungen 670 Briefe abgefangen haben.[2082] Wie passt das zusammen? Die kuvertierten und adressierten Briefsendungen wurden in der Nacht zum 27./28. Januar 1943 in Stuttgart auf verschiedene Postkästen verteilt.[2083], [2084] Die Aussagen aus den Gerichtsakten und die Darstellungen in der Filmdokumentation von Katrin Seybold[2085] von 2008 mit Kinostart 2009 weisen Unterschiede auf. Letztendlich ist dies nur Makulatur, doch für eine Einschätzung, in welcher Weise die Ulmer Schüler durch ihre Mitwirkung im Widerstandskreis München involviert waren, ist dies nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ von Bedeutung, zumal eine gewisse Unsicherheit vorliegt. In diesem Zusammenhang muss geklärt werden, was geschah mit 1300 Münchner Briefmarken zu 8 Pfennigen. Wo sind diese verblieben, bzw. was ist aus diesen Briefsendungen geworden? Erst dann kann geklärt werden, wie viele Flugblätter in München insgesamt vervielfältigt, gestreut und mit der Post in Umlauf gebracht wurden.

    Laut Vernehmungsniederschrift durch die Geheime Staatspolizei musste Hans Hirzel seinen Schulkameraden und Freund von der Mitarbeit überzeugen, denn Franz-Josef Müller soll die Flugblatt-Verbreitung als ein Vergehen an den Frontsoldaten empfunden haben. Eine Flugblatt-Verbreitung wurde für die Front aus Sicht der Münchner abgelehnt.[2086] Ähnlich wird Hans Hirzel argumentiert haben, denn die Adressaten lebten alle in Stuttgart. Im Dokumentationsfilm von Katrin Seybold sagte Franz-Josef Müller, dass er um Bedenkzeit bat und signalisierte schon mal, «ich glaube ich mache mit».[2087] In seiner Vernehmung erwähnte Hans Hirzel, dass Franz-Josef Müller besser Schreibmaschine schreiben konnte als er. So habe Hans Hirzel die Adressen zur Adressierung der Briefumschläge Franz-Josef Müller diktiert. Franz-Josef Müller sei höchstens 4 Stunden anwesend gewesen.[2088], [2089] Hans Hirzel habe alleine weitergearbeitet. Insgesamt fielen 13 Arbeitsstunden an.[2089]