1.1           Christoph Probst – Flugblattentwurf

Hans Scholl trug den Flugblattentwurf von Christoph Probst bei seiner Verhaftung unglücklicherweise bei sich.[2015] Die Vernichtung des Entwurfs gelang ihm jedoch nur teilweise. Die Geheime Staatspolizei beschlagnahmte den durch Hans Scholl erstellten Entwurf und konfrontierte damit später Christoph Probst,[2016], [2017] nach dem durch Hans Scholl sein Name zwangsläufig fiel, warum auch immer, kann sehr wahrscheinlich nicht mehr geklärt werden, weil hierzu aus den Vernehmungsniederschriften keine weiteren Details hervorgehen. Warum hätte Hans Scholl leichtfertig den Namen von Christoph Probst preisgeben sollen? Aus den Vernehmungsniederschriften der Geschwister Scholl ist deutlich erkennbar, wie sehr sie sich durch falsche Angaben, zum Schutze ihres Umfeldes, mühten. Deshalb gestaltete sich die Aufarbeitung der Flugblatt-Herstellung als schwierig, stellenweise sehr schwierig. Bedacht werden muss auch die Situation der Beschuldigten, denn derartige Vernehmungen, insbesondere der Fall Weisse Rose, fanden nicht bei Kaffee und Kuchen statt. Schnelle Ermittlungsergebnisse wurden seitens des Führungsstabes erwartet. Christoph Probst übergab seinen Entwurf am 31. Januar 1943 zur Vervielfältigung an Hans Scholl. Christoph Probst wollte, dass sein Entwurf unters Volk kommt. Er soll nach eigenen Angaben tief niedergeschlagen gewesen sein, als er am Röhrenradio noch vor der offiziellen Bekanntgabe vom Elend und Grauen der Ostfront erfuhr. In der Vernehmungsakte vom Februar 1943 spiegelt sich der letzte Wille von Christoph Probst, der Hans Scholl seinen Flugblatteinwurf übergab: «Da schau das mal an[2018], [2019] Den zum Teil zerstörten Flugblattentwurf rekonstruierte Christoph Probst bei der Geheimen Staatspolizei München aus der Erinnerung. Das zum geschichtlichen Hintergrund. Die Formatierung aus dem VI. Flugblatt wurde auf den unveröffentlichten Flugblattentwurf von Christoph Probst für zukünftige Generationen übertragen. Das VI. Flugblatt, ein Entwurf von Professor Kurt Huber, bekam Hans Scholl zur Vervielfältigung. Das VI. Flugblatt hatte als erstes Flugblatt keine Rückseite und durfte keine Leerzeilen zwischen den Zeilen wie das V. Flugblatt haben. Durch diese Massnahme passte der vollständige Text auf eine Seite. Beim Flugblattentwurf von Christoph Probst wurde für eine neuzeitliche Flugblattauflage ein halber Zeilenabstand zwischen den Zeilen eingefügt. Dadurch konnte eine gute Textverteilung auf ein DIN-A4 Format erreicht werden. Allen Flugblättern des Widerstandskreises war gemeinsam, dass anstelle eines "ß" "ss" geschrieben wurde und eingerückte Absätze darin waren. Diese Merkmale wurden auf das damals unveröffentlichte Flugblatt von Christoph Probst angewendet. Allerdings lässt sich nicht sagen, welche Änderungen der Widerstandskreis 1943 am Flugblattentwurf von Christoph Probst vorgenommen hätte.

    Christoph Probst formulierte in seinem Entwurf zwei Passagen mit Wertvorstellungen, die junge Menschen für sich suchen. Die "Humanistische Psychologie" geht davon aus, dass ein Mensch, der selbstverantwortlich lebt, auch Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen kann.

Christoph Probst, Flugblattentwurf

Abbildung 250: Flugblattentwurf Christoph Probst, IfZArch ED 474 /217 0185 Blatt 104, Vervielfältigung zu Ehren von Christoph Probst, in Anlehnung an das VI. Flugblatt von Professor Kurt Huber mit ROTO-PREZIOSA, eigenständiges Werk, keine Archivkopie, Privatbesitz

Eine Person, die weiss, dass sie sich selbst ändern kann, wird auch zu notwendigen Veränderungen der Umwelt beitragen.[2020], [2021], [2022] Neben materiellen Grundlagen zur Existenz sind humanistische Wertvorstellungen wie Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde wichtig. Diese Gesichtspunkte können dem jungen Familienvater Christoph Probst zugrunde gelegt werden, um passende Stellen seines Weltbildes zu finden. Bei allen Flugblättern spricht nur einer von "Familienglück", Christoph Probst. Eine grosse Gemeinsamkeit verbindet alle im Widerstandskreis: "Frieden und Freiheit".