6.1 Typus Schablonenabriss
Die Geheime Staatspolizei notiert die Schilderungen von Sophie Scholl während ihrer Vernehmung: «Wenn mir vorgehalten wird, dass zur Herstellung dieser Flugblätter mindestens 3 verschiedene Matrizen verwendet wurden, so muss ich dies zugeben, denn beim Herstellen der Abzüge ist uns die Matrize immer wieder zerrissen, musste verklebt und schliesslich wegen Unbrauchbarkeit neu geschrieben werden.»[1618] Aufgrund des verwendeten Vervielfältigungsverfahrens eines Mimeographen, sind Schablonenabrisse das zentrale Merkmal[1619] und hätten als solches von den Vernehmungsbeamten sofort erkannt werden müssen. Mimeographen sind für grosse Vervielfältigungsauflagen von mehreren Tausend Exemplaren geeignet. Die Antwort von Sophie Scholl zeigt, dass den Vernehmern die Schablonenabrisse unklar gewesen sein müssen und deshalb Defizite zu dieser Technik vorlagen. Wem das Vervielfältigungsverfahren geläufig ist, weiss auch, dass Schablonenabrisse bei Mimeographen ein typisches Kennzeichen des Verschleisses darstellen. Die Schablonenabrisse kündigen sich sogar vorzeitig an. Erkennbar wird dies durch Veränderungen, die auf den Flugblättern mehr und mehr sichtbar werden. Für gewöhnlich weitet sich die Schrift einer der obersten Textzeilen, oft begleitet durch ein kursives und unscharfes Schriftbild.[1620] Der Text auf den Flugblättern der betroffenen Zeile wird allmählich unleserlich. Aus der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl: «Auf einem Teil dieser Flugblätter, die textlich alle gleich sind, fehlt lediglich die Überschrift. Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland; dies kam daher, dass die Matrize während unserer Arbeit oben abriss und an der Abrissstelle verklebt werden musste, wodurch die Überschrift nicht mehr auf den Abzügen erschien, weil sie verklebt war.»[1621] Jede Frage zu einem Schablonenabriss erübrigt sich damit. Auch Hans Scholl ist bei seiner Vernehmung auf das Thema Schablonenabrisse eingegangen.[1622] Offensichtlich wurde er dazu befragt, was diese auf sich haben. Bekanntgewordene Probleme mit Schablonen und wegen eines technischen Problems, das beim VI. Flugblatt auftrat, wurden für 15000 Flugblattseiten 7 reguläre und 4 irreguläre Schablonen verwendet, eventuell zu weiteren Schablonen unbekannter Abrisse und Schablonen, die für Testzwecke eingesetzt wurden oder bei der Bearbeitung misslangen.[1623]