5.6           Vervielfältigungszyklus pro Flugblattseite – Flugblatt V-VI

Gesucht wird der Vervielfältigungszyklus, der für eine Flugblattseite aufgewendet werden muss. Der Vervielfältigungszyklus entspricht der Zeitdauer, die für die Vervielfältigung einer Flugblattseite benötigt wird. Ist der Vervielfältigungszyklus bekannt, kann die Frage beantwortet werden, wie viele Personen an der Flugblatt-Herstellung am Rotationsvervielfältiger beteiligt gewesen sein müssten, eine oder zwei Personen? Zum einen wird die Arbeitsweise des Widerstandskreises deutlicher. Zum anderen könnte auch geklärt werden, wie hoch der Arbeitsaufwand für die Herstellung der Flugblätter gewesen sein dürfte.

    Aus der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl geht zum V. Flugblatt hervor: «Wir haben uns über diese Irreführung sogar öfters lustig gemacht, und zwar hauptsächlich dann, wenn mein Bruder und ich zu später Nachtstunde einmal etwa 6000 Flugblätter herstellten. Die gesamten, von uns zur Verbreitung gebrachten Flugblätter, wurden einzig und allein durch meinen Bruder und mich in 2 verschiedenen Nächten hergestellt. Im ersteren Falle handelte es sich um etwa 6000 Flugblätter mit der Überschrift: "Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland" und der Überschrift "Aufruf an alle Deutsche!", die entweder in der Nacht vom 21./22. oder 22./23.1.43 hergestellt wurden. Auf einem Teil dieser Flugblätter, die textlich alle gleich sind, fehlt lediglich die Überschrift "Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland".» Und weiter aus der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl: «Von der zweiten Art von Flugblättern wurden insgesamt rund 3000 hergestellt. Diese tragen die Überschriften "Kommilitoninnen! Kommilitonen!" und "Deutsche Studentin! Deutscher Student!"». Sophie Scholl setzt ihre Schilderungen fort: «Im ersteren Falle begannen wir etwa um 20 Uhr und waren um 3 oder 4 Uhr fertig und im zweiten Falle, arbeiteten wir ungefähr von 21 Uhr bis 1 Uhr[1041] Sophie Scholl spricht im ersten Fall vom V. Flugblatt und im zweiten Fall vom VI. Flugblatt.

    Von Willi Graf findet sich zum gleichen Vorgang Folgendes in seiner Vernehmungsniederschrift: «Erst etwa 8 Tage später, es dürfte etwa am 20. Januar gewesen sein, teilte mir Hans Scholl mit, ich möge an einem vorher bestimmten Nachmittag zu ihm in die Wohnung kommen und ihm beim Herstellen von Flugblättern behilflich sein. Als ich wie verabredet an dem betreffenden Tag (20. oder 21.1.43) in die Wohnung des Scholl kam, waren ausser Scholl dessen Schwester auch Schmorell anwesend. Bei meinem Eintreffen vielleicht gegen 17 Uhr, war Scholl Hans gerade damit beschäftigt, die erforderlichen Wachsmatrizen zu beschreiben. Bei der nachfolgenden Vervielfältigung haben wir uns gegenseitig unterstützt, d. h. wir haben uns beim Abziehen (durchdrehen) gegenseitig abgelöst.» «Manchmal habe ich selbst den Vervielfältigungsapparat bedient oder ich habe mich mit dem Ordnen der durchgedrehten Flugblätter beschäftigt. Als ich an jenem Abend die Schollsche Wohnung etwa um 20 Uhr verlies, waren etwa 2000 bis 2500 Flugblätter fertig gestellt. So viel ich weiss, haben die Geschwister Scholl und Schmorell nach einem weggehen weiter gearbeitet, bzw. noch weitere Flugblätter hergestellt, wieviel insgesamt, vermag ich nicht anzugeben.»[1042]

    Über Willi Graf ist bekannt, dass er bei allen drei Herstellungsterminen der Flugblätter mithalf. Daraus erschliesst sich, auf Dauer konnten die Geschwister Scholl das grosse Arbeitspensum der Flugblatt-Herstellung, handschriftliche Adressennotizen, maschinelle Adressierung, Kuvertierung, Frankierung und Materialbeschaffung nur unter schwerer Last und nur unter hohem Zeitaufwand alleine bewerkstelligen.[1043] Aus der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl liegt eine Bezugnahme auf das V. doppelseitige Flugblatt mit 6000 Flugblättern vor, die ebenfalls für Flugblatt V Charge-1 und 2 rechnerisch ermittelt wurden. Dies entspricht 12000 Flugblattseiten. Der dazugehörige Arbeitsaufwand angeblich 7-8 Arbeitsstunden. Der zeitliche Aufwand des VI. einseitigen Flugblatts betrug laut Vernehmungsakte 4 Arbeitsstunden und hatte eine Auflage von 3000 Exemplaren bzw. 3000 Flugblattseiten. Aus den Unterlagen der Vernehmungsniederschriften konnten insgesamt 3 Produktionstermine und nicht 2 erkannt werden (20.1.1943-22.1.1943,[1044], [1045] 27.1.1943,[1046] 12.2.1943[1047], [1048], [1049], [1050]).

    Zur weiteren Betrachtung wird angenommen, dass die Zeitangaben sich auf die Vervielfältigung von Flugblättern inklusive Bearbeitung der Schablonen, Auftrag von Vervielfältigungsfarbe und dem Nachfüllen von Saugpostpapier beziehen. Aus den Daten ergibt sich ein Verhältnis der Flugblattauflage zwischen dem V. und VI. Flugblatt von = 6000 3000 = 2 und einem aufgerundeten zeitlichen Verhältnis von = 8 4 = 2 . In Flugblattseiten gedacht sollte ein Verhältnis = 1200 3000 = 4 mit einem zeitlichen Verhältnis ebenfalls von = 8 2 = 4 vorliegen. Sophie Scholl war bei der letzten Flugblatt-Herstellung noch in Ulm. Ob Sophie Scholl erfuhr wie lange die Herstellung des VI. Flugblatts dauerte, ist aus den Gerichtsakten nicht ersichtlich. In der Vernehmung wurde offensichtlich angenommen, wenn 6000 Flugblätter eine Arbeitsleistung von ca. 8 Stunden hervorrufen, muss es folglich bei 3000 Flugblättern die Hälfte sein und das trifft nicht zu. Weil das V. Flugblatt gegenüber dem VI. Flugblatt doppelseitig ist, muss das zeitliche Verhältnis ebenfalls = 8 2 = 4 sein. Wenn das V. Flugblatt einen Aufwand von fast 8 Arbeitsstunden hatte, müsste das VI. Flugblatt 2 Arbeitsstunden aufweisen. Das ist jedoch zu wenig, weil aufgrund technischer Probleme beim VI. Flugblatt einige Schablonen bearbeitet werden mussten. Weil Sophie Scholl bei der Vervielfältigung des VI. Flugblatts nicht in München war, konnte sie wahrscheinlich bei ihrer Vernehmung keine genauen Angaben zur Dauer der Herstellung des VI. Flugblatts machen. Alexander Schmorell gab bei seiner Vernehmung an, beim VI. Flugblatt wurde am Nachmittag mit der Vervielfältigung begonnen, am Abend seien sie fertig gewesen.[1051] Anzunehmen, dass die Zeitangaben nicht von Sophie Scholl eingebracht wurden, sondern vielmehr ein Rekonstruktionsversuch durch Robert Mohr war, der zum VI. Flugblatt festhält, dass in 4 Arbeitsstunden (21-1 Uhr) das VI. Flugblatt mit 3000 Exemplaren hergestellt wurde.[1052] Der höhere Stundenaufwand beim VI. Flugblatt entstand im Zusammenhang mit mehreren Schablonen, die neu bearbeitet werden mussten. Robert Mohr setzt vermutlich mit einem Verhältnis der beiden Flugblattauflagen = 6000 3000 = 2 und einem zeitlichen Verhältnis von = 8 4 = 2 an und muss hierbei die Doppelseite des V. Flugblatts übersehen haben. Der Stundenaufwand für das V. Flugblatt Charge-1 muss grösser gewesen sein als 7 bis 8 Arbeitsstunden.

    Aus der Aussage von Willi Graf geht zum V. Flugblatt Charge-1 hervor, dass zwischen 17 und 20 Uhr, innerhalb von 3 Arbeitsstunden, 2000 bis 2500 Flugblätter vervielfältigt worden seien.

   Zur Untersuchung:

Flugblatt V Charge-1 hatte rechnerisch ermittelt eine Auflage von 4000[1053] Flugblättern, also 8000 Flugblattseiten und Flugblatt V Charge-2 eine Auflage von 2000[1054] Flugblättern, das 4000 Flugblattseiten entspricht. Macht zusammen 12000 Flugblattseiten.[1055] Weil in der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl 6000 Flugblätter protokolliert und dies 12000 Flugblattseiten entspricht, aber für Flugblatt V Charge-1 rechnerisch nur 8000 Flugblattseiten hergestellt wurden und in der Vernehmungsniederschrift von Willi Graf auf Charge-1 mit 8000 rechnerisch ermittelten Flugblattseiten Bezug genommen wurde, müssen beide Fallkonstellationen für eine rechnerische Überprüfung berücksichtigt werden. Wenn die Zahlenwerte in den Vernehmungsniederschriften nicht vollkommen falsch protokolliert wurden, müssten beide Vernehmungsniederschriften an einer oder an mehreren Stellen eine Gemeinsamkeit aufweisen.

Vernehmungsniederschrift

Arbeits-

Stunden

Flug-

Blätter

Flugblatt-

Seiten

Sophie Scholl

7

6000

12000

Sophie Scholl

8

6000

12000

Sophie Scholl, Willi Graf

10

4000

oder

6000

8000

oder

12000

Sophie Scholl, Willi Graf

11

4000

oder

6000

8000

oder

12000

Willi Graf

3

-

2000-2500

Willi Graf

3

-

4000-5000

Tabelle 27: Übersicht aus den Vernehmungsniederschriften von Sophie Scholl und Willi Graf zum V. Flugblatt

Arbeitsstunden

Vernehmungsniederschrift

Sophie Scholl



Flugblattseiten

 

Anmerkung

7

12000

12000 Flugblattseiten sind zu hoch

8

12000

12000 Flugblattseiten sind zu hoch

10

12000

12000 Flugblattseiten sind zu hoch

11

12000

12000 Flugblattseiten sind zu hoch

Tabelle 28: Konstellationen aus der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl, V. Flugblatt angeblich 6000 Flugblätter (12000 Flugblattseiten) vervielfältigt

Arbeitsstunden

Vernehmungsniederschrift


Flugblattseiten


Anmerkung

7

8000

8000 Flugblattseiten realistisch

8

8000

8000 Flugblattseiten realistisch

10

8000

8000 Flugblattseiten realistisch

11

8000

8000 Flugblattseiten realistisch

Tabelle 29: Errechnetes Ergebnis aus allen Vernehmungsniederschriften, Flugblatt V Charge-1 mit 4000 vervielfältigter Flugblätter (8000 Flugblattseiten), siehe Seite 333, Tabelle 21

    In der Vernehmungsniederschrift von Willi Graf wurde festgehalten, Willi Graf sei am 20. Januar 1943[1056] um 17 Uhr in die Geschwister Scholl Wohnung gekommen und gegen 20 Uhr wieder gegangen. Aus der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl geht hervor, die Flugblatt-Herstellung fand zwischen 20 Uhr bis morgens 3 oder 4 Uhr statt. Oder wurden die Flugblätter ab 17 Uhr bis 20 Uhr und an einem weiteren Tag von 20 Uhr bis 3 oder 4 Uhr hergestellt, das 7-8 oder 10-11 Arbeitsstunden in Anspruch nahm? Aufgrund der unterschiedlichen Protokollierungen müssen alle Zeitangaben bei den Berechnungen der Arbeitsstunden durchkalkuliert werden. Durch die Angaben von Willi Graf entsteht der Eindruck, dass die Herstellung des V. Flugblatts Charge-1 am 20. Januar 1943 begann und wegen einer Ateliersveranstaltung erst in der Nacht vom 21./22. Januar 1943 fortgesetzt wurde. Die Bearbeitung des Postversands dürfte sogar über den 23. Januar 1943 hinausgegangen sein.

    Zuerst eine einfache Rechenvariante:

Bei den Angaben, die aus der Vernehmungsniederschrift von Willi Graf vorliegen, dürften nicht 2000 bis 2500 Flugblätter zutreffend sein, sondern logischerweise 2000 bis 2500 Flugblattseiten. Diese Annahme muss überprüft werden.

    Tabelle 27 ein wenig anders dargestellt ergibt Tabelle 29. Weil das rechnerische Ergebnis von 8000 Flugblattseiten für das V. Flugblatt Charge-1 bekannt ist,[1057] können die Flugblattseiten aus der Vernehmungsniederschrift von Willi Graf auf 8000 Flugblattseiten umgerechnet werden. Daraus ergibt sich die Arbeitszeit für Flugblatt V Charge-1 bezüglich Willi Graf. Wenn laut Vernehmungsniederschrift von Willi Graf in 3 Arbeitsstunden 2000 bis 2500 Flugblattseiten bzw. 4000 bis 5000 Flugblattseiten vervielfältigt werden und die Auflage V. Flugblatt Charge-1 mit hoher Wahrscheinlichkeit rechnerisch 8000 Flugblattseiten gehabt haben dürfte, ergibt sich für 8000 Flugblattseiten ein Arbeitsaufwand von:

Zeit Flugblattherstellung [h] Anzahl der Flugblattseiten * Umrechnung auf 8000 Seiten  

Gleichung 1: = 3 h 2000 * 8000 = 12 Arbeitsstunden

Gleichung 2: = 3 h 2500 * 8000 = 9,6 Arbeitsstunden

Gleichung 3: = 3 h 4000 * 8000 = 6 Arbeitsstunden

Gleichung 4: = 3 h 5000 * 8000 = 4,8 Arbeitsstunden

    Der Zahlenwert aus Tabelle 29 mit 10 Arbeitsstunden für 8000 Flugblattseiten ist fast gleich gross gegenüber dem errechneten Wert von 9,6 Arbeitsstunden mit 8000 Flugblattseiten. Dies würde für Gleichung 1 und Gleichung 2 bedeuten, dass in 10 bis 11 Arbeitsstunden 8000 Flugblattseiten hergestellt werden konnten. Gleichung 3 und Gleichung 4 sind wegen zu grosser Abweichung gegenüber 10 bis 11 Arbeitsstunden auszuschliessen. Eine genaue Erklärung folgt noch.

   Die ausführlichere Variante:

Bei dieser Untersuchungsmethode werden alle Kombinationen, die sich aus verschiedenen Arbeitszeiten und unterschiedlichen Angaben von Flugblattseiten ergeben, durchgerechnet. Dort, wo eine Übereinkunft besteht, sollte eine Gemeinsamkeit vorliegen. Weil unklar ist, ob in der Vernehmungsniederschrift von Willi Graf 2000-2500 Flugblätter oder eher 2000-2500 Flugblattseiten gemeint sind, muss deshalb überprüft werden, welche Betrachtungsweise richtig ist, 2000 bis 2500 oder 4000 bis 5000 Flugblattseiten in 3 Arbeitsstunden.

    Zunächst müssen die Flugblattseiten aus der Vernehmungsniederschrift von Willi Graf, die sich auf 3 Arbeitsstunden beziehen, auf die Arbeitszeiten, die aus der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl hervorgehen, auf 7 bis 8 und 10 bis 11 Arbeitsstunden umgerechnet werden. Mit anderen Worten, wie viele Flugblattseiten werden in 7 bis 8 oder 10 bis 11 Arbeitsstunden vervielfältigt. Anschliessend werden alle Kombinationen, die sich aus 7, 8 oder 10, 11 Arbeitsstunden mit 2000-2500 oder 4000-5000 Flugblattseiten ergeben, durchgerechnet und mit 8000 und 12000 Flugblattseiten verglichen.

Vernehmungsniederschriften

Parameter

Willi Graf

2000-2500 oder 4000-5000 Flugblattseiten

Willi Graf

3 Arbeitsstunden

Rechnerisch ermittelt[1058]

8000 Flugblattseiten

Sophie Scholl

12000 Flugblattseiten

Sophie Scholl

7, 8, oder 10, 11 Arbeitsstunden

Tabelle 30: Parameterangaben zur Berechnung der Arbeitszeiten

Flugblattseiten = = Flugblattseiten Willi Graf Arbeitsstunden Willi Graf * Arbeitsstunden Sophie Scholl  

Beispiel Fall 1 auf Seite 370, Tabelle 36:

= 2000 Flugblattseiten 3 Arbeitsstunden * 7 Stunden = 4667 Flugblattseiten

    Aus Tabelle 29 sind für Sophie Scholl 12000 Flugblattseiten in 7 Arbeitsstunden festgehalten, die mit dem Ergebnis von Willi Graf verglichen werden. Die Tabellenspalte der Tabelle 36 'Differenz Flugblattseiten' für Fall 1 beträgt

(Flugblattseiten Sophie Scholl) – (Flugblattseiten Willi Graf)

12000 – 4667 = 7333.

Weil der errechnete Differenzwert von 7333 sehr hoch ist, liegt keine Übereinstimmung vor. Der Wert Null wäre das Ideal (12000 – 12000 = 0). In diesem Fall wären die Angaben der Kommilitonin und ihrem Kommilitonen gleich gross bzw. in etwa gleich gross. Der Wert null wird sicherlich nicht erreicht werden. Gesucht sind deshalb die kleinsten Werte der Spalte 'Differenz Flugblattseiten'. Je kleiner der Wert, umso naheliegender ist eine Übereinstimmung.

Vernehmungsniederschrift

Fall

Flugblatt V

Flugblattseiten

Herstellungszeit

Sophie Scholl

4

Charge-1, Charge-2

12000

7

Sophie Scholl

Willi Graf

26

Charge-1

8000

10

Sophie Scholl

Willi Graf

29

Charge-1

8000

11

Tabelle 31: Ergebnis aus Tabelle 36 Seite 370 und Seite 371 Tabelle 37

    Die Vorgehensweise wie im Beispiel Fall 1, wurde mit insgesamt 32 Fallkonstellationen auf Seite 370 mit Tabelle 36 und Seite 371 mit Tabelle 37 angewendet und in Tabelle 31 dargestellt. Fall 4, 26 und 29 zeigen Gemeinsamkeiten, die genauer betrachtet werden müssen. In der Vernehmungsniederschrift von Willi Graf wird Bezug genommen auf Flugblatt V Charge-1. Diese Charge-1 hatte eine rechnerische Auflage von 8000 Flugblattseiten. Aufgrund dessen wird Fall 4 mit 12000 Flugblattseiten ausgeschlossen, auch weil zwischen den beiden Vernehmungsniederschriften ein ungleiches Verhältnis von = 12000 8000 Flugblattseiten besteht und somit keine Übereinstimmung vorliegen kann. Aufgrund des Ergebnisses muss in beiden Niederschriften ein Fehler vorliegen.

    In der Vernehmungsniederschrift von Sophie Scholl hätten 4000 Flugblätter (8000 Flugblattseiten) in 10 bis 11 Arbeitsstunden und nicht 6000 Flugblätter (12000 Flugblattseiten) in 7 bis 8 Arbeitsstunden protokolliert werden müssen. In der Vernehmungsniederschrift von Willi Graf wurden 2000 bis 2500 Flugblätter aufgeführt, statt 2000 bis 2500 Flugblattseiten.

    Das Ergebnis für Fall 26 und Fall 29 besagt, dass mal wieder die Zahlenangaben (Uhrzeiten zur Arbeitszeit der Produktion) zutreffend sind, nur der Kontext absichtlich zum Schutz des Umfeldes von Sophie Scholl diesmal sehr knifflig verändert wurde. Die Flugblattauflage zwischen Sophie Scholl und Willi Graf hat eine Übereinstimmung, weil 2000 bis 2500 Flugblattseiten, die in 3 Stunden vervielfältigt wurden, hochgerechnet auf 10 bzw. 11 Arbeitsstunden in etwa 8000 Flugblattseiten ergeben.

    Die Berechnungen deuten darauf hin, dass am 20. Januar 1943 von 17 bis 20 Uhr gearbeitet wurde, dann fand die Ateliersveranstaltung statt, sodass die Vervielfältigung am 21. Januar 1943 um 20 Uhr bis zum 22. Januar 1943 in den frühen Morgen bis 3 Uhr (entspricht Fall 26) oder 4 Uhr (entspricht Fall 29) in einem Zeitraum von insgesamt 10 bis 11 Arbeitsstunden stattfand. In dieser Zeit konnte das V. Flugblatt Charge-1 mit einer Auflage von 4000 Flugblättern, das 8000 Flugblattseiten entspricht, hergestellt werden.

    Erst jetzt kann eine weitere Frage geklärt werden, mit wie vielen Personen wurde der Vervielfältigungsapparat bedient, mit einer oder mit zwei und auf welche Weise? Diese Frage lässt sich über den Vervielfältigungszyklus klären. Werden der Herstellungszeit von Flugblättern die zeitlichen Aufwendungen für die Bearbeitung von Schablonen, der Auftrag von Vervielfältigungsfarbe und Papierauffüllen abgezogen, kann der Vervielfältigungszyklus für eine Flugblattseite rechnerisch bestimmt werden.

    Auf Seite 368 in Tabelle 32, Tabelle 33 und Tabelle 34 wurde die Herstellung zu Vergleichszwecken des V. und VI. Flugblatts mit drei verschiedenen Vervielfältigungszyklen nachgestellt. Der Vervielfältigungszyklus für Tabelle 32 beträgt 6 Sekunden, Tabelle 33 mit 3 Sekunden und Tabelle 34 hat 1 Sekunde. Allen Berechnungen liegen die gleichen Flugblattauflagen zugrunde: V. Flugblatt Charge-1 8000 Flugblattseiten, V. Flugblatt Charge-2 4000 Flugblattseiten, Flugblatt VI 3000 Flugblattseiten. Der Vervielfältigungszyklus von 6 Sekunden entspricht dem Standard, wenn der Rotationsvervielfältiger nicht mit einem automechanischen Papiereinzug ausgestattet sei und nur von einer Person bedient werden würde. Die Vervielfältigung einer Flugblattseite dauert bei dieser Konstellation 6 Sekunden.[1059] Ein Vervielfältigungszyklus von 3 Sekunden liegt vor, wenn der Rotationsvervielfältiger über keinen automatischen Papiereinzug verfügt, eine Person das Saugpostpapier in den Rotationsvervielfältiger händisch hineinführt und eine zweite Person dieses vervielfältigt. Analog, eine Flugblattseite wird in 3 Sekunden vervielfältigt.[1060] Der Vervielfältigungszyklus von 1 Sekunde liegt vor, wenn der Rotationsvervielfältiger mit einem automatischen Papiereinzug ausgestattet wäre und deshalb nur von einer Person bedient werden kann.[1061] Alle anderen Parameter der Tabellen sind identisch und können als Konstanten angesehen werden. Wenn nur der Vervielfältigungszyklus von 1, 3, 6 Sekunden variiert, verkürzt oder verlängert sich die Gesamtbearbeitungszeit in Abhängigkeit vom Vervielfältigungszyklus für die Herstellung von Flugblättern. Für den Fall 26 und Fall 29 ergibt der Vergleich mit Tabelle 33 auf Seite 368, dass bei einer Vervielfältigungszeit von 10 bis 11 Arbeitsstunden ein Vervielfältigungszyklus von ca. 3 Sekunden vorliegen muss. Der dazugehörige Vergleichswert der Tabelle 33 beträgt rechnerisch 8,92 Arbeitsstunden und liegt nahe an 10 bis 11 Arbeitsstunden.