5.4           Briefmarkeneinkauf 4300 Stück – Flugblatt V-VI

In der Vernehmungsniederschrift hält die Geheime Staatspolizei über Hans Scholl fest: «Vermutlich am 24.1.1943, eventuell auch ein oder zwei Tage vorher habe ich beim Postamt 23, 2000 8 Pfg. und auf dem Hauptpostamt 2000 8 Pfg. und 300 12 Pfg. Briefmarken gekauft[1028] Ich bin deshalb anfänglich bei meinen Recherchen davon ausgegangen, dass zu den gekauften 2000 + 2000 + 300 = 4300 Briefmarken[1029] von Hans Scholl weitere 1200 Briefmarken gekauft wurden und deshalb eine vierte Produktionsphase als VI. Flugblatt Charge-2 in Betracht kommen würde. Das wäre in der Summe ein Briefmarkeneinkauf von  Stück. Durch die Erkenntnis zur Gesamtflugblattauflage, die sich aus den Einzelauflagen zusammensetzt, bin ich davon abgekommen. Zur Erinnerung: Im Januar 1943 wurde das V. Flugblatt mit einer Auflage von

Augsburg + (Stuttgart postfertig) + (Stuttgart postunfertig) +

Salzburg + Linz + Wien + Frankfurt +

(Kleinmengen 2 x 50 Sophie Scholl) =

250 + (1300) + (700) + 150 + 200 + 1000 + 300 + (100) = 4000

Flugblätter vervielfältigt, von denen

Augsburg + (Stuttgart postfertig) + Salzburg + Linz + Wien + Frankfurt =

250 + (1300) + 150 + 200 +1000 + 300 = 3200

Exemplare mit der Post versendet wurden.[1030] Für den angegebenen Postversand wurden laut der Vernehmungsniederschrift von Hans Scholl angeblich 2000 + 200 + 300 = 4300[1031], [1032] Briefmarken im Konvolut gekauft. Sophie Scholl spricht in ihrer Vernehmung von insgesamt 3000-4000 Briefsendungen und sie habe für ihre Kurierfahrt nach Augsburg 100 Briefmarken gekauft.[1033]

Übrig bleiben an Briefmarken:

(Briefmarkenkauf Hans Scholl 2000 + 2000 + 300) +

(Briefmarkenkauf Sophie Scholl in Augsburg + 100) –

(Postversand V. Flugblatt Charge-1 + 3200) =

2000 + 2000 + 300 + 100 – 3200 = 1200

Sophie Scholl hätte keine weiteren Briefmarken kaufen müssen, 1200 Briefmarken wären bereits zur Verfügung gestanden. Die Frage stellt sich, warum so viele Briefmarken zurücklegen. Dies würde nach der Fertigstellung des V. Flugblatts Charge-1 bedeuten, dass bereits sehr früh eine Planung für weitere 1200 Briefsendungen vorgelegen hätte. Für eine solche Absicht liegen jedoch keinerlei Hinweise in den Vernehmungsniederschriften vor. So dürfte Hans Scholl um den 22. Januar 1943 insgesamt

(Briefmarken Sophie Scholl) +

(Briefmarken Alexander Schmorell) –

(100 Briefmarken für Augsburg) =

(1500) + (1650) – (100) = 3100

Briefmarken gekauft haben und erst um den 15./16. Februar 1943[1034], [1035] weitere 1200[1036]  Briefmarken für den letzten Postversand Flugblatt VI. Die Summe von angeblich 4300 gekauften Briefmarken wurde in der Vernehmungsakte von Hans Scholl etwas unglücklich protokolliert. Weil rechnerisch 3200 Briefsendungen postfertig bearbeitet wurden, musste sich Sophie Scholl in Augsburg 100 Briefmarken käuflich besorgen, weil ihr Bruder nur 4300 – 1200 = 3100 Briefmarken gekauft haben konnte. Mehr als 3200 Briefmarken waren für diese Produktionseinheit Flugblatt V Charge-1 auch nicht notwendig. Keine Nachweise waren auffindbar, die belegen könnten, dass in dieser Zeit weitere 1200 Postsendungen in Umlauf gebracht wurden.[1037] Das Hauptargument, dem Widerstandskreis hätten 1200 Briefmarken für die letzte Aktion Flugblatt VI mit einer Auflage von

(Briefmarkenkauf Hans Scholl) +

(Briefmarkenkauf Sophie Scholl, Gisela Schertling) –

(Beschlagnahmte Briefmarken) =

1200 + 50 – 140 = 1110

Briefsendungen vollkommen ausgereicht. Weitere Briefmarken wären für den 15./16. Februar 1943 nicht notwendig, sie wären bereits vorhanden, gewesen. Weil dem Vernehmungsbeamten die Sachlage unklar gewesen sein dürfte, fragte er bei Hans Scholl nochmals explizit nach dem Briefmarkeneinkauf und Hans Scholl antwortete laut Vernehmungsniederschrift darauf: «Wie bereits angegeben, habe ich am 16.2.1943 beim Postamt 23 an der Leopoldstrasse weitere 1200 8 Pfg. Briefmarken gekauft.»[1038] Hans Scholl bezog sich auf eine Aussage, die er zwei Tage zuvor bei seiner Vernehmung bereits mitteilte: «Ich ging dann zum Postamt München 23, an der Leopoldstrasse und kaufte dort auf einmal 1200 8 Pfg. Marken.»[1039] Dann wurde dennoch 4300 gekaufte Briefmarken in der Akte von Hans Scholl protokolliert. In der Summe dürfte der Einkauf von insgesamt 4300 Briefmarken korrekt sein. Am Ende des Gesamtergebnisses wird sich zeigen, ob diese Einschätzung richtig sein kann.