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Telegrafie im
Rauschen - Morsen und Psychoakustik
Dieser Artikel beschreibt den zusätzlichen Hörgewinn einer optimal
eingestellten Telegrafie-Tonfrequenz im Empfang. - Welche
Hörfrequenz ist empfehlenswert?
Wie kommt der Funker ins Blockschaltbild?
Psychoakustische Morse-Überraschungen
Ulrich Strate, DF4KV
Hören Sie sich bitte einmal das folgende kurze Klangbeispiel
an:
mp3-Beispiel
1
Zunächst einmal werden Sie noch nichts
aufregendes bemerkt haben: ein leiser werdendes Signal, das zum
Schluss fast vollständig im Rauschen verschwindet. Vorsorglich
wurde im Empfänger das schmale 240-Hz-Filter eingeschaltet, denn im
SSB-Filter würden wir natürlich nur folgendes hören:
mp3-Beispiel 1b
Sonderbar -
durch das zehnfach breitere Filter steigt das Rauschen gewaltig an;
trotzdem können wir die Zeichen noch genauso gut oder schlecht
lesen wie vorher. Dabei sollte doch alles so einfach sein:
zehnfache Filterbreite bedeutet 10 dB Rauschzunahme bei
unverändertem Nutzsignal; an vielen Stellen kann man lesen: "Die
neue Betriebsart XY benötigt nur 25 Hz Bandbreite, das ergibt 13 dB
Gewinn gegenüber CW-Empfang mit 500 Hz Filter..."
Es lässt sich nur feststellen, dass das CW-Filter für einen
subjektiv angenehmeren, wärmeren Klang sorgt; die Lesbarkeit
schwacher Signale im Rauschen verbessert es offenbar nicht. Wir
können die Grenzempfindlichkeit unseres Empfängers ermitteln, indem
wir ein Signal anlegen, das zur Verdopplung der Ausgangsleistung
führt; dabei wissen wir immer noch nicht, wie schwach ein CW-Signal
sein darf, damit es noch aufnehmbar ist.
Hier noch einmal die beiden Klangbeispiele, diesmal erhöhen wir die
Tonfrequenz auf 1200 Hz:
mit CW-Filter
mp3-Beispiel
1c
ohne CW-Filter mp3-Beispiel 1d
Wir stellen
fest, dass es jetzt deutlich schwieriger wird, das Signal zu
lesen.
Eine Erklärung liefert die Psychoakustik. Das Ohr kann man sich im
Modell als eine Anordnung von vielen Bandpassfiltern vorstellen.
Unterhalb von 500 Hz beträgt die Breite eines Filterbands 100 Hz,
darüber 1/5 der jeweiligen Mittenfrequenz.
Man kann feststellen, dass die
Wahrnehmbarkeitsschwelle für einen Sinuston von 500 Hz bis zu 3 dB
unter dem Rauschen in einem 100-Hz-Band liegt.
Wenn wir einen Ton von 400 Hz hören, wirkt sich vom gesamten
Rauschspektrum daher nur der Anteil aus, der in den Bereich von 350
bis 450 Hz fällt. Bei einem hohen Ton von 5 kHz ist dieses Band
bereits 1000 Hz breit; hier müsste für gleichen Rauschabstand das
Signal also 10 dB stärker sein.
Daraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:
1. Die Telegrafieaufnahme bei tiefen Frequenzen < 500 Hz hat
Vorteile; gegenüber 2000 Hz erhalten wir einen Rauschabstandsgewinn
von 6 dB. Zusätzlich ist die Trennschärfe des Ohres bei tiefen
Frequenzen besser; Störsignale anderer Frequenz werden leichter
ausgeblendet.
2. Der Einsatz von schmalen Filtern zur Verbesserung des
Rauschabstandes bringt praktisch nichts; im "System Ohr/Gehirn"
sind bereits leistungsfähige Filter eingebaut. (Ausnahme: extrem
langsame Telegrafie, die man heute aber besser mit
PC-Spektralanalyseprogrammen aufnimmt). Der Sinn von CW-Filtern bei
QRM soll hier selbstverständlich nicht in Frage gestellt
werden...
3. Auch im SSB-Filter lassen sich noch Signale aufnehmen, die 10 dB
oder mehr unter dem Rauschen liegen.
4. Beim Systemvergleich mit anderen Betriebsarten müssen die
besonderen Eigenschaften des Gehörsinns berücksichtigt
werden.
Jetzt fehlt uns noch die Antwort auf die Frage, welche
CW-Signalstärken unter dem Rauschen noch aufgenommen werden können.
Zum Schluss daher ein Tonbeispiel, mit dem Sie Ihre persönliche
"Rauschzahl" ermitteln können: mp3-Beispiel 2 Zunächst hören Sie
Rauschen, nach etwa 2 Sekunden beginnen Telegrafiezeichen, die
langsam schwächer werden. Zählen Sie die gehörten Zeichen und lesen
Sie dann aus der folgenden Tabelle Ihre persönliche Mithörschwelle
ab.
Anzahl
Zeichen |
1
|
2
|
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
9 |
10 |
Schwellen (in
dB) |
-8
|
-9
|
-10
|
-11
|
-12
|
-13
|
-14
|
-15
|
-16
|
-17
|
Anmerkung zu den Klangbeispielen: Die Dateien wurden synthetisch am
PC erzeugt, die Signal- und Rauschpegel durch Bestimmung der
RMS-Werte ermittelt. Die Umwandlung ins MP3-Format erschien
zunächst problematisch, da MP3 bekanntlich psychoakustische Effekte
ausnutzt. Der Vergleich erbrachte jedoch keine merkbaren
Lesbarkeitsunterschiede.
© Ulrich Strate, DF4KV, WAA#002,
(df4kv©web.de) - TNX!
Praktische Konsequenz: Nutze die
gewinnbringenden Ergebnisse der Psychoakustik und empfange dein
Morsen in einer bevorzugten Tonhöhe von etwa 500 Hz. Und für die
Bandbeobachtung ohne eine Wasserfalldarstellung kann es ein
praktischer Vorteil sein, zügig mit einer breiten Filtereinstellung
zu suchen, um dann anschließend eine eigene Funkverbindung
störungsfreier und damit auch bequemer mit einem schmalen FIlter
abzuwickeln. Die Bio-Filter im System Ohr/Gehirn machen vieles
möglich!
Weiteres zum Thema Rauschen/Psychoakustik:
"Narrow CW filters, do they help?"
https://fkurz.net/ham/stuff.html?noise
FT8 vs CW 2700Hz/300Hz/100Hz/20Hz
https://olgierd.github.io/ft8-vs-cw
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DK5KE
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