Willi Graf


*2.1.1918 Kuchenheim †12.10.1943 München-Stadelheim

GESCHICHTLICHER HINTERGRUND UND DEUTUNG

Willi Graf


Du weißt, daß ich nicht leichtsinnig gehandelt habe, sondern daß ich aus tiefster Sorge und dem Bewußtsein der ernsten Lage gehandelt habe. Du mögest dafür sorgen, daß dieses Andenken in der Familie, den Verwandten und den Freunden lebendig und bewußt bleibt.“ Die letzten von Kaplan Sperr übermittelten Worte Willi Grafs an seine Schwester. [123]


Willi Graf wuchs zusammen mit einer älteren und einer jüngeren Schwester in einem katholisch geprägtem Elternhaus auf. Schon im Alter von elf Jahren trat er dem katholischen Schülerbund „Neudeutschland“ (ND) bei. Er weigerte sich der Hitlerjugend (HJ) beizutreten; er folgte dem Rat der Eltern nicht, nur pro forma der HJ beizutreten. [124] Nach dem Verbot der konfessionellen Jugendverbänden (1934) trat er aus dem ND aus und schloss sich dem illegalen „Grauen Orden“ an. In diesem neuen Freundeskreis fanden seinen Neigungen entsprechende religiöse, literarische und philosophische Diskussionen statt. Schon früh hatte Graf begriffen, dass Nationalsozialismus und Christentum unvereinbar waren. Wegen der Teilnahme an illegalen Fahrten und Zusammenkünften klagte man ihn mit 17 weiteren Mitgliedern vor einem Sondergericht in Mannheim wegen „bündischer Umtriebe“ an. Auf Grund einer Amnestie nach dem „Anschluss Österreich“ wurde das Verfahren eingestellt. Nach dem Abitur begann Willi Graf Ende 1937 in Bonn das Studium der Medizin. 1940 erhielt er von der Wehrmacht Einberufungsbefehl als Sanitäter an der Kanalküste in Nordfrankreich. Es folgten Kriegseinsätze in Jugoslawien, Russland und Polen. Über die Erlebnisse dort äußerte er sich in einem Brief an seine Schwester Anneliese am 1. Februar 1942: „Ich wünschte ich hätte das nicht sehen müssen, was sich in meiner Umgebung zugetragen hat und mich aufs Tiefste trifft. Der Krieg, gerade hier im Osten, führt mich an Dinge, die neuartig und fremd wie nichts bisher Bekanntes sind. [125] Nach seiner Rückkehr im April setzt er in München das Studium der Medizin fort. Dort lernte er im Juni 1942 die Geschwister Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst und später Professor Kurt Huber kennen. Sophie Scholl beschreibt das Wesen Willi Grafs wie folgt: „Wenn er etwas sagt, in seiner gründlichen Art, so hat man den Eindruck, als habe er es nicht eher aussprechen können, bis er sich mit seiner ganzen Person dazu stellen konnte. Deshalb wirkt alles an ihm so sauber, echt und zutiefst zuverlässig. [126]

Gedenktafel für Willi Graf, Mandlstrasse 28

Gedenktafel für Willi Graf, Mandlstrasse 28




Willi Graf lebte bis zu seiner Festnahme in München in der Mandlstrasse 28. Bis zur Ludwig-Maximilians-Universität ist es ein Weg von 1,6 km. Auch Sophie Scholl wohnte eine zeitlang in diesem Haus [116]. Zusammen mit Hans Scholl und Alexander Schmorell wurde Graf am 22. Juli 1942 an die Ostfront abkommandiert. Am 15. Juli schrieb er in sein Tagebuch: „Es wird zur Tatsache, daß wir im Osten famulieren, und das ist schließlich ein Schlag. [227]
Am Abend vor der Abreise fand noch eine Zusammenkunft im Atelier des Architekten Manfred Eickemeyer mit Professor Huber und seinen Freunden statt.

Letzter Wohnort von Willi Graf, Mandlstrasse 28

Letzter Wohnort von Willi Graf, Mandlstrasse 28



Darüber berichtete Graf: „Dabei war die Meinung vorherrschend, daß der Krieg für Deutschland verloren sei, und es wurde die Frage erörtert, ob man gegen den Nationalsozialismus gerichtete Plakate herausgeben solle. [228] Huber willigte ein, Sabotage und Attentate zu unterstützen, falls der passive Widerstand nicht ausreichen sollte. Von ihren Fronterlebnissen und insbesondere der Kenntnis über die an der Zivilbevölkerung begangenen Massenmorden schwer bedrückt, kehrten Hans Scholl, Alexander Schmorell und Willi Graf am 6. November nach München zurück. Danach entschloss Graf sich - vermutlich am 2. Dezember 1942 - endgültig an den Widerstandsaktionen der „Weisen Rose“ aktiv teilzunehmen. Auf seinen Missionen nach Saarbrücken, Köln, Bonn, Freiburg und Ulm verteilte er Flugblätter und versuchte Mitstreiter aus seinem alten Freundeskreis zu werben. So konnten Heinz und Willi Bollinger, Helmut Bauer und Rudi Alt zur Teilnahme an den Widerstandsaktionen der „Weißen Rose“ in anderen Städten überzeugt werden. Bei nächtlichen Aktionen vom 8. auf den 9. und dem 15. auf den 16. Februar brachte er gemeinsam mit Hans Scholl Parolen wie „Nieder mit Hitler“ und „Freiheit“, „Hitler Massenmörder“ an den Fassaden öffentlicher Gebäude an. Das sechste Flugblatt, das nach der Niederlage bei Stalingrad in Umlauf kam, stellten Willi Graf, Hans Scholl und Alexander Schmorell in der Wohnung der Geschwister Scholl her (12. Februar 1943). Von den etwa 2000 – 3000 vervielfältigen Blättern wurden nach Aussagen von Sophie Scholl 1200 mit der Post versandt und circa 1800 in der Universität verteilt. [229] Nach der Festnahme der Geschwister Scholl verhaftete man Graf zusammen mit seiner Schwester in der Wohnung des Hauses Mandlstraße. Das Vervielfältigungsgerät zur Herstellung der Flugblätter war zu diesem Zeitpunkt unter Willi Grafs Bett versteckt gewesen. Es blieb unentdeckt. Freunde versenkten es später in der Isar. [230] Graf stritt zunächst seine Mittäterschaft ab. Zwei Monate später erfolgte vor dem VGH für ihn zusammen mit Alexander Schmorell und Professor Kurt Huber das Todesurteil. Am Ende eines halben Jahres Einzelhaft mit grausamen Repressalien schrieb er heimlich an seine Schwester: „ … Du sollst bestimmt sein, mein Andenken und mein Wollen aufrecht zu erhaltenSage allen meinen letzten Gruß. Sie sollen weitertragen, was wir begonnen haben.“ Das sind seine letzten Zeilen aus der Todeszelle. [231] Am 12. Oktober 1943 wurde Willi Graf mit dem Fallbeil im Gefängnis München-Stadelheim hingerichtet. Seine Grabstätte befindet sich seit 1946 auf dem Alten Friedhof St. Johann in Saarbrücken.

Auf mich kannst Du Dich in jedem Fall verlassen..“ Brief an seine Schwester Anneliese im November 19422 [232]

Gedenken

I. Gedenktafel, Lichthof der Universität, 2. Stock („Weiße Rose“)
Geschwister-Scholl-Platz, Schwabing
Universität U3/U6
M und LMU (1946)
II. Mahnmal, Lichthof der Universität („Weiße Rose“)
Geschwister-Scholl-Platz, Schwabing
Universität U3/U6
M und LMU (1958)
III. Gruppe Willi Graf im Bund Neudeutschland
Katholische Hochschulstudentengruppe (1953)
IV. Willi-Graf-Straße, Studentenstadt
M (1963)
V. Willi-Graf-Studentenwohnheim e.V.
Hiltensbergerstr. 77, Schwabing
Petuelring U3
Bund Neudeutschland (1964)
VI. Willi-Graf-Gymnasium
Borschtallee 26, Schwabing
Scheidplatz U3/U2/U8
M (1972)
VII. Gedenktafel, Willi-Graf-Gymnasium
Borschtallee 26, Schwabing
Scheidplatz U2/U3/U8
M (1974)
VIII. Willi-Graf-Straße, Studentenstadt
M (1963)
VIV. Willi-Graf-Studentenwohnheim e.V.
Hiltensbergerstr. 77, Schwabing
Petuelring U3
Bund Neudeutschland (1964)
X. Willi-Graf-Gymnasium
Borschtallee 26, Schwabing
Scheidplatz U3/U2/U8
M (1972)
XI. Gedenktafel, Willi-Graf-Gymnasium
Borschtallee 26, Schwabing
Scheidplatz U2/U3/U8
M (1974)
XII. Bodendenkmal, Universität („Weiße Rose“)
Geschwister-Scholl-Platz, Schwabing
Universität U3/U6 und Bus 53
M (1988)
XIII. Denkraum, Universität („Weiße Rose“)
Geschwister-Scholl-Platz, Schwabing
Universität U3/U6
M und FB (1997)
XIV. Gedenktafel
Justizpalast, Prielmayerstr. 3 („Weiße Rose“)
Karlsplatz (Stachus) S1-S8 und Tram 19/20/27
M (1993)

Gedenken

 Anmerkungen

XV. Gedenktafel
Mandlstr. 28, Schwabing
Münchner Freiheit U3/U6
M (1985)
ANLASS UND ENTSTEHUNG
Aus dem katholischen Hochschulring einer Studentengruppe im Bund Neudeutschland (ND) 1953 hervorgegangene Gruppe, wählte Willi Graf zu ihrem Namenspatron. Eine Chronik anlässlich des 25-jährigen Bestehens wurde 1988 veröffentlicht. Zu VI. Willi-Graf-Gymnasium

ANLASS UND ENTSTEHUNG
Auf Initiative des Stadtrats der Landeshauptstadt München bekam das 1972 neu errichtete Städtische Gymnasium den Namen des Widerstandskämpfers Willi Graf.

ART DER ERINNERUNGSORTE
Am Haupteingang befindet sich ein ungefähr zwei Meter hohes Denkmal, das eine Rose symbolisiert. Die von Ivo Krivcevic geschaffene Porträtbüste Will Grafs steht in der Schulaula.

SCHULINTERNE SCHRIFTEN
Artikel über Willi Graf erscheinen regelmäßig in den Jahresberichten.

AKTIVITÄTEN
Der Förderverein des Willi-Graf-Gymnasiums ist Mitglied der „Weiße Rose Stiftung e.V.“ und Mitglied in der Vereinigung der Willi-Graf-Schulen Deutschlands.
XVI. Gedenktafel
Mandlstr. 28, Schwabing
Münchner Freiheit U3/U6
M (1985)
ANLASS UND ENTSTEHUNG
Im Januar 1984 initiierte der Schulleiter des Städtischen Willi-Graf-Gymnasiums mit Mitgliedern des Schulforums und Frau Anneliese Knoop-Graf, der Schwester von Willi Graf, die Schaffung einer Gedenktafel am Haus Mandlstraße 28 (früher Mandlstr.1). Die Einweihung durch den zweiten Münchner Bürgermeister Dr. Klaus Hahnzog fand im Beisein der Initiatoren am 18. Juli 1985 statt.

KURZBESCHREIBUNG
Eine Steinplatte (1,2 m x 1,8 m), angebracht in etwa zwei ein halb Meter Höhe an der Fassade, trägt folgenden Text: „Willi Graf Mitglied des Widerstandskreises WEISSE ROSE gegen das Hitlerregime hingerichtet am 12.10.1943 wohnte bis zu seiner Verhaftung am 18.2.1943 in diesem Hause.“

INFORMATION ÜBER DEN KÜNSTLER
Die Gedenktafel schuf Professor Dr.h.c. Franz Hart.
AUSSTELLUNGEN
Wanderausstellung 1983: „Willi Graf und die Weiße Rose – Bündische Jugend und studentischer Widerstand“, wurde von der Gruppe Willi-Graf erstellt und bisher an mehr als 30 Orten gezeigt.

1997: Denkstätte „Weiße Rose“ hinter dem Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität München.

EHRUNGEN
1953: „Gruppe-Willi-Graf“ im Bund Neudeutschland, Gemeinschaft Katholischer Männer und Frauen, Region München im Akademiker-Centrum München, Lämmerstraße 3.

FILM
1997: Willi Graf: „Es war richtig, was wir getan haben.“ Von der Dokumentarfilmgruppe der Oskar-von-Miller-Realschule Rothenburg o. T. erstelltes Video (VHS 45 Min.).

Literatur Willi Graf