Hans Scholl
* 22.9.1918 Ingersheim † 22.2.1943 München
GESCHICHTLICHER HINTERGRUND UND DEUTUNG
Hans wuchs zusammen mit vier anderen Geschwistern
in einem liberalen evangelischen Elternhaus auf. Der Vater war
in zwei württembergischen Städten Bürgermeister gewesen und
wegen einer Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer nach Ulm umgezogen.
Entgegen dem Wunsch der Eltern traten alle Geschwister in die
Hitlerjugend (HJ) ein. Hans, wurde innerhalb kurzer Zeit
Fähnleinführer und Fahnenträger bei einem Parteitag in Nürnberg.
Die bedingungslose Unterordnung und die Einschränkung der
persönlichen Freiheit bewirkte bei ihm eine allmähliche
Entfernung von der Hitlerjugend. Seit 1937 beteiligte er sich an
einer illegalen bündischen Ulmer Jugendgruppe „d.j.I.II.“
[188]
Er war deshalb mehrere Wochen in Haft. Nach dem Arbeits- und
Wehrdienst kam der Einberufungsbefehl zur Wehrmacht. In einer
Münchner Studentenkompanie begann er das Studium der Medizin. Er
wurde als Sanitätsfeldwebel im Frankreich eingesetzt.
Ab Herbst 1941 knüpfte Hans Scholl engen Kontakt zu dem
katholischen Publizisten und Herausgeber der Zeitschrift
„Hochland“ Carl Muth
[189],
den er durch Otl Aicher kennen lernte, und dessen Bibliothek er
betreute. Im seinem Hause machte er auch Bekanntschaft mit dem
Kulturphilosophen Theodor Haecker, der von den
Nationalsozialisten Schreibverbot erhalten hatte und in dieser
Zeit heimlich die Tag- und Nachtbücher schrieb. Stundenlang
konnte Hans sich mit der riesigen Bibliothek von Carl Muth
beschäftigen, wo Dichter, Gelehrte und Philosophen verkehrten.
Hundert Türen und Fenster in die Welt des Geistes taten sich ihm
im Gespräch mit ihnen auf.
[190]
Auch seine Freunde lernten Theodor Haecker bei den Diskussions-
und Leseabenden kennen. Von Sophie Scholl ist darüber folgendes
erhalten: „Seine Worte fallen langsam wie Tropfen, die man schon
vorher sich sammeln sieht und die in diese Erwartung hinein mit
ganz besonderem Gewicht fallen.
Er hat ein stilles Gesicht, einen Blick, als sähe er nach
innen.“
[191]
Haecker gilt wie Muth zu den Mentoren der „Weißen Rose“. Im
Frühsommer 1942 verfasste Hans Scholl zusammen mit Alexander
Schmorell die ersten Flugblätter. Von Ende Juli bis 6. November
1942 wurde Hans Scholl zusammen mit Willi Graf und Alexander
Schmorell zur „Feldfamulatur“ an die Ostfront abkommandiert.
Geburtshaus von Hans Scholl in Ingersheim, Schollenberg 6, 1. OG
Als sie am 26. Juli 1942 in das Warschauer Ghetto kamen, hatten
die Deportationen in die Vernichtungslager bereits begonnen. Das
Tagebuch von Willi Graf gibt darüber Auskunft: „Am
Spätnachmittag gehen wir in die Stadt. Das Elend sieht uns an.“
[192]
Sie sahen auch, wie die deutsche Wehrmacht mit den Juden und mit
russischen Kriegsgefangenen umging.
Zuhause verurteilte man den Vater, Robert Scholl, zu einer
vierjährigen Gefängnisstrafe, nachdem er von einer Angestellten
denunziert worden war. Die Mutter bat die beiden Söhne, die in
Russland an der Front waren (Werner Scholl ist später in
Russland gefallen), ein Gnadengesuch einzureichen. Dazu
vermerkte Hans Scholl in sein Tagebuch: „Ich werde dies unter
keinen Umständen tun. Ich werde nicht um Gnade bitten. Ich kenne
den falschen, aber auch den wahren Stolz. Wir müssen das anders
als Andere tragen. Das ist eine Auszeichnung.“
[193]
Bodendenkmal vor der Ludwig-Maximilians-Universität München
Professor Kurt Huber wird nach der Rückkehr der Soldaten von der
Ostfront in die Flugblattaktionen eingeweiht. Nach der
Niederlage bei Stalingrad entwarf Hans mit ihm das sechste und
letzte Flugblatt der „Weißen Rose“. Hans Scholl wurde zusammen
mit seiner Schwester Sophie am 18. Februar 1943 beim Verteilen
der Flugblätter im Lichthof der Universität entdeckt und
festgenommen. Bereits vier Tage später fand unter dem Vorsitz
von Roland Freisler der Prozess vor dem VGH statt. Die
verkündeten Todesurteile wurden am gleichen Tag, am 22. Februar
1943, im Strafgefängnis München-Stadelheim vollstreckt. Die
letzten Worte von Hans Scholl waren: „Es lebe die Freiheit!“
Teil 2
„Wenn jeder wartet, bis der Andere anfängt, werden die Boten der rächenden Nemesis unaufhaltsam näher rücken, dann wird auch das letzte Opfer sinnlos in den Rachen des unersättlichen Dämons geworfen sein.“ [24] Aus dem Ersten Flugblatt der Weißen Rose, im Juni 1942.
Hans Scholl kam als zweites
Kind des Ehepaares Robert und Magdalena, geb. Müller, am 18. September 1918 in
Ingersheim bei Crailsheim zur Welt. Seine Geschwister waren Inge (*1917),
Elisabeth (*1920), Sophie (*1921) und Werner (*1922). Er wuchs zusammen mit
seinen Geschwistern in einem liberalen evangelischen Elternhaus auf. Der Vater
hatte in zwei württembergischen Städten das Bürgermeisteramt inne und zog wegen
einer Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer mit seiner Familie nach Ulm. Carl Muth letzte Ruhestätte alter
Friedhof in München-Solln. Am Grab wurden zu Ehren des
Publizisten Professor Carl Muth seine ersten beiden Werke
Hochland von 1903 niedergelegt und abgelichtet. Gegen den Wunsch der Eltern traten alle Geschwister in die Hitler-Jugend ein.
Hans wurde innerhalb kurzer Zeit Fähnleinführer und durfte 1935 als Fahnenträger
an einem Parteitag in Nürnberg teilnehmen. Die bedingungslose Unterordnung und
Einschränkung der persönlichen Freiheit bewirkte bei ihm jedoch eine allmähliche
Entfremdung vom nationalsozialistischen Regime. Nach dem Abitur im Frühjahr 1938
kam Hans Scholl zum Arbeitsdienst nach Göppingen. In dieser Zeit beteiligte er
sich an der illegalen bündischen Ulmer Jugendgruppe d.j.1.11.
[25]
Er war deshalb vom 12. Dezember 1937 bis Mai 1938 in Haft, die durch Amnestie
beendet wurde. Zu Beginn des Sommersemesters im Jahre 1938 begann Hans Scholl
das Studium der Medizin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Als
Mitglied einer Studentenkompanie erhielt er nach dem Einmarsch der Deutschen in
Frankreich im Mai 1940 den Gestellungsbefehl für dieses Land. Dort diente er als
Sanitätsfeldwebel. Als er am 15. Oktober 1940 wieder nach München zurückkehrte,
wurde er bis zum Physikum Mitte Januar 1941 vom Wehrdienst freigestellt. In
dieser Zeit lernte er Alexander Schmorell sowie dessen Freund Christoph Probst
kennen. Hans Scholl knüpfte engen Kontakt zum katholischen Publizisten und
Herausgeber der Zeitschrift Hochland, Herrn Professor Carl Muth
[26],
den ihm Otl Aicher
[27]
vorgestellt hatte. Von Oktober 1941 bis April 1942 betreute er die Muth’sche
Bibliothek. In seinem Hause machte er auch Bekanntschaft
mit dem Kulturphilosophen Theodor Haecker, der von den Nationalsozialisten
Schreibverbot erhalten hatte und in dieser Zeit heimlich die Tag- und
Nachtbücher verfasste; außerdem lernte er die Schriftsteller Werner Bergengruen
und Sigismund von Radecki kennen. Stundenlang konnte er sich mit der riesigen
Bibliothek von Professor Carl Muth beschäftigen. Hier verkehrten Dichter,
Gelehrte und Philosophen. Hundert Türen und Fenster in die Welt des Geistes
taten sich im Gespräch mit ihnen auf.
[28]
Auch Hans Scholls Freunde trafen Theodor Haecker bei den Diskussions- und
Leseabenden. Von Sophie Scholl ist darüber folgendes erhalten: Seine Worte
fallen langsam wie Tropfen, die man schon vorher sich sammeln sieht und die in
diese Erwartung hinein mit ganz besonderem Gewicht fallen. Er hat ein stilles
Gesicht, einen Blick, als sähe er nach innen.
[29]
Haecker zählte wie Muth zu den Mentoren der Weißen Rose. In seinem Buch Was ist
der Mensch? rechnete er zornig und sprachgewaltig mit den Nationalsozialisten
ab. Er prophezeite, dass die Katastrophe Hitlers bevorstehe. Hans Scholl war
davon überzeugt, mit aktivem Widerstand, dem Verfassen von Flugblättern, die
Mitmenschen aufzurütteln, um so der Welt ein anderes Deutschland zu zeigen.
[30]
Gedenken
Im Sommersemester 1942 setzten die Geschwister Scholl, Alexander Schmorell,
Christoph Probst, und Willi Graf ihr Hochschulstudium in München weiter fort.
Seit Frühsommer 1942 verfasste Hans Scholl zusammen mit Alexander Schmorell
(siehe Band 3: Schmorell) die ersten Flugblätter. Am 23. Juli wurde Hans Scholl
gemeinsam mit Willi Graf, Alexander Schmorell, Hubert Furtwängler und Jürgen
Wittenstein zur Front-Famulatur nach Russland abkommandiert. Als sie am 26. Juli
1942 in das Warschauer Ghetto kamen, hatten die Deportationen in die
Vernichtungslager bereits begonnen. Das Tagebuch von Willi Graf gibt darüber
Auskunft: Am Spätnachmittag gehen wir in die Stadt. Das Elend sieht uns an.
[31]
Sie erfuhren vom Architekten Manfred Eickemeyer, der in Warschau ein Büro
unterhielt, wie die deutsche Wehrmacht Juden und russische Kriegsgefangene
behandelte. Seine Darstellung deckte sich mit den Informationen, die sie aus
anderen Quellen über die Verbrechen der Wehrmacht im Osten erhalten hatten. Hans
Scholl hielt seine Erlebnisse in einem Tagebuch fest, das er von Ende Juli bis
Mitte September 1942 führte.
[32]
Inzwischen wurde Hans Scholls Vater zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe
verurteilt, nachdem ihn eine Angestellte denunziert hatte. Er nannte Hitler eine
große Gottesgeißel.
[33]
Die Mutter bat beide an der Front stehenden Söhne (Werner Scholl war seit 1944
in Russland vermisst), ein Gnadengesuch für ihren Vater einzureichen. Dazu
vermerkte Hans Scholl in seinem Tagebuch: Ich werde dies unter keinen Umständen
tun. Ich werde nicht um Gnade bitten. Ich kenne den falschen, aber auch den
wahren Stolz. Wir müssen das anders als Andere tragen. Das ist eine
Auszeichnung.
[34]
Hans Scholl und die Mitglieder der Weißen Rose, die alle den Nationalsozialismus
ablehnten, wählten den Weg der Aufklärung, um die Öffentlichkeit über den wahren
Charakter des Regimes zu informieren. Die zukünftige Gesellschaftsordnung sollte
auf der Basis persönlicher Freiheit und der Achtung der Menschenwürde aufbauen.
In den Flugblättern finden sich dazu Zitate von Schiller, Goethe und Laotse. Im
fünften Flugblatt forderten sie: Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den
Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch, ehe es zu spät ist. Mit dem Verfassen
von Flugblättern übten sie aktiven Widerstand. Bei seiner Vernehmung am 21.
Februar 1943 gab Hans Scholl bekannt, dass er das erste und vierte Flugblatt
allein sowie den ersten Teil des zweiten und dritten Flugblattes verfasst hatte.
Der zweite Teil stammte von Alexander Schmorell. Mit Ausnahme des sechsten
Flugblattes, das von Professor Kurt Huber verfasst und von den Studenten
redigiert wurde, stammten die Entwürfe hauptsächlich von Hans Scholl und
Alexander Schmorell.
[35]
Professor Kurt Huber (siehe Band 1: Huber) wurde nach Rückkehr von Willi Graf,
Hans Scholl und Alexander Schmorell aus der Front-Famulatur in die
Flugblatt-Aktionen eingeweiht. Daraufhin entschloss sich Huber, diese zu
unterstützen. Nach der Katastrophe von Stalingrad entwarf er das sechste und
letzte Flugblatt der Weißen Rose.
In den Nächten des 3., 8. und 15. Februar hatte Hans Scholl zusammen mit seinen
Freunden an öffentlichen Gebäuden entlang der Ludwigstraße mit Teerfarbe die
Worte Freiheit und Nieder mit Hitler angebracht. In diese Zeit fiel auch das
Treffen mit dem Theaterwissenschaftler Falk Harnack, dem jüngeren Bruder von
Arvid Harnack (*1901 †1942), der im Zusammenhang mit den Widerstandsaktionen um
Harro Schulze-Boysen am 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee hingerichtet
wurde.
[36]
Falk Harnack sollte die Verbindung zu anderen Widerstandskreisen in Deutschland,
vor allem nach Berlin, herstellen.
Zusammen mit seiner Schwester Sophie wurde Hans Scholl am 18. Februar 1943 beim
Verteilen der Flugblätter im Lichthof der Universität entdeckt und festgenommen.
Bereits vier Tage später fand im Münchner Justizpalast unter Vorsitz des
Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler der Prozess statt. Dieser
endete nach dreieinhalb Stunden mit der Verkündung der Todesurteile, die noch am
gleichen Tag (22. Februar 1943) im Strafgefängnis München-Stadelheim vollstreckt
wurden. Die letzten Worte von Hans Scholl waren: Es lebe die Freiheit! Im
Abschiedsbrief an seine Eltern schrieb er: Meine allerliebsten Eltern! … Ich bin
ganz stark und ruhig. Ich werde noch das Heilige Sakrament empfangen und dann
selig sterben … Ich danke Euch, daß ihr mir ein so reiches Leben geschenkt habt.
Gott sei bei uns. Es grüßt Euch zum letzten Male Euer dankbarer Sohn Hans.
[37]
Im Mai 1943 ehrte der aus Deutschland emigrierte Schriftsteller und
Nobelpreisträger Thomas Mann (siehe Band 2: Mann, Thomas) die Mitglieder der
Weißen Rose in einer Rundfunkansprache über BBC London; die herrlichen Leute,
die ihr junges Haupt auf den Block legten, für ihre Erkenntnis und für
Deutschlands Ehre.
[38]
I. Grabmal, Friedhof Perlacher
Forst 73/1/18
M (1943)
II. Geschwister-Scholl-Platz, Schwabing
M (1946)
III. Gedenktafel, Lichthof der Universität, 2. Stock (Weiße
Rose)
Universität U3/U6
M u. LMU (1946)
IV. Denkmal, Geschwister-Scholl-Studentenwohnheim,
Maxvorstadt
Steinickeweg 7
Theresienstraße U2
Geschwister-Scholl-Verein (1958)
V. Mahnmal, Lichthof der Universität (Weiße Rose)
M u. LMU (1958)
VI. Bodendenkmal, Universität (Weiße Rose)
Geschwister-Scholl-Platz
Universität U3/U6
M (1988)
VII. Gedenktafel, Franz-Josef-Straße 13, Schwabing
Giselastraße U3/U6
Privat (1968)
VIII. Gedenktafel, Justizpalast, Prielmayerstraße 3, Altstadt
(Weiße Rose)
Karlsplatz (Stachus) S1-8, Tram 19/20/27
M (1993)
IX. DenkRaum, Universität München (Weiße Rose)
Geschwister-Scholl-Platz
Universität U3/U6
FB, LMU u. Weiße-Rose-Stiftung (1997)
X. Hans-Scholl-Halle, Hans-Leipelt-Straße 10, Freimann
Studentenstadt U6
Ehrungen und Namenspatronagen
Siehe Band 3: Scholl, Sophie
Literatur Hans und Sophie Scholl Teil 2