Sophie Scholl


* 9.5.1921 Forchtenberg † 22.2.1943 München

GESCHICHTLICHER HINTERGRUND UND DEUTUNG

Sophie Scholl

Sophie war als jüngstes Kind von Magdalene und Robert Scholl in Forchtenberg geboren, wo der Vater als Bürgermeister tätig war. Sie wuchs in einer harmonischen Familie auf, die ihr Geborgenheit bot. Besonders verbunden fühlte sie sich ihrem ältesten Bruder Hans, mit dem sie viel zusammen war. Sophie liebte den Sport und die Natur, sie lernte leicht, war künstlerisch begabt, zeichnete und malte. Die Mutter übte in religiöser Hinsicht – sie war evangelisch – auf die Kinder große Wirkung aus. Sophie gehörte bis zum Ende ihrer Schulzeit dem Bund Deutscher Mädchen (BDM) an. Unter dem Einfluss der Familie distanzierte sie sich relativ früh von der NS-Ideologie. Schon als 19-Jährige interessierte sie sich für Politik, was aus einem ihrer Briefe hervorgeht. Sie schrieb am 9. April 1940: „ … Ich mag gar nicht daran denken, aber es gibt ja bald nichts anderes als Politik, und solange sie so verworren und böse ist; ist es feige, sich von ihr abzuwenden …[185] Nach dem Abitur begann sie eine Ausbildung am Fröbel-Seminar für Kindergärtnerinnen, um so dem Arbeitsdienst zu entgehen.

 

Bodendenkmal vor der Ludwig-Maximilians-Universität München

Bodendenkmal vor der Ludwig-Maximilians-Universität München



Nach bestandener Prüfung, blieb ihr jedoch der halbjährige Arbeitsdienst in einem Ulmer Rüstungsbetrieb nicht erspart. Ihr großer Wunsch zu studieren ging im Mai 1942 doch noch in Erfüllung. Sie begann in München das Studium der Philosophie und Biologie, um bei ihrem Bruder sein zu können. Bei Professor Kurt Huber hörte sie Vorlesungen über „Leibniz und seine Zeit“. Durch ihren Bruder Hans lernte sie Freunde und Mentoren der Weißen Rose kennen. Nach dem sie in die Aktionen eingeweiht war, beteiligte sie sich an der Herstellung und Verteilung der Flugblätter. Am 1. Dezember 1942 bezog sie mit Hans eine gemeinsame Wohnung im Hinterhaus der Franz-Josoph-Straße13 in Schwabing.

Beim Verteilen des sechsten Flugblattes am 18. Februar in der Münchner Universität wurde sie zusammen mit ihrem Bruder entdeckt und festgenommen. Es folgten Verhöre und Vernehmungen.


 

Geburtshaus von Sophie Scholl, Rathaus Forchtenberg

Geburtshaus von Sophie Scholl, Rathaus Forchtenberg



Einen Tag später leitete der Präsident des VGH, Roland Freisler, den Prozess. Er fällte über die drei Angeklagten das Todesurteil. Das bereits drei Stunden später durch Enthauptung vollzogen wurde. Zwei Tage später fand ihre Bestattung mit ihrem Bruder und Christoph Probst unter Aufsicht der Gestapo auf dem Friedhof Perlacher Forst statt.

Autobahnschild kurz vor der Ausfahrt Forchtenberg

Autobahnschild kurz vor der Ausfahrt Forchtenberg



Literatur Hans und Sophie Scholl



Teil 2
 
Aber seltsam, jetzt spüre ich so recht, daß nichts mich zwingen wird, ein herrliches Stärkegefühl habe ich manchmal… [39] Brief von Sophie Scholl an ihren Bruder Hans am 9. September 1941.



Sophie Scholl - Bronzebüste, Forchtenberg

Sophie Scholl - Bronzebüste, Forchtenberg



Sie war mutig und stark, eine starke Persönlichkeit wie ihre Mutter … nur leider so still … fast nicht wahrnehmbar. So beschreibt Traute Lafrenz-Page ihre ehemalige Mitstreiterin Sophie Scholl. [41]  Sophie, das vierte Kind von Robert Scholl und seiner Frau Magdalene (geb. Müller), kam am 9. Mai 1921 in Forchtenberg am Kocher zur Welt. Sie wuchs in einer harmonischen Familie auf, wo die Eltern die Säulen ihres Kinderdaseins waren – wie sich Inge Scholl äusserte. [42] Die Mutter erzog ihre Kinder im protestantischen Glauben und gab als lebensbejahender Mensch ihren Kindern Geborgenheit. [43]

Besonders verbunden fühlte sich Sophie ihrem ältesten Bruder Hans, mit dem sie viel zusammen unternahm. Sie liebte den Sport und die Natur, lernte leicht, war künstlerisch begabt, zeichnete und malte. Dieses Talent bildete sie in Zeichenkursen fort. Wie ernsthaft sie ihre Identität suchte, kommt in einem Brief an ihre Schwester Inge zum Ausdruck: … Aber wenn man Künstler werden will, muß man wohl vor allen Dingen zuerst Mensch werden. Durch das Tiefste empor. Ich will versuchen, an mir zu arbeiten. [44] Ebenso intensiv befasste sie sich mit Literatur und Musik. Sophie gehörte bis zum Ende ihrer Schulzeit dem Bund Deutscher Mädchen an. Sie suchte wie ihre Geschwister Gemeinschaft in der Hitler-Jugend, die ihr jedoch nichts gab, da hier die aus ihrer Erziehung erfahrenen Grundwerte der Individualität und Eigenständigkeit nicht geduldet wurden. Während der Vater dem neuen nationalsozialistischen Regime skeptisch gegenüber stand, waren seine Kinder vorerst mit Leib und Seele dabei, und wir konnten es nicht verstehen, daß unser Vater nicht glücklich und stolz ja dazu sagte. Seine Kinder aber warnte er und meinte: Glaubt ihnen nicht, sie sind Wölfe und Bärentreiber, und sie mißbrauchen das deutsche Volk schrecklich. [45] Wie kam es zum Wandel in Sophies Meinung?

Hans war der Erste, der sich tief enttäuscht und verbittert abwandte und allmählich folgten die übrigen Geschwister. Da wir allmählich erkannten, daß seine früheren politischen Urteile richtig waren. [46]
So erinnerte sich Inge Scholl.


Letzter Wohnort von Carl Muth, München-Solln, Emil-Dittler-Strasse 10

Letzter Wohnort von Carl Muth, München-Solln,
Emil-Dittler-Strasse 10


Eine enge Freundschaft verband Sophie mit Fritz Hartnagel, den sie 1937 bei einer Freundin kennen gelernt hatte. Der vier Jahre ältere Bekannte wollte Offizier werden. Bereits nach dem Abitur im März 1940 plante Sophie das Studium der Philosophie und Naturwissenschaften in München. Um dem Reichsarbeitsdienst zu entgehen, begann sie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin im Ulmer Fröbel-Seminar. Als 19-jährige gab sie ihrem lebhaften Interesse für Politik in einem ihrer Briefe Ausdruck; sie schrieb am 9. April 1940: … Ich mag gar nicht daran denken, aber es gibt ja bald nichts anderes als Politik, und solange sie so verworren und böse ist, ist es feige, sich von ihr abzuwenden [47] Nach bestandener Prüfung blieb ihr jedoch der halbjährige Arbeitsdienst in einem Ulmer Rüstungsbetrieb nicht erspart. Ihr großer Wunsch zu studieren ging im Mai 1942 doch noch in Erfüllung. Sie immatrikulierte sich kurz vor ihrem 21. Geburtstag in München, um in der Nähe ihres Bruders zu sein. Zunächst kam sie durch Vermittlung von Hans bei Professor Carl Muth in München-Solln unter. Dort wohnte sie einen Monat und zog dann in die Mandlstraße 28 in Schwabing. Bei Professor Huber hörte sie Vorlesungen über Leibniz und seine Zeit. Durch ihren Bruder Hans lernte sie Freunde und Mentoren der Weißen Rose kennen; zu ihnen zählte der Kulturphilosoph Theodor Haecker, der in seinem Werk Was ist der Mensch sprachgewaltig und zornig mit dem Nationalsozialismus abrechnete. Engen freundschaftlichen Kontakt pflegte sie mit Alexander Schmorell, mit dem sie die Liebe zur Kunst teilte. Sie zeichneten und modellierten gemeinsam. Nachdem Sophie in die Aktionen ihrer Freunde eingeweiht war, beteiligte sie sich an der Herstellung und Verteilung der Flugblätter. Am 1. Dezember 1942 bezog sie mit Hans eine gemeinsame Wohnung im Hinterhaus der Franz-Joseph-Straße 13. Nach der Katastrophe von Stalingrad entstand das letzte Flugblatt der Weißen Rose, das am 16. Februar unter dem Titel Kommilitoninnen! Kommilitonen! herauskam. Zwei Tage später wurden Sophie und Hans beim Verteilen der Flugblätter in der Münchner Universität gestellt und festgenommen. In einem der Verhöre sagte sie am 18.

 

Letzter Wohnort Hans Scholl und Sophie Scholl in München, Franz-Joseph-Strasse 13b

Letzter Wohnort in München, Franz-Joseph-Strasse 13b. von Hans Scholl und Sophie Scholl bis 18. Februar 1943. Ob das Dach nach dem Krieg aufgesetzt wurde ist ungeklärt. Es handelt sich um ein Hinterhaus. In entgegengesetzter Richtung zur Hausfront geht es durch ein Gebäude zur Hauptstrasse. Dort befindet sich heute eine Gedenktafel zu ehren der Geschwister Scholl. Zur Universität sind es 1,2 km.


Februar: "Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen auf mich nehmen." Auf die erneute Frage, ob sie ihre Tat bereue, sagte sie: "Von meine Standpunkt aus muß ich die Frage verneinen." [48] Am 21. Februar 1943 hielt sie die Anklageschrift in den Händen. Ihrer Zellnachbarin im Strafgefängnis vertraute sie an: So ein herrlicher, sonniger Tag, und ich muß gehen. – Aber wieviele müssen heutzutage auf den Schlachtfeldern sterben, wieviele junge, hoffnungsvolle Männer … was liegt an meinem Tod, wenn durch unser Handeln Tausende von Menschen aufgerüttelt und geweckt werden. Unter der Studentenschaft gibt es bestimmt eine Revolte. [49] Einen Tag später fand der Prozess statt, den der Präsident des Volksgerichtshofs leitete. Hier hielt Sophie Scholl Roland Freisler öffentlich entgegen: "Einer muß ja doch mal schließlich damit anfangen. Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auszusprechen." [50] Die drei Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und drei Stunden später enthauptet. Zwei Tage darauf fand die Bestattung der Geschwister Scholl und von Christoph Probst (siehe Band 2: Probst) unter Aufsicht der Gestapo auf dem Friedhof Perlacher Forst statt. Sophie Scholls letzter Traum ist überliefert: Sie trug ein Kind in einem langen, weißen Kleid zur Taufe. Der Weg zur Kirche führte über einen steilen Berg hinauf. Als sich plötzlich vor ihr eine Gletscherspalte öffnete, legte sie das Kind sicher ab, bevor sie selbst in die Tiefe stürzte. Sophies Auslegung: Das Kind im weißen Kleid ist unsere Idee, sie wird sich trotz der Hindernisse durchsetzen. Wir durften Wegbereiter sein, müssen aber vorher sterben, für sie. [51] Doch die Wirklichkeit war anders: Es gab keine Revolte unter den Studenten, sondern demonstrativen Beifall am 25. Februar 1943 im Auditorium Maximum bei einer Kundgebung zur Hinrichtung ihrer Kommilitonen. [52]
 
Das sechste Flugblatt kursierte weiter. Helmuth James Graf von Moltke brachte es über Skandinavien nach England; von dort aus sorgte die Royal Air Force für eine ungewöhnliche Form der Verbreitung: Vervielfältigt und mit Einleitung versehen, warfen die englischen Bomberflotten es während ihrer Einsätze im Sommer 1943 über deutschen Städten ab.
 
Die Familie Scholl kam am 27. Februar 1943 in Sippenhaft. Elisabeth Scholl wurde nach zwei Monaten entlassen, ihre Schwester Inge kam nach fünfmonatiger Haft wegen schwerer Erkrankung frei. Die Mutter konnte am 29. Juli 1943 wieder nach Hause, während Vater Robert Scholl bis zu seiner Verhandlung am 25. September 1943 in Haft blieb. Seine Entlassung erfolgte erst im November 1944. [53] Werner Scholl, der an der Ostfront eingesetzte jüngste Sohn der Familie, blieb vermisst. 
 

Gedenken

I. Geschwister-Scholl-Platz, Maxvorstadt
M (1946) 
II. Gedenktafel, Lichthof der Universität, 2. Stock (Weiße Rose)
Geschwister-Scholl-Platz
Universität U3/U6
M u. LMU (1946) 
III. Denkmal, Geschwister-Scholl-Studentenwohnheim, Maxvorstadt
Steinickeweg 7
Theresienstraße U2
Geschwister-Scholl-Verein (1956)
IV. Mahnmal, Lichthof der Universität München (Weiße Rose)
M u. LMU (1958) 
V. Sophie-Scholl-Gymnasium, Schwabing
Porträtbüste im Foyer
Karl-Theodor-Straße 92
Scheidplatz U2/U3
M (1962) 
VI. Gedenktafel, Franz-Joseph-Straße 13, Schwabing
Giselastraße U3/U6
Privat (1968) 
VII. Geschwister-Scholl-Institut, Lehel
Institut für politische Wissenschaften, Oettingenstraße 67
Ludwig-Maximilians-Universität München (1967 ) 
VIII. Bodendenkmal, Universität München (Weiße Rose)
Geschwister-Scholl-Platz
Universität U3/U6
M (1988) 
IX. Gedenktafel, Justizpalast, Prielmayerstraße 3, Altstadt (Weiße Rose)
Karlsplatz (Stachus) S1-8, Tram 19/29/27
M (1993)
X. Denkraum, Universität München (Weiße Rose)
FB, M u. Weiße-Rose-Stiftung (1997) 
XI. Geschwister-Scholl-Denkmal
Katholische Akademie in Bayern, Mandlstraße 23, Schwabing
Katholische Kirche
Bildhauerin: Christine Stadler 
XII. Grabstätte
Friedhof Perlacher Frost 73/1/18
M (1943) 

Gedenken

 Anmerkungen

XIII. Marmorbüste in der Walhalla
FB (2003)
93093 Donaustauf, Oberpfalz
 
ANLASS UND ENTSTEHUNG
Die FDP-Politikerin Dr. Hildegard Hamm-Brücher regte zusammen mit prominenten Persönlichkeiten und Vertretern der Weiße-Rose-Stiftung die Schaffung einer Büste von Sophie Scholl in der Walhalla an. Die Einweihung fand am 22. Februar 2003 im Beisein des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber statt.
 
INFORMATION ÜBER DEN KÜNSTLER
Die Marmorbüste schuf der Bildhauer Wolfgang Eckert.
 
KURZBESCHREIBUNG
Die Marmor-Büste (0,39 m × 0,65 m) von Sophie Scholl befindet sich wenige Schritte westlich des Eingangs. Am Sockel ist eine Marmortafel (0,60 m × 0,40 m) mit folgendem Text angebracht:
 
Im Gedenken an alle, die gegen Unrecht, Gewalt und Terror des ,Dritten Reichs’ Widerstand leisteten.

Ehrungen und Namenspatronagen

1950 Geschwister-Scholl-Stiftung in Ulm; gegründet von Inge Scholl.

1962 Städtisches Sophie-Scholl-Gymnasium, Karl-Theodorstraße 92, München.

1980 Geschwister-Scholl-Preis [54] an Grete Weiß für den Roman Meine Schwester Antigone.

1984 Hans- und Sophie-Scholl-Gymnasium in Ulm.

1986 Bronzebüsten von Hans und Sophie Scholl im Ulmer Stadthaus, gestaltet von Otl Aicher. Denkstätte der Weißen Rose in Ulm.

1993 Dauerausstellung Wir wollten das andere im Dokumentationszentrum KZ Oberer Kuhberg, Ulm.

1999 Geschwister-Scholl-Preis an Saul Friedländer für das Buch Das dritte Reich und die Juden.

2001 Geschwister-Scholl-Preis an den Philosophen Arno Gruen für das Werk Der Fremde in uns.

2002 Geschwister-Scholl-Preis an den Historiker Raul Hilberg für das Buch Die Quellen des Holocaust.

2003 Geschwister-Scholl-Preis an den britischen Historiker Mark Rosemann für das Buch In einem unbewachten Augenblick.

Gedenkveranstaltungen
1997 Gedenkrede der FDP-Politikerin Dr. Hildegard Hamm-Brücher.

18. Februar 2003 Erinnern an den 18. Februar 1943 anlässlich des 60. Jahrestages der Festnahme. Veranstaltet von der Weiße-Rose-Stiftung e. V. und der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit.
 
Ausstellung
18. Februar – 12. März 2003 Ein Traum von einem anderen Deutschland. Ausstellung zum Widerstand der Weißen Rose. Gezeigt in der Münchner Markuskirche, Gabelsbergerstraße 6.

Eine Wanderausstellung der Friedensbibliothek der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg.
 
Filme
1982 Fünf letzte Tage. Regie: Percy Adlon.

1982 Die ‚Weiße Rose‘. Regie: Michael Verhoeven.

1995 Die ‚Weiße Rose‘. Regie: Silvia Gutmann. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit München.

Theater
10. Januar 2003 Die Dornen der Rose – Bilder zur Widerstandsbewegung ‚Weiße Rose‘. Gezeigt im Festspielhaus in der Quiddestraße 17.

Rundfunk
17. Januar 2003 Dokumentar-Hörspiel Schuldig, schuldig, schuldig. Über den Widerstand der Weißen Rose. Von Ulrich Chaussy.

Literatur Hans und Sophie Scholl Teil 2