Chefarzt Fritz G.


Eine Lebensgeschichte die sich in den Kriegsjahren 1939-1941 des 2. Weltkrieges ereignete, ein bemühen eines Enkels die unmenschlichen Vorgänge "lebensunwerten Lebens", nachzuzeichnen.


Die Zeugenaussage von Fritz G. im Prozess gegen Eugen S., angeklagt wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord, lässt ebenso viele Fragen aufkommen, wie bei seinem Stellvertreter Karl J.. Fritz G. sagte vor Gericht aus, die Klinik hätte die Patienten für die Abtransporte selbst ausgesucht. Das würde der Version, die mir über meinen Großvater bekannt ist, nahe kommen. Das Gericht notiert die Aussage von Fritz G. an zwei Stellen auf Seite 3 der Urteilsbegründung.

Nachweis: Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.: Seite 3 [E6]

Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.

Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.



Karl J. vertrat, im Vergleich zum Chefarzt, vor Gericht eine andere Darstellung.

Nachweis: Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.:  Karl J.: Widerspricht seinem Chefarzt, Seite 6 [E7]

Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.

Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.



Fritz G. widerruft und folgt der Version von Karl J..

Nachweis: Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.:  Fritz G. widerruft, Seite 9
[E8]


Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.:  Karl J.

Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.:  Karl J.



Fritz G. widerruft und folgt der Version von Karl J..

Nachweis: Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.:  Fritz G. widerruft, Seite 9
[E8]

Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.:  Karl J.

Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.:  Karl J.



Der Chefarzt beschreibt vor Gericht die klinischen Vorgänge mit einer erstaunlichen Erinnerungsprägnanz. Es kann davon ausgegangen werden, dass Chefarzt und sein Stellvertreter sich entweder zum Prozess über die Vorgehensweise zuvor abgesprochen haben, oder sie vertraten aufgrund eines Spannungsverhältnisses unterschiedliche Positionen vor Gericht. Wie konnte sich ein so kapitaler Fehler in einer Mord-Anklage bzw. Beihilfe zum Mord, ereignen, auch wenn Eugen S. sich verantworten musste. Die sehr detaillierten und umfassenden Schilderungen des Chefarztes klingen nachvollziehbar und plausibel. Welche Version stimmt nun wirklich?
Staatliche Kliniken wurden am 16. Februar 1940 über die Vorgänge des Euthanasie-Programms unterrichtet [E1]. Es stellt sich die wichtige Frage, wann erhielt das Christophsbad entsprechende Details über das Euthanasie-Programm, also was das für die Patienten konkret bedeutete?

Nachweis: Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.: Karl J. spricht von "Verdichtungen", Seite 6
[E7]


Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.

Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.



Erst ab Juni, Juli 1940, als der 2. und 3. Abtransport stattfand, wussten angeblich Fritz G. und Karl J. über "Verdichtungen" bescheid.

Nachweis: Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.: Berichtet über "umlaufende Gerüchte", Seite 3
[E6]

Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.

Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.



Bezüglich "umlaufender Gerüchte" vom 21.6.1940, hat die Klinik erst so spät über die Tötungen ihrer Patienten erfahren? Siehe Oktober 1939.

Nachweis: Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.: Berichtet über "umlaufende Gerüchte", Seite 2 [E9]
Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.

Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.



Aufgrund der Formulierung "Möglichkeit einer Euthanasie dachte ich nur ganz entfernt" bezieht sich der Chefarzt auf einen Vorgang vom Oktober 1939. Bei einem Mordprozess, auch als Zeuge, hätte eine solche katastrophale Selbstbelastung nicht entstehen dürfen. Ein klassischer Freud’scher Versprecher. Demnach musste die Klinik Christophsbad bereits sehr viel früher gewusst haben, also noch vor dem ersten Abtransport vom 17. April 1940, was mit ihren Patienten geschehen würde. Glaubwürdige Klinik-Notfallszenarien, mit ungewöhnlichen Schutzmaßnahmen, um alle Patienten vor dem Euthanasie-Programm zu schützen, bleiben offensichtlich aus. Das Gericht erwähnt in seiner Urteilsbegründung nichts über aktiven "Widerstand gegen die Euthanasie". Damit wird klar, das Gericht wurde ganz offensichtlich getäuscht! Einleuchtend ist, je weiter das Euthanasie-Programm fortgeschritten war, umso schwieriger wurden Rettungsmaßnahmen. Wenn es gelänge diesen Eindruck vor Gericht glaubhaft zu machen, könnte das entlastend sein.

Es gibt noch eine weitere interessante Stelle: Eine Patientin verstirbt nach Einlieferung am nächsten Tag. Bruder der Patientin wirft der Klinik vor, warum er über eine beabsichtigte Tötung durch die Klinik nicht unterrichtet wurde. Er wisse das Kranke in Anstalten umgebracht würden.

Nachweis: Zeuge Karl J. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.: Konfrontation mit Hinterbliebenen, Seite 7 [E10]


Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.

Zeuge Fritz G. in Anklage wegen Mord bzw. Beihilfe zum Mord gegen Eugen S.



Hätte der Bruder Kenntnisse von Tötungen in Kliniken gehabt, hätte er die Einlieferung seiner Schwester in die Klinik verhindert. Interessant, dass Bürger früher wussten als die Klinik, was mit den Patienten geschieht. Es ist schwer erkennbar, was sich damals in der Klinik wirklich ereignete. Es gibt Stellen in den Urteilsbegründungen, die stimmen misstrauisch und erschweren im Folgen möglicher korrekter Angaben.