Mein Großvater Richard K.
Eine Lebensgeschichte die sich in den Kriegsjahren 1939-1941 des 2. Weltkrieges ereignete, ein bemühen eines Enkels die unmenschlichen Vorgänge „lebensunwerten Lebens“, nachzuzeichnen.
Entnazifizierungsverfahren Richard K. Entnazifizierungsverfahren Richard K. Entnazifizierungsverfahren Richard K. Entnazifizierungsverfahren Richard K.
Die Entscheidung des Unterausschusses: Demnach wurde keine politische
Aktivität festgestellt, keine wirtschaftlichen Vorteile erzielt.
Mein Großvater wurde als "Mitläufer" eingestuft und musste die
entstandenen Prozesskosten übernehmen und insgesamt 435,16 RM
Sühnegeld entrichten. Danach durfte er wieder im Christophsbad seine
Arbeit aufnehmen. Die Klinik bemühte sich mehrfach sehr intensiv für
eine schnelle Wiederaufnahme seiner Arbeit. Das zeigt der
Schriftverkehr mit Behörden.
Eine Lebensgeschichte die sich in
den Kriegsjahren 1939-1941 des 2. Weltkrieges ereignete, ein bemühen
eines Enkels die unmenschlichen Vorgänge "lebensunwerten Lebens",
nachzuzeichnen.
Mein Großvater Richard war von 1916 bis 1928
bei der Reichswehr. Er musste sich der NSDAP-Mitgliedschaft
verantworten. Mein Großvater war bei der NSKK zwischen 1935/1936 und
1937/1938 bis 1945 NSDAP-Mitglied. Dienstgrad Sanitätsoberfeldwebel.
Mir ist bekannt, das er in den beiden Weltkriegen zwei oder dreimal
verwundet wurde.
Nachweis: Entnazifizierungsverfahren S.3
[E11]
Nachweis:
Entnazifizierungsverfahren Großvater
Richard S.11
[E11]
Der Ermittler B. stellte fest, "Bei der Militärregierung
ist keine Akte vorhanden, nur polit. Fragebogen." Eine automatische
NSDAP-Mitgliedschaft ist in wenigen Ausnahmefällen möglich,
beispielsweise wenn ein Soldat der NSKK angehörig ist und nicht mehr
aktiv im Dienst steht und nicht unehrenhaft ausscheidet. Was
wirklich vorliegt, könnte eine Auskunftsanfrage beim Bundesarchiv in
Berlin beantworten. Es könnte sein, wenn die Militärregierung über
keine Unterlagen verfügt, dass die Darstellung meines Großvaters
zutreffen würde. Andererseits existiert ein Beratungsgespräch mit
Karl J., der meinen Großvater von einer NSDAP-Mitgliedschaft
abgeraten haben soll! Auch hier, was lag wirklich vor?
Nachweis: Entnazifizierungsverfahren Großvater Richard S.28
[E11]
Mein Großvater führte in der
Klinik Personal, brauchte deshalb eine gewisse Standfestigkeit und
Glaubwürdigkeit und musste für seine Untergebenen ein Vorbild sein.
Er war wohl tendenziell ein stiller Mensch, mochte keine
Auseinandersetzungen, keinen Streit. Mit großer Wahrscheinlichkeit
war er sehr loyal gegenüber der Klinik und lebte mit allen
vermutlich ein Vertrauensverhältnis. Mein Großvater verlor im 1.
Weltkrieg einen Bruder in Frankreich und im 2. Weltkrieg 2 Brüder in
Russland, seine Ehefrau verstarb durch eine schwere Erkrankung 1941.
Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, eine Totgeburt, ein Kind
verstarb an einer Kindererkrankung mit 8 Jahren. Um die letzten
beiden Kinder versorgt zu wissen, heiratete er 1943 erneut. 1951
ereignete sich eine unübliche und fragwürdige Baugeländeschenkung
durch die Klinik an meinen Großvater, für einen familiären
Unfalltod, der sich auf dem Klinikgelände ereignete. Der Grund zu
welchem Zweck bleibt unklar. Mein Großvater musste krankheitsbedingt
sieben Jahre lang medizinisch betreut werden, bis er 1967 verstarb.
Zum 175-jährigen Bestehen der Klinik Christophsbad Göppingen, wurde
mein Großvater in einem Gedenkbuch gewürdigt.
Hätte mein
Großvater rühmliches gegen die Euthanasie geleistet, wäre dies
sicherlich über seinen Tod hinaus unvergessen geblieben. Stattdessen
wurden privat keine Prozessakten über ihn gefunden, nie wurde über
das Thema gesprochen. Eine Mitgliedschaft in der NSKK oder NSDAP
muss nicht unbedingt etwas bedeuten. Im Zusammenhang mit typischen
politischen und rassistischen Merkmalen dann schon. Im Gegensatz zu
Karl J. ist das bei meinem Großvater nicht erkennbar. Familiär wurde
wohl angenommen, mit der Sühnezahlung sei alles abgegolten und die
Angelegenheit ausgestanden. Ich kann nichts darüber aussagen was er
im vertrauten Heim, über die Vorgänge bezüglich der Euthanasie im
Christophsbad, berichtete. Mir ist nur bekannt, dass er sich dazu
äußerte. 70 Jahre später finde ich die Unterlagen im Staatsarchiv
Ludwigsburg. Als Kind wurden mir die Schwestern J. vorgestellt.
Immer mal wieder begegnete ich ihnen beim Einkauf oder auf dem Weg
zum Friedhof, als ich meinen Großvater aufsuchte. Mir wurde
berichtet, sie würden meinen Großvater gut kennen. Die Erwachsenen
waren unter sich gut bekannt und anscheinend vertraut. Mein
Großvater wurde nach Schilderungen durch sein soziales Umfeld als
ein liebenswerter Mensch wahrgenommen. Die Beliebtheit bei seinen
Patienten mag zutreffend sein. Am Ende reichte es wohl nicht, dass
er gegen den Willen der Klinik und der leitenden Ärzte aktiven
Widerstand gegen die Euthanasie leistete. Aus der Urteilsverkündung
bezüglich der Anklage gegen Karl J., wurde von meinem Großvater
nichts über einen aktiven Widerstand gegen die Euthanasie bezeugt.
Seine Loyalität hat humanitäres Handeln vermutlich versagen lassen.
Er selbst erfuhr, wie es sich anfühlt, Menschen aus dem engsten
Kreise der Familie zu verlieren die einem sehr nahestehen.
Insbesondere, als er seinen 16-jährigen Sohn im Christophsbad, im
Badehaus verlor. Gleiches durch Handlungsempathie ist den Patienten,
im Zusammenhang mit der Euthanasie, durch ihn wohl nicht
entgegengebracht worden.
Besondere ehrwürdige Vorgehensweisen
durch die Klinik, die dazu geführt hätten die Patienten vor der
Euthanasie zu wahren, sind in besonderem Maße nicht ersichtlich.
Freispruch von Karl J. ist soweit gerechtfertigt, auch wenn
Zeugenaussagen ein bisschen zurechtgerückt wirken. Nicht jedes Wort
muss auf die Goldwaage. Im Kontext hat sich dennoch so manches
herauskristallisiert und Eindrücke zum Prozess freigelegt. Rassismus
und der Vorwurf bezüglich Antragstellung NSDAP-Mitgliedschaft
spielen keine so große Rolle. Sicher gab es ein paar Entgleisungen.
Karl J. war nicht die Reinheit in Person! Die Klinik hätte mehr für
seine Patienten tun können und müssen. Es konnte nicht erkannt
werden, dass die Ärzte alle Mittel ausgeschöpft haben. Das zeigt
sich auch im nächsten Abschnitt im Prozess gegen Eugen S..
Auch im Christophsbad wurden viele Sterilisationen durchgeführt, bei
manchen Patienten wohl auch fragwürdig. Sterilisation war damals
gängige Anwendung, wenn auch schwer nachvollziehbar. Ich bin auf die
Sterilisationen nicht näher eingegangen, weil es am Gesamteindruck
über das Christophsbad und dem Gerichtsverlauf nichts verändern
würde.