Arme Barbara
Felix lächelt. Langsam wird aus diesem Lächeln ein vergnügtes
Grinsen. Die Mundwinkel bewegen sich mehr und mehr in Richtung
Augenbrauen. Nichts kann sie aufhalten auf ihrem Weg nach oben.
Die Augen leuchten. Sie starren auf die Zeitung, die
aufgeschlagen vor ihm liegt und bekommen einen fast unnatürlichen
Glanz.
Er liest und beginnt still zu kichern. Dann bricht es mit lautern
Prusten aus ihm heraus. Von Lachkrämpfen geschüttelt schlägt
er sich auf die Schenkel. Dicke Tränen bahnen sich einen Weg
durch sein zerfurchtes Gesicht und hinterlassen große, dunkle
Flecken auf dem dünnen Zeitungspapier.
Nun ist es nichts ungewöhnliches, das jemand lacht. Lachen ist
gesund. Aber hier?! Und ausgerechnet Felix?!
Felix augenblicklicher Aufenthaltsort ist eingebettet in eine
harmonisch, ländliche Gegend. Das Anwesen ist umrahmt von hohen
Mauern. Türen und Fenster sind gegen jeden möglichen Angriff
gesichert. Das pflichtbewußte Personal tut alles, um den
Aufenthalt so sicher und ruhig wie möglich zu gestalten. Störungen
von außen können diesem Ort der Besinnung nichts anhaben. Und,
ausbruchsicher ist er auch.
Ja, richtig! Felix sitzt - noch eine ganze Zeit. Das ist sicher.
Das heißt mittlerweile tanzt er geradezu durch seine Zelle und
lacht, sieht immer wieder in die Zeitung und lacht, wischt sich
die Tränen aus den Augen und lacht so laut, daß es durch die
ganze Anstalt dröhnt.
Die Aufseher blicken sich verwundert an und können es kaum
fassen. Ist das der Beginn einer Revolte? Will sich da einer über
uns lustig machen, oder ist das schon wieder einmal ein Fall für
die geschlossene psychologische Abteilung? Die Zellennachbarn
werden durch dieses nicht enden wollende Lachen aus ihrer
Lethargie gerissen und beginnen sich Sorgen um Felix zu machen.
Er ist doch sonst ein ganz Ruhiger. ,,Felix der Stille" wird
er seit langem im Zellentrakt genannt.
Tag für Tag kommt er sonst klaglos seinen Pflichten nach. Mit
ernstem, unbewegtem Gesicht läßt er gleichmütig Tage, Monate
und Jahre an sich vorüberziehen. Irgendwelche Gefühlsregungen
bemerkt man an ihm nur sehr selten.
Bevor Felix die Gastfreundschaft dieses überaus sicheren Ortes
genoß war er ein recht erfolgreicher Geschäftsmann. Zumindest
zuerst. Aber dann ....
Doch beginnen wir am Anfang.
Felix war das allerbeste Beispiel für einen ,,Young Urban
Professional" auch ,,YUPI" genannt. Sein Studium
absolvierte er mit Links und besten Ergebnissen. Mit Rechts baute
er seine Firma auf und den Kopf hielt er sich frei für die
wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Kontakte pflegen!!
Wo immer er sich gerade aufhielt - ob im Tennisclub oder im
Fitnesscenter, ob in einer Discothek oder bei einer Theateraufführung.
Nie verlor er das Gespür für das richtige Gespräch mit dein
richtigen Partner um richtig gut ins Geschäft zu kommen. Wie es
sein Name versprach hatte er eine glückliche Hand und den
entsprechenden Erfolg. Alles lief bestens und Felix hätte
eigentlich in jeder Hinsicht zufrieden sein können. Nur, eines
fehlte ihm noch zum Glück. Er hatte so viel Zeit für seine
Geschäfte aufgebracht, daß nichts mehr übrig blieb um sich um
die ,,Frau fürs Leben" zu kümmern.
Felix war solo. ,,Single wegen Wohlstand" wie er oft mit
verzweifeltem Stolz betonte.
Doch, er wurde nicht jünger. Aus diesem Grunde nahm er sich vor
das beunruhigende Partnersoll in ein zufriedenstellendes
Familienhaben umzuwandeln. Umgehend machte er sich daran die
entsprechende Traumfrau zu suchen und natürlich auch zu finden.
,,Das dürfte ja wohl nicht so schwer sein.4' Wie hatte er es
gelernt? ,,Setze dir ein Ziel, mache einen Plan und arbeite
konzentriert an der Bewältigung des Problems." Schon nach
kurzer Zeit meinte Felix gefunden zuhaben was er brauchte, um in
Zukunft ein glückliches "Leben zu zweit" führen zu können.
Barbara hieß sie. Sie war bildhübsch, toll gebaut und von einem
Blond, das jede Regel der Natur ad Absurdum führte. Sie war, wie
er meinte, eine echte Zierde für den Mann. Gab es einen Empfang
oder eine Party - Barbara war der beliebte Mittelpunkt des
Geschehens. Sie sprühte geradezu vor Charme und Lebenslust.
Niemand in ihrer Umgebung, weder Frau noch Mann, konnte sich
ihrer freundlichen Art und ihrer natürlichen Fröhlichkeit
entziehen.
Die Einladungen, die schon bisher nicht gerade spärlich
eintrafen stapelten sich mittlerweile auf Felix' Schreibtisch.
Seine Sekretärin hatte sogar schon einmal zaghaft angefragt, ob
es nicht angebracht sei eine Halbtagskraft für die Bewältigung
der Privatpost einzustellen. Es ging Felix richtig gut. Er hatte
eine wunderschöne Frau. Die Geschäfte liefen ausgezeichnet und,
er hatte aufgrund dieser Tatsachen auch viele neue Freunde. Damit
das so blieb las er Barbara jeden Wunsch von den Augen ab.
Daß das Apartment in der City, auf die Dauer für sie beide zu
klein sein würde, war klar. Felix schaute sich also um nach
einem Haus das ihren Ansprüchen gerecht würde. Bald schon hatte
er das passende gefunden. Ein Haus auf dem Land mit Salon, Gästezimmern,
großer Terrasse und einem herrlichen Garten. Der Swimmingpool,
den er nachträglich einbauen ließ, wurde zwar kaum genutzt,
aber er machte den Gesamteindruck perfekt. Und, trotz eines
kurzfristigen Einbruchs der Umsatzzahlen war doch genügend Geld
auf den Firmenkonten um Bärbelchen diesen "kleinen Wunsch"
zu erfüllen.
Da sie schon seit längerer Zeit keiner Beschäftigung mehr
nachging nannte Barbara sich selbst gerne Hausfrau. Ein großes,
gastfreundliches Haus zu führen war durchaus eine Aufgabe, die
entsprechend bewältigt sein wollte. Zwingend notwendig dafür
war natürlich das entsprechende Personal.
Zumindest ein Hausmädchen mußte her! Wer sollte schließlich
all die schönen Zimmer, die Bäder und Babsies Schreibraum -
pardon - Studio sauber halten?
Kochen hatte Barbara leider auch nie gelernt. ,,Nicht schlimm,"
meinte sie "es gibt doch so schöne Restaurants." Nur,
wäre es nicht wunderbar auch einmal zu Hause, an einer schön
gedeckten Tafel in trauter Zweisamkeit zu dinieren?
Die neue Köchin hatte es zwar nicht leicht Barbaras strengen Maßstäben
zu entsprechen, erwies sich aber als Perle wie man sie nur ganz
selten findet.
Der Gärtner, der sich freundlicherweise auch um den Pool kümmerte
war folglich eine Selbstverständlichkeit.
Auch, wenn sich Felix für die Firma einen strikten
Einstellungsstop verordnet hatte, die drei Hausangestellten würden
den Kuchen schon nicht all zu fett machen. Also ließ er die Gehälter
über die Firma laufen und hoffte, daß die momentane
Schlechtwetterlage bald einem wirtschaftlichen Hoch Platz machen
würde.
Barbara hatte es sich, solange sie noch in der Stadt wohnten, zur
lieben Angewohnheit gemacht, ihren Felix ab und zu aus dem Büro
zu lotsen, um mit ihm ein wenig zu bummeln. Er arbeitete einfach
zu viel und nahm sich kaum einmal Zeit sich in aller Ruhe um
seine kleine Frau zu kümmern.
Diese gemütlichen Nachmittage, die meist in einem netten,
exklusiven Modegeschäft begannen und in einem gemütlichen
Bistro bei Kir Royal für sie und einem Magenbitter für ihn
endeten, waren mittlerweile zu einem festen Bestandteil ihres
Zusammenlebens geworden.
Da sie jetzt auf dem Lande wohnten ging das natürlich nicht mehr
so einfach. Wie sollte Bärbelchen denn schließlich in die Stadt
kommen? Man konnte wohl nicht von ihr erwarten, daß sie den Bus
nahm. ,,Man war schließlich wer"
Felix erhörte das Flehen seiner Liebsten und überhörte
geflissentlich das Rumoren aus der Buchhaltung. Die Geschäftslage
würde sich bestimmt bald erholt haben. Und so wurde der
firmeneigene Fuhrpark kurzerhand um ein Fahrzeug erweitert.
Es warja auch nur ein ganz kleines Auto. Im Innenraum hatte es
gerade einmal Platz für zwei Personen. Und der Kofferraum war so
winzig, daß wenn das Verdeck zurück geklappt war so eben
Barbaras Handtasche und ihr Beautycase darin Platz fanden. - Lois
Vuitton versteht sich.
Felix sah nicht gut aus. Er wirkte gestreßt und überarbeitet.
Seine sonst so fröhliche Art hatte Brummigkeit und
Unzufriedenheit Platz gemach.
Barbara beschloß ihrem Göttergatten etwas gutes zu tun. Er mußte
unbedingt Urlaub machen. Einmal ausspannen und sich erholen war
jetzt das Wichtigste für ihn.
Mit Rieseneifer stürzte sie sich in die Vorbereitungen für den
gemeinsamen Winterurlaub. Entscheidend war natürlich die Wahl
des richtigen Urlaubsortes.
Skilanglauf in Reit im Winkl ? Dafür waren sie noch zu jung.
Snowboarding in St. Anton? Das war ihr zu laut und abgedreht.
Nach langem, angestrengtem Überlegen hatte Barbara endlich das
Richtige gefunden: Alpinski in einem kleinen, beschaulichen Ort
im Schweizer Hochgebirge. Schon der Name des Ortes klang zugleich
nach Besinnlichkeit und Urlaubsfreuden: ,,Sankt Moritz - Ja das
war s!
Bevor es losging, mußte Barbara selbstverständlich erst einmal
für die richtige Ausrüstung sorgen. Die neuesten Carvingski
sollten es sein. Und die montierten Hightec-Bindungen waren ein
Muß, hatte der nette Verkäufer gesagt. Auch die
Urlaubsgarderobe mußte komplettiert werden. Das bedeutete:
Barbara kaufte alles komplett neu.
Der neue Winternerz hätte zwar nicht unbedingt sein müssen aber
wozu hatte Felix ihr schließlich die goldene Kreditkarte
gegeben? Und, es belastete ja auch nicht die Haushaltskasse. Die
Karte lief über die Firma. Und, Felix hatte gesagt: ,,Wenn wir
dieses Jahr überstehen kann uns der Fiskus gar nichts mehr."
Das Jahr, meinte Barbara, war sowieso bald vorbei. Und, so freute
sie sich auf einen wunderschönen und exklusiven Urlaub mit ihrem
erholungsbedürftigen Felix.
Nach kurzer Zeit ungetrübter Urlaubsfreuden kam dann die
Nachricht, vor der Felix sich so gefürchtet hatte. Die Firma war
aufgefordert worden die Zahlungsunfähigkeit zu erklären und
Konkurs anzumelden.
Wenige Tage später war Felix bei der Bank um einen größeren
Betrag abzuheben. Es lief alles ohne Probleme. Man gab ihm das
Geld, und er wunderte sich noch über das verschmitzt,
freundliche Lächeln des Kassierers als man ihm auf der Straße
die Waffe und Beute abnahm und ihm Handschellen anlegte.
Und jetzt sitzt Felix also in seiner Zelle und lacht aus vollem
Hals.
Den alarmierten Aufsehern sieht er durch verquollene Augen
entgegen und schwenkt triumphierend die Zeitung wie die
Vereinsfahne bei einem Bundesligaspiel. Einer der Wärter nimmt
ihm vorsichtig die Zeitung ab und liest neugierig was den "stillen
Felix" so außer Rand und Band bringen konnte.
Die Schlagzeile in dicken, roten Lettern: Angesehener Geschäftsmann
bei Juwelenraub gefaßt!!
Darunter: Am vergangenen Wochenende konnte der Geschäftsmann
Karl - Heinz M. gefasst werden als er sich mit geraubten Juwelen
im Wert von mehreren Millionen aus dem Staub machen wollte.
M. gehörte, dem Vernehmen nach, zur besten Gesellschaft der
Stadt. Aus gut unterrichteten Kreisen war zu erfahren, daß M.
seit der Hochzeit mit seiner Frau Barbara größere Liquiditätsprobleme
hatte. Dies, obwohl seine Firma steigende Umsatzzahlen zu
verzeichnen hatte. Die Polizei teilte mit, daß M. zu den Vorwürfen
die Aussage verweigert.
In einem Exklusivinterwiev mit unserem Blatt sagte uns seine
junge Frau unter anderem:
,,Ich verstehe die Welt nicht mehr So viel Pech kann eine
einzelne Frau doch gar nicht haben. Zwei mal habe ich geheiratet
im besten Vertrauen auf die Ehrlichkeit der Menschen. Beide Male
bin ich maßlos enttäuscht worden. Nie hätte ich gedacht, daß
man den Männern ihre abgrundtiefen, kriminellen Instinkte nicht
anmerken kann. Ich bin am Boden zerstört
In seiner Zelle schwenkt Felix die Zeitung lacht wie irre und
ruft immer wieder:
,,Arme Barbara!! Arme Barbara!!
Calo v. Oss 2001
© Calo v. Oss 2003
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