Frohe Weihnachten, Robert !

"Frohe Weihnachten Robert!" "Danke. Dass wünsche ich dir auch. Ach ja und einen guten Rutsch ins neue Jahr." "Den werden wir wohl haben. Wir fahren zum Jahreswechsel wieder nach Tirol und lassen es da richtig krachen. Und, wie sieht es bei dir aus? Irgendwelche Urlaubspläne?" "Nein, nein. Es wird zu hause gefeiert wie immer. Diese Reisehysterie zu den Feiertagen ist doch auch nicht das Wahre." "Na dann machs gut. Wir sehen uns im neuen Jahr."

Langsam leerte sich das Büro. Robert machte sich daran, seinen Schreibtisch aufzuräumen. Jetzt mußten nur noch ein paar Daten gesichert und der Computer heruntergefahren werden. Er hoffte, noch Zeit für einige Besorgungen zu haben. Er arbeitete gerne in der Bank. Aber an "Heilig Abend" sorgte dieser Job doch dafür, dass die Zeit bis zum allgemeinen Ladenschluss sehr eng wurde.

Schwer bepackt mit überlebenswichtigen Dingen wie Toilettenpapier und Fernsehzeitung kam er dann aber doch in Feierlaune zu hause an. Schon in der Wohnungstür, den Schlüssel noch in der Hand und die Mütze noch auf dem Kopf, überkam ihn dieses Gefühl, das Weihnachten zu etwas Besonderem machte. Es roch nach Tannennadeln und frischen Plätzchen. Der Tisch war bereits festlich gedeckt. Im Wohnzimmer stand der schönste Weihnachtsbaum, den man für Geld kaufen konnte. Er war herrlich geschmückt mit blauen und goldenen Kugeln. Im Licht der Kerzen funkelten und blitzten sie mit dem Lametta, das in riesigen Mengen auf dem Baum verteilt war, um die Wette.
Es wurde Zeit, sich umzuziehen denn draußen läuteten schon die Glocken.

Dann war es so weit. Frisch geduscht, gekämmt und natürlich im allerfeinsten Abendanzug saß er an der Festtafel und bemühte sich den Champagner zu öffnen. Zu essen gab es dieses Jahr feinste Köstlichkeiten der kalten Küche: Lachs, Braten und Salate. Die Stereoanlage zauberte wunderbare Weihnachtslieder, die an früher erinnerten in den Raum. In den Kinderjahren konnte man sie noch mitsingen. Heute wurde lieber mitgesummt.
Das Essen war ein voller Erfolg und der Champagner sorgte dafür, dass ein beschwingtes Gefühl um sich griff. Jetzt war genau die richtige Zeit für die Bescherung.

Wie jedes Jahr lag ein Berg von Geschenken unter dem Baum. Was war schöner an Weihnachten als Geschenke auszupacken und sich mit leuchtenden Augen zu freuen, dass man genau das bekam, was man sich schon immer gewünscht hatte? So machte sich also auch Robert daran Pakete und Päckchen zu öffnen um herauszufinden was unter der wunderschönen Verpackung verborgen war. Toll! Robert war begeistert. Jedes Geschenk war ein absoluter Volltreffer. Der neue Pullover hatte genau die Farbe, die er so liebte, Eine CD-Sammlung seiner Lieblingsrockbands aus den Siebzigern, neues Zubehör für seine Filmausrüstung und, und, und...

Tränen standen in Roberts Augen als es an der Tür klingelte. Wer konnte das denn noch sein? Am Heilig Abend - und dann auch noch so spät... Er schnäuzte sich die Nase, atmete tief durch und ging um die Tür zu öffnen. Draußen stand Eva aus der Wohnung nebenan. "Hallo Robert. Ich hoffe ich störe nicht." "Nein überhaupt nicht. Wie kommst du denn darauf?" "Nun, du wirst Gäste haben, so schick wie du angezogen bist. Ich habe nur die Musik gehört und wollte dir ein frohes Fest wünschen. Wir haben ja sonst selten die Gelegenheit miteinander zu reden." "Stimmt," meinte er und bemerkte, wie sich ein ausgesprochen wohliges Kribbeln in seiner Magengegend breit machte, "Aber komm doch herein. Ich habe keine Gäste."

Noch spät in der Nacht saßen sie zusammen. Robert erzählte und erzählte. Davon, wie es ist in einer fremden Stadt zu leben. Davon dass geschiedene Menschen auch ein Recht auf Weihnachten haben. Davon, dass das Leben nicht leichter wird, auch wenn man meint sich arrangiert zu haben, und wie es ist sich seine Weihnachtsgeschenke selbst auszusuchen und einzupacken. Eva hörte nur zu und bemerkte verwundert, dass er schon seit einer Stunde ihre Hand hielt. Es gefiel ihr. "Er" gefiel ihr. Deshalb hatte sie es endlich gewagt, bei ihm zu läuten. Und jetzt saß sie bei ihm und hörte von seinem Kampf gegen die Weihnachtseinsamkeit. Und, ein sicheres Gefühl sagte ihr, dass es so bald für sie beide kein einsames Weihnachten mehr geben würde.


Calo v. Oss 2003

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