BURGSAGEN

Wenn früher in deutschen Landen eine Burg gebaut wurde, dann hat man wohl öfter in dem Burgturm ein Kindlein eingemauert, davon die Sage uns kündet in manchem Liede wie in diesem:

So soll auch der Sage nach beim Bau der Burg Greene ein Kind in die südliche Turmmauerwand eingemauert sein, das bis zu seiner nachherigen Befreiung gegrient oder gegrent (gelächelt) habe, woraus der Name Greene entstanden sei. In dem "Norddeutschen Sagenbuch" wird es so erzählt: Auf dem Berge oberhalb Greene soll man vor alter Zeit einmal, man weiß nicht mehr bei welcher Gelegenheit, ein Kind geopfert haben, und als es unter dem Schlachtmesser noch lächelte (greinte), da hat einer der Henker gesagt: "Es greint noch", und davon hat der Ort, den man bald darauf erbaute, den Namen Greine oder Greene bekommen.

In etwas anderer Form wird erzählt: es habe sich keine Mutter gefunden, die ihr kleines Kind zum Einmauern hätte hergeben wollen. Schließlich erklärte sich aber doch ein Mädchen dazu bereit. Es stand im Dienste der Burgherrschaft und hatte einem unehelichen Kinde das Leben gegeben. Man setzte dieses in einen Kinderstuhl und brachte es so hinein in die Turmwand. Als man ihm dann einen Zwieback gab, fing es an zu grienen (daher Greene). Zur Strafe aber dafür, daß jenes Mädchen sein Kind zum Einmauern hergegeben hatte, wurde es in einen Felsen im nahen Selter verbannt, der noch heute nach ihm den Namen Marentzchenstein trägt. Die Magd, die auch sonst im Leben viel gesündigt hatte, hat nachher auf dem Greener Amte noch viel Spuk getrieben. Sie hat oft in der Nacht die Kühe im Stalle losgebunden, so daß sie wild durcheinander liefen, und auch sonstigen Unfug angerichtet.

Nach einer anderen Überlieferung soll in der südlichen Turmwand eine Prinzessin vermauert worden sein, weil sie den sie begehrenden Prinzen nicht hatte heiraten wollen. Das Gewimmer ihrer klagenden Seele soll man noch oft vernehmen.

Auch soll eine weiße Frau in der Burg ihr Wesen treiben. Es handelt sich wahrscheinlich um das Holzfräulein, das sich im weißen Schleppkleide, ein Schlüsselbund an der Seite, am Altendorfer Berge bei Einbeck unter dem Tannenwalde zeigt. Sie geht um den ganzen Einbecker und Greener Wald herum und führt die Leute hin zum Greener Burgschloß. Sie hat einen wehmütigen Blick, spricht kein Wort, sondern winkt nur.

Der Bergfried wird auch Hexenturm genannt, hier tanzen in der Walpurgisnacht die Hexen. Im Mittelalter haben hier Hexenprozesse stattgefunden, und daher mag wohl auch der Name Hexenturm herrühren. Eine Urkunde v. J. 1665 berichtet von einem peinlichen Verhör mit Folterung. Ein mit Namen benanntes Weib war beschuldigt worden, Menschen und Vieh verhext und ihnen Krankheiten zugewiesen zu haben.

Die Burg, so wird erzählt, sei durch einen unterirdischen Gang mit der etwas weiter südlich gelegenen Hüburg, die man dann auch Südburg nannte, verbunden gewesen. Ein anderer unterirdischer Gang habe zum "Groten Hofe" in Greene geführt.

Zwei Sagen von besonderem Liebreiz bringen ein Burgfräulein und eine Nonne mit den Zedern in Zusammenhang, die in der Nähe der Burg bis vor einigen Jahren gestanden haben.

Auf jenem Felsen im Selter, der der Marentzchenstein heißt, soll in grauer Vorzeit eine Raubritterburg gestanden haben. Auf ihr hauste einstens ein Raubritter, der sich in die Tochter des auf der Greener Burg wohnenden Freiritters verliebt hatte. Die beiden Ritter, der Raubritter und der Freiritter, waren sich gegenseitig nicht gut. Das Burgfräulein, die Tochter des Greener Ritters, jedoch hatte den Raubritter gern und wollte sich mit ihm vermählen. So hielt denn der Raubritter bei dem Freiritter um die Hand seiner Tochter an. Dieser wollte mit dem Raubritter nicht gern in Streit geraten und darum auf seinen Antrag nicht "Nein" sagen. Aber ein direktes Jawort wollte er auch nicht geben. So knüpfte er dann an die Freigabe seiner Tochter zur Ehe eine Bedingung: Der Raubritter solle zuvor nach dem Berge Libanon reisen, von dort zehn Zedern mitbringen und sie bei der Greener Burg anpflanzen. Wenn diese angewachsen seien, dann könne er wieder nachfragen, und der Freiritter wolle ihn dann seine Tochter zur Gemahlin geben. Der Raubritter war willens, diese Bedingung zu erfüllen, und zog weit fort und blieb zehn Jahre aus. Das Burgfräulein aber harrte in Geduld und Treue auf seine Rückkehr. Endlich kam er wieder, brachte die zehn Zedern mit und pflanzte sie bei der Burg Greene an. Damit sie dort aber auch anwuchsen, mußten sie begossen werden. Noch immer wollte der Freiritter die Heirat seiner Tochter mit dern Raubritter verhindern und verbot ihr daher, die jungen Zedern zu begießen. Sein Töchterchen stand jedoch jede Nacht auf und begoß sie heimlich, so daß auch wirklich alle angegangen sind. Nun mußte der Freiritter einwilligen. Beide sind glücklich gewesen ihr Leben lang. Nach dem Namen der Tochter des Freiritters, Marentzchen, soll dann der Felsen seinen Namen erhalten haben.

Die andere Sage kündet: Einstens hauste auf der Burg ein Burgherr mit einem stolzen Herzen, das offenbar von keinem liebreizenden Ritterfräulein betört ward. Doch entbrannte es in heißer Liebe zu einer schönen und jungen, jedoch streng behüteten Nonne im adligen Damenstift zu Gandersheim. Von dort entführte er sie in einer dunklen stürmischen Nacht auf seine Burg in Greene. Dieser Frevel forderte Sühne. Er allein mußte die zu jener Zeit langwierige und gefährliche Reise nach dem Libanon unternehmen, von dort Zedern mitbringen und sie in seinem Burggarten anpflanzen. So sind damals die Zedern in den Greener Burgwald gekommen.

Schließlich aber berichtet die legendenhafte Überlieferung auch, daß Herzog Heinrich der Löwe jene Zedern von seiner Pilgerfahrt aus Palästina i. J. 1172 mit nach Greene zur Burg gebracht habe.

Wenn sie nun auch dort nicht mehr stehen, - die letzte Zeder verdorrte 1947 - so sind doch diese Sagen von der Burg und ihren Zedern lebendig geblieben, und der nahe gelegene "Zedernkamp" im Walde erinnert auch die nachkommenden Geschlechter an das Schicksal der Bäume vom Libanon.

Sinnend und traumverloren schaue ich von der sagenumwobenen Burg hinab ins Tal, das von dem letzten Strahl der untergehenden Sonne vergoldet wird, und blicke hinüber zu den das Tal umgebenden Hügeln, an deren Hängen am Abend des Osterfestes die Osterfeuer lodern und die brennenden Fackeln von der Jugend geschwenkt werden. Ich denke an meine traute Heimat, und Heimatklänge durchziehen leise mein Gemüt. "Wo's Dörflein dort zu Ende geht, wo's Mühlenrad am Bach sich dreht ... Im schönsten Wiesengrunde liegt meiner Heimat Haus ....

Hier oben die Vergangenheit. Fest steht der Bergfried auf seiner Warte. Er bildet auch den Mittelpunkt des neuen schönen Greener Gemeindewappens. Dieses zeigt in Blau auf grünem Hügel eine silberne Burg mit einem zinnenen Turm, belegt mit dem Wappen der Edelherren von Homburg (in Rot mit von Silber und Blau gesticktem Bord ein goldener Löwe) und wurde 1962 von G. Völker-Hannover unter Mitwirkung des Staatsarchivs zu Wolfenbüttel angefertigt.