Burg Greene mit Blick ins Leinetal, im Hintergrund "Der Selter".


IV. DIE BURG GREENE


"Eine graue Burgruine
Steht im Abendsonnenglanz,
Efeu schlingt, das immergrüne,
Um die Trümmer seinen Kranz".

Wie ein Dornröschenschloß von grünen Büschen und Bäumen halb verdeckt, von Efeu und wilden Rosen umrankt, liegt die Burgruine da. Durch den ehemaligen Umflutgraben geht es etwas steil hinab zum Burgtor. An der linken Seite an die Mauer gelehnt, mit einer Freitreppe davor, befindet sich das Haus des Burgwarts, der bei verschlossenem Burgtor gern bereit ist, den Fremden Einlaß zu geben. Durch das Haupttor mit seinem überspannenden Spitzbogen, das einstens nur mittels einer Zugbrücke über den tiefen Graben zugänglich war, treten wir in die Vorburg ein. Eichen beschatten den geräumigen Platz, der durch den Bergfried und die Mauerwand, die die Vorburg von der schmaleren Hinterburg trennt, abgeschlossen wird. Der wuchtige Burgturm ist quadratisch gebaut und hat auf vorspringendem Sockel einen Profilstreifen aus rotem Sandstein, teils mit abgesetzter Kehle, teils nur abgeschrägt. Die Ecken des Turmes sind von abwechselnd in die Wände einbindenden Sandsteinquadern eingefaßt.

Eine Steintreppe von 46 Stufen führt an der nördlichen Außenseite des Burgfrieds in einer Höhe von acht Metern in das Innere des Turmes. Hier beträgt die Dicke der Mauer fast drei Meter. Auf dieses Turmgeschoß gelangt man durch zwei spitzbogige, von roten Quadern eingefaßte Türen. Die nördliche, zu der jene Steintreppe hinaufgeht, war über einen gemauerten Bogen von der Hinterburg aus zugänglich. Seine Wände sind noch durch einige schmale Fenster unterbrochen. Zuletzt hatte er ein bis unten abgewalmtes Satteldach getragen. Die Burgruine liegt 181 m über dem Meeresspiegel. Die Höhe des Turmes beträgt 25 m.

Die anderthalb Meter breite Trennungsmauer ist durch ein später erneuertes Tor unterbrochen, das nach Süden zu einen Spitzbogen zeigt, nach Norden hin flachgiebelförmig nischenartig gebaut ist. In der Mauerwand im Westen der Hinterburg sieht man am Erdboden Lichtschlitze und oberhalb drei im flachen Bogen geschlossene Fenster. An der Ostseite des hinteren Burgplatzes sind eingestürzte Gewölbe erkennbar. Nach Norden zu gewährt die Mauerruine einen entzückenden Blick auf die bergangehende Bahnstrecke nach Naensen - Holzminden und auf die vorspringende Höhe des Selters. Tief unten durchrieselt der sprudelnde Luhebach den Bergeinschnitt zwischen Burgberg und dem ihm gegenüberliegenden Luheberg. Liebliche Ausblicke hat man auch hier und da zwischen dem Gemäuer hindurch auf den alten Flecken Greene mit seinen anmutigen Häusern, grünen Gärten und seiner stattlichen aus dem Gesamtbild herausragenden Kirche und ostwärts auf den Eisenbahnknotenpunkt Kreiensen mit seinen Bahnanlagen und seinen an Berghängen gelegenen Häusergruppen. 1966 hat die Bundesbahn unterhalb der Ruine eine hohe Betonmauer errichtet, um zu verhindern, daß der Burgberg sich auf die Geleise hinzu vorschiebt. Bei ihrem Bau geriet ein Teil des Hanges ins Rutschen.

Der Holzschnitt nach Merians Stich vom Jahre 1654 zeigt uns das ehemalige schloßartige Aussehen der Greener Burg. Wie sie damals gestaltet war, wird aus nebenstehender Skizze ersichtlich.

Die Burg liegt auf einem sich südöstlich erstreckenden Ausläufer der Hubehöhe aus schräggelagertem Kalkstein. Diese Bergzunge ist im Süden vom Gebirgsstock durch einen tiefen Felsendurchbruch künstlich getrennt, und ebenso ist das Burggelände im Norden vom gratigen Ende der Bergzunge durch einen künstlichen Einschnitt geschieden. Die Seitenflächen der so ausgeschiedenen Burgstelle fallen ost- und westwärts recht steil ab. Hier diente die äußere Burgmauer unten zugleich als Futtermauer und oben als Gebäudewand. Das Baumaterial besteht zumeist aus Kalkstein, mit etwas Sandstein untermischt und mit lockerem Mörtel unterbunden.


Merianstich der Burg um 1700 (Ausschnitt aus einer Gesamtansicht des Fleckens Greene von Merian).

Die Skizze bezeichnet - a - das Haupttor, vor dem die Zugbrücke sich befand, in - b - lag wahrscheinlich der Raum für die Torwache. Der ansteigende Zugang - c - ist von Futtermauern eingefaßt und erschwerte noch besonders den feindlichen Eintritt. Der Hof der Vorburg war östlich und westlich von Gebäude e - f begrenzt. Aus den dünnen Hofmauern ist erkenntlich, daß ihr Oberbau aus Fachwerk bestand, - g - bezeichnet den Bergfried, - h - die Aufgangstreppe und - i - das Zwischentor. Wie bei der Vorburg, so war auch der Hofraum der Hinterburg - k -, der nur sehr schmal war, beiderseits von Gebäuden eingefaßt. Das Gebäude - l - an der Westseite hatte wahrscheinlich nur eine Fachwerkwand - m -, da sich keine Mauerreste mehr zeigen. Das Gebäude an der Ostseite, in der Abbildung von Merian mit drei Dachgiebeln dargestellt, ist durch massive, zum Teil noch vorhandene Fachwände in drei Räume geteilt, - n, o, p, -. Zunächst ein schmaler vom Hofe aus zugänglicher Gang an der Trennungsmauer - q -, daneben eine Treppe - r -, die zum Gewölbe - t - führt. Auch bei - u - befand sich ein Gewölbe. Der bei Merian und auf einer Karte von 1730 gezeichnete Nordturm lag wahrscheinlich an einer nördlichen Mauervorlage in der Nordostecke der Hinterburg bei - v - in der Zeichnung.

Grundriß der Burg

Wir stehen an geschichtlicher Stätte, inmitten der Trümmer einstiger Herrlichkeit und Größe. Mancherlei Empfindungen werden in uns wach. Die Vergangenheit steigt vor unserem geistigen Auge auf. Die Mauersteine künden von Gewalt und Trutz, von Größe und Macht der Homburger Edelherren und der welfischen Herzöge. Der Felsen, auf dem die Burg steht, war der gegebene Platz für einen solchen Bau, den die Homburger Edelherren errichtet haben. Das Kloster Amelungsborn bei Stadtoldendorf besaß im 13. Jahrhundert in Greene und Umgegend größere Güter, die die Grafen von Homburg, deren Burg sich oberhalb Stadtoldendorfs befand, erwarben und damit ihre Grafschaft bis an die Leine ausdehnten. Zum Schutze dieser hier belegenen Güter, zum Schutze auch für die alte durchs Luhetal und durch Greene führende Verkehrsstraße und für die Leinebrücke ließen sie im Jahre 13o8 die Burg erstehen mit Wirtschaftsgebäuden für ihre Liegenschaften.

Der Homburgische Besitz geht wahrscheinlich auf Rechte des Grafen Hermann von Winzenburg zurück, der Greene als Gandersheimer Lehen besaß und 1152 verstarb. Die Burg blieb im Besitze der Grafen von Homburg bis 1409, in welchem Jahre der letzte Sproß der Edelherren, Heinrich von Homburg, starb.

Seine Güter fielen an das welfische Herzogshaus. Aber auch der Bischof von Hildesheim erhob Anspruch auf Greene. Es entstand zwischen beiden um den Besitz der Burg ein langwieriger Streit. Die Witwe des letzten Homburgischen Edelherrn hatte Leibzuchtsrechte an der Burg, die sie 1421 und 1426 dem Bischof Johann III. von Hildesheim überließ. Er blieb in mancherlei Streitigkeiten mit den Welfen, die ihm schon 1414 die Burg gegen Wiederkauf für 12000 Gulden überlassen hatten, seit 1426 im Besitze der Burg. 1451 wurde dem Welfenherzog Wilhelm die Einlösung der Burg zugestanden. 1494 kündigten die Herzöge den Pfandsitz und waren 1499 nun erst wirklich Besitzer und Herren der Burg. Sie machten sie zum Sitz eines herzoglichen Amtes. Von hier aus wurden die herzoglichen Güter des Amtes verwaltet. Später hat sich der ehemals homburgische Grundbesitz mit dem Grundbesitz des Klosters Amelungsborn in der Domäne Greene zusammengezogen.

Nach 1500 hat die Burg mancherlei Schicksale gehabt. Kriegerische Unruhen haben ihr hart zugesetzt, und heftige Stürme erschütterten sie zuletzt in ihren Grundfesten. Wiederholt wurde sie von ihren Besitzern verpfändet. Im Jahre 1553 wurde sie in einer Fehde des Grafen Vollrad von Mansfeld, des Feldherrn des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, der mit einem größeren Heere das Braunschweiger Land sengend und plündernd durchzog, erobert, verbrannt und geschleift. Sie wurde aber sofort von Herzog Heinrich dem Jüngeren "hinwiederum erbauet, mit schönen fürstlichen und anderen Gemächern gezieret und derogestalt angelegt, daß es dem vorigen alten Gebäu weit vorzuziehen gewesen."

So wurde die schöne Burgstätte zum zeitweiligen Aufenthalte der Herzöge neu eingrichtet, die gewiß gern hier Einkehr gehalten haben, um in den nahe gelegenen ausgedehnten Forsten das edle Waidwerk zu pflegen. Davon zeugt der "Hirschsprung". Auf der Höhe nach Mühlenbeck zu stehen 2 rote Sandsteine zur Erinnerung an einen Meisterschuß. Der größere Stein hat über der Erde eine Höhe von 17o, eine Breite von 89 und eine Dicke von 23 cm. Seine Vorderfläche ist mit einer Antiquainschrift bedeckt und trägt darüber einen Rollwerkaufsatz mit einem Zwölfender-Hirsch in der Mitte. Die Inschrift lautet: "Den 26. Augusti 16o6 hatt der hochwirdiger durchleuchtiger hochgeborener Fürst und Herr Herr Henricus Julius postulirter Bischoff des Stifftes Halberstadt und Herzog zu Braunschweig und Lüneburg an diesem Orth einen Hirsch auff Boxtal geschossen, welcher nach empfangenen Schuß von dieser Stedt über den Hagen bis zu dem andern Zeichen mit gelichen Füßen gesprungen". Boxstall soll den zum Abschuß bestimmten Platz bedeuten, wohin das Wild vorgetrieben wurde, Hagen ist wohl gleich Gehege = Gatter, worunter die Umfriedigung zu verstehen ist, die der todwunde Hirsch übersprang, gelichen = gleichen.

Auf dem Rollwerkbande war 1888 noch vollständig zu lesen: "Dieser Hirsch hat gewogen fünf ganze und einen halben Centner." In der Entfernung der Sprungweite von 11 m steht der zweite Stein, der kleiner ist und dessen Bearbeitung nur in einer rohen Zuspitzung besteht.

Würden die alten Mauersteine der Burg erzählen können, so würden sie uns gewiß berichten von mancherlei Empfängen und Jagdgelagen auf der Burg, von edlen Rittern und fahrenden Sängern und schönen Frauen. Aber nur wenige Jahrzehnte dauerte der neue Glanz. Dunkle Wetterwolken zogen sich unheilkündend über Deutschland zusammen. Es kam der 3ojährige Krieg mit all seinen Schrecken. Im Verlauf desselben wurde auch die Burg arg mitgenommen. Sie fiel nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge 1626 in die Hände der Kaiserlichen und hatte viel zu leiden, war sowohl von den Kaiserlichen als auch von den Königl. Schwedischen Söldnerscharen des öfteren eingenommen und sehr ruiniert worden, so daß sie bei Friedensschluß sich in ziemlich verwahrlostem Zustande befand. Die Gebäude waren zwar noch vorhanden, bedurften aber dringend der Erneuerung und wurden dann auch "nach aller Möglichkeit hinwieder repariert und zum vorigen Stande gebracht". Sie hatten jedoch zu sehr Schaden gelitten, und bald ward nach eingehender Prüfung der Verhältnisse der Entschluß gefaßt, den Amtshaushalt ins Tal zu verlegen.

Herzog Ferdinand Albrecht II. verschrieb seiner Gemahlin Antoinette Amalie Greene zum Witwentum und genehmigte den Bau eines neuen massiven Amtshauses vor dem Orte Greene am Fuße des Burgberges, wo er von 1694 bis 17o4 ausgeführt wurde. In diesem Jahre wurde die Burg von der Herrschaft verlassen. Das neue Gebäude diente nun dem Amtmann als Wohnung, Verwaltungs- und Gerichtshaus und öffnete seine Pforten fürstlichem Besuch. Die Burg aber wurde von da an nur noch zum Teil von Häuslingen bewohnt; das letzte Häuslingshaus wurde dort nach einem Brande im Jahre 1908 abgebrochen. Nach der Verlegung des Amtshaushaltes in das Dorf siedelten sich nach und nach auf dem Gelände der Vorburg etliche Anbauer an. Sie mußten dafür, daß sie sich hier ein Häuschen bauen konnten, auf der Domäne Herrendienste tun, die dann in eine jährliche Geldleistung umgewandelt und später durch eine bestimmte Geldsumme abgelöst wurden. Man zeigt noch heute bei den Wohnstätten die Stellen, an denen einst Kuhstall, Schafstall und Scheune gestanden haben sollen. Der eine Garten wird noch Amtshof genannt. Auch sieht man hier und da noch Überreste der alten Außenmauer der ehemaligen Burg. Der westwärts gelegene Teil der Außenbefestigung wurde abgetragen, als die Eisenbahn nach Holzminden gebaut wurde und an dieser Stelle die Gleise angelegt wurden.

Die Burggebäude und das Mauerwerk verfielen nach der Errichtung des Domänengebäudes im Ort mit der Zeit und wurden zur Ruine. Das Gestein diente teilweise zur Herrichtung von Straßen und zur Erbauung von Wohnhäusern. 1757 waren "außer einem viereckten Turme nichts als Rudera" vorhanden. Um die Ruinen gänzlich vor Verfall zu schützen, fand 1880 eine Instandsetzung statt.

Im Jahre 1953 wurde eine neue Ausbesserung vorgenommen und ein langgehegter Wunsch der Burgbesucher erfüllt. In das bis dahin leere Turm-Innere wurden Treppen eingebaut, die vier Stockwerke verbinden. Die letzte Treppe führt empor zur Plattform, von der man eine wunderbare Aussicht genießt. Ausrufe des Staunens und der Bewunderung hört man immer wieder aus dem Munde der Fremden, wenn sie von dort oben herab ihre Blicke über die Hügelkette der Leineufer und über die am Silberband des Flusses gelegenen Wiesen und Felder gleiten lassen. Trutzig schaut der alte Bergfried ins weite Tal. Laubiges Grün, schmucke Fachwerkhäuser mit roten Ziegeldächern und blühenden Gärten am Hang umsäumen die meterdicken Mauerreste der ehemals so stolzen Burg, an deren Fuße der liebreizende Marktflecken mit seiner altersgrauen Kirche und dem wuchtigen Kirchturm liegt. Burg und Kirche sind seine Wahrzeichen.

Ihrer herrlichen Lage wegen im Notstandsgebiet des Westharzes und im Zonengrenzraum mit der Blickrichtung gen Osten wurde 1953 die Burg zur Bundesweihestätte für die deutschen Kriegsgefangenen und der Burgturm zum Ehrenturm erklärt. In seinen beiden ersten Stockwerken wurden Ehrenschreine in die Wände eingelassen, die mit den Wappen der einzelnen Bundesländer geziert und in die die Mappen mit den Unterschriften der Treuekundgebungen aus dem Bundesgebiet eingelegt wurden. Im dritten Stockwerk wurde die Freiheitsglocke aufgehängt, die jeden Abend ihr Mahngeläut erklingen ließ. Zum größten Bedauern der Bevölkerung Greenes und Umgegend wurden die Glocke und der Inhalt der Schränke 1961 nach Goslar verlegt. Im Turminnern ist bis auf die Glocke noch alles so erhalten wie 1953. Im Sockel hängen die Wappen der Ostdeutschen Länder, in einer Wandnische befindet sich unter Verschluß eine Kassette mit Muttererde aus dem Sudetenland. Vorhanden sind noch die leeren Eichenschreine und die eingemauerten kunsteisernen Kerzenständer. Auf der Plattform ist in der Umgrenzungsmauer eine Stahlkassette mit den Namen der freiwilligen Helfer am Ausbau eingefügt. Auf dem Burgplatze wurden einige Jahre lang Festspiele und Konzerte veranstaltet, die aber leider auch eingestellt wurden; die letzten Festspiele fanden 1956 statt. Sie fanden ihre Fortsetzung in den Domfestspielen in Bad Gandersheim.

In der Nähe der Burgwirtschaft führt ein Pfad waldeinwärts hin zum idyllisch gelegenen Heinrichsbrunnen, von dem aus die Wasserversorgung der Burg erfolgt. Durch Holzröhren wurde das Wasser am Röhrenberge entlang schon früher dorthin geleitet. Etliche der Holzröhren hat man noch ausgegraben, sie waren aus ausgehöhlten Baumstämmen hergestellt.

Am Waldrande vor der Wirtschaft erhebt sich jetzt ein hochragendes Lärchenkreuz als Mahnmal. Es war ursprünglich 1952 auf dem Burgplatze vom Verband der Heimkehrer aufgestellt und trägt die Inschrift: "Wir mahnen allen die Freiheit".