I. GESCHICHTLICHES

Die Lage des Ortes. Liebliche waldreiche Höhenzüge erheben sich an beiden Ufern des mittleren Leinetales und bilden das Leinebergland, das Landschaftsbilder anmutigster Art aufweist. Zumal der Streifen braunschweigischen Landes, der von Salzderhelden ab bis nach Freden hin von der Leine durchflossen wird, ist reich an Abwechselung zwischen Berg und Tal, zwischen Höhe und Tiefe, zwischen Wald und Feld, zwischen blumigen Wiesen in der Talebene und den darin bunt verstreut liegenden Weilern und Dörfern. Jeder, der diese liebliche waldreiche Gegend durchwandert, ist entzückt von dem bezaubernden Bilde, das sich stets von neuem dem Auge darbietet. Und wer mit dem hannoverschen Zuge in nördlicher Richtung den Bahnhof Kreiensen verlässt oder mit dem Auto oder dem Bus von Seesen - Bad Gandersheim nach Greene fährt, sieht westwärts vor sich die grüne Aue der Leine, an ihr, überragt vom stattlichen, wuchtigen Kirchturm, die freundlichen Häuser unseres alten Fleckens, im Hintergrunde auf hohen Steinpfeilern die stolze Eisenbahnbrücke und auf felsiger Höhe den steinernen Bergfried der alten Burg. All das ist umgeben von den einladenden Buchenwäldern des hier nördlich ausstrahlenden Hubebergwaldes und des südlich auslaufenden, steil zum Tal abfallenden Selterrückens, So baut sich das Bild malerisch auf, Gegenwart und Vergangenheit, Burgenromantik und neuzeitige Bau- und Verkehrstechnik im engen Rahmen miteinander verbindend. Da liegt unser Marktflecken Greene in einer der herrlichsten Gegenden unseres an Naturschönheiten so reichen Heimatlandes in dem fruchtbaren Tale, das vom Silberband der von grünen Wiesen umrahmten Leine durchwunden wird, deren Quellen sich im Eichsfeld befinden.

Einstens hat sich aus einer großen von Süden nach Norden gehenden Bruchlinie das Tal der Leine gebildet und hat an seinen Rändern den roten Buntsandstein und den weißen Muschelkalk abgesetzt, jenen z.B. bei Ippensen und am Brunstein bei Kreiensen, diesen hier bei Greene Bei Kreiensen hat der Fluß die Enge der Hügelkette durchstoßen und ist aus dem Leinegraben im Süden in den nördlichen Leinesattel eingetreten, der sich an unserem Orte zu einem geräumigen Becken ausweitet.

Bei dem fast jährlich auftretenden Hochwasser gleicht das Tal einem großen breiten See, wie denn der Name Leine von laginaha hergeleitet und als Seefluß gedeutet wird.

Über die Leinebrücke erreicht man den Markt-Flecken Greene, der urkundlich 980 erstmalig erwähnt wird. Hier befindet sich die erste Furt über den Leinefluß. Rechts die St. MartinKirche, die in dieser Form seit 1575 steht



Vorzeit bis 750 n. Chr.

In der ersten Eiszeit sind die nordischen Gletscher bis nach Garlebsen vorgedrungen. Es hausten hier das wollhaarige Nashorn, das Mammut, das Rentier und andere vorzeitliche Tiere, von denen Oberreste bei Kreiensen und Erzhausen gefunden sind. Das Leinetal war Durchgangsgebiet der nomadisierenden Jäger. Als das Eis nach Norden zu wich, folgte der Mensch von Süden her und jagte die Tiere der Steppe. Spuren menschlicher Besiedlung aus der Altsteinzeit, die der Eiszeit folgte, sind in 2 km Entfernung in einer Kiesgrube bei Beulshausen nachgewiesen. In der jüngeren Steinzeit mit einem milderen Klima hat sich dann der Mensch an der Leine seßhaft gemacht. Aus der älteren Bronzezeit danach, etwa aus dem 18. bis 14. Jahrhundert vor Christi Geburt, stammen die Hünen- oder Hügelgräber auf der Hochebene des Greener Waldes.

Um 2000 vor Christi Geburt soll in unserem Gebiet ein den Kelten verwandter Volksstamm seinen Sitz gehabt haben, der dann von den Germanen verdrängt wurde, die etwa im achten Jahrhundert vor Christus das Leinetal einnahmen. Zur Zeit der Geburt Christi waren hier die Cherusker wohnhaft - der Name bedeutet Hirschsöhne -, denen Armin oder Hermann entstammte, der im Jahre 9 n. Chr. die römischen Legionen im Teutoburger Walde vernichtete und so zum Befreier Deutschlands vom römischen Joch wurde. Auf seinem Zuge gegen den römischen Feldherrn Varus soll er am TolenLrink bei Gandersheim Rast gemacht haben. Später zogen von Norden her die Sachsen heran, genannt nach ihrer Waffe sax = Streitmesser. Sie vereinigten sich mit den Cheruskern und anderen germanischen Volksstämmen.

,Zu jener Zeit schon hat der Ort Greene bestanden. Er ist eine der ältesten Siedlungen im mittleren Leinetale. Sein Ursprung ist nicht mehr festzustellen. Sein Name wird von Grenithi herzuleiten sein, der Grand = Kiesstätte bedeutet; in seiner Umgebung sind noch heute Kiesgruben vorhanden. Die Endung "ithi" mag auch auf eine sehr alte Kult- und Thingstätte hinweisen, die wir vielleicht auf der alten Hüburg über der direkt an der Leine vorbeiführenden Straße nach Ippensen zu suchen haben.

Diese Hüburg ist die älteste Greener Burg. Auf dem geräumigen, Platze der Waldhöhe sind noch deutlich 2 m tiefe Gräben und Wälle zu erkennen. Die Wallaufschüttung besteht teils aus dem dort lagernden Kalkstein, teils diesen überschichtend, aus rötlichem Sandstein. Auch ist ein mauerartiger Kern auf der Wallkrone sichtbar. Diese Wallburg wird eine alte frühgeschichtliche Volks- und Fluchtburg aus der Zeit der Cherusker gewesen sein, wohin sich die Einwohner mit ihrem Vieh bei drohender Gefahr zurückzogen.

Die jetzige vom westlichen Harzrande her durch Greene nach Holzminden führende Bundesstraße war von alters her eine wichtige Verkehrsstraße, die die Elbe mit der Weser verband. Diese Ost-West-Richtung des Verkehrs wurde oberhalb des Ortes bei Mühlenbeck gekreuzt von der Straße, die in Nord-SüdRichtung von Göttingen über Einbeck und Alfeld nach Hannover ging und von großer Bedeutung war. Heute entspricht sie der verkehrsreichen Bundesstraße 3. Bei Greene überquerte die Ost-West-Straße auf einer Furt die Leine. Diese Straße und diese Furt sind im Laufe der Jahrhunderte oftmals von Heeren durchzogen worden.

750-980 n. Chr.

Im 8. Jahrhundert nach Christi Geburt drangen von Westen her die Franken über die Leine nach Osten vor,um das Land der Sachsen sich zu unterwerfen. Schon Pippin der Kleine kam auf seinem Zuge zur Oker i. J. 745 durch unsere Gegend, ebenfalls Karl der Große i. J. 775. Er besiegte die Sachsen und brachte sie mit Gewalt dahin, daß sie ihren alten heidnischen Göttern entsagten und das Christentum annahmen. Zur Stärkung seiner Macht baute er an wichtigen Straßen befestigte Kastelle und Königshöfe auf, um seine Herrschaft im Sachsenlande zu sichern. Zur Unterstützung und Ausbreitung des Christentums ließ er Kirchen und Klöster erstehen und forderte zu deren Unterhaltung von den Bauern und Grundbesitzern die Abgabe des Zehnten. Bei Greene bildete die Leine die Grenze zwischen dem Erzbistum Mainz und dem Bistum Hildesheim. Diese verlief nach der Festsetzung durch Kaiser Heinrich II. i. J. 1013 "vom Einfluß der Gande in den Leinestrom, auf dieses Stromes Mitte herab bis zum Rotenbach, der sich oberhalb Erzhausens vom Selter kommend in die Leine ergießt."

Ostwärts der Leine lag der Flenithigau mit Gandersheim, das dem Bistum Hildesheim angehörte. Greene war Hauptort des Greenagaues, der ein Untergau des Sülberggaues war. Dieser hatte seinen Namen nach dem südlich von Einbeck gelegenen Sülberge, wo noch heute der alte Gerichtsplatz den Namen Königsstuhl führt. In Greene wird die Gerichts- oder Thingstätte des Grenagaues an der wichtigen Leinefurt gelegen haben, die schon früh eine Brücke erhielt; eine solche wird bereits 1062 urkundlich erwähnt. An ihr fand -122o eine bedeutsame Besprechung zwischen Bischof Konrad II. von Hildesheim und dem Herrn Bodo II. von Homburg statt. Greene war der erste Brückenort im Kreise Gandersheim.

Die Sachsen hatten ihr Land in Gaue eingeteilt. Ihre Gauverwaltung gestaltete Karl d. Gr. durch Einrichtung neuer Grafschaften um und bestellte ihm treu ergebene Adlige zu Gaugrafen, die mit allerlei Gütern belehnt wurden. Graf Ludolf aus dem Geschlecht der Brunonen wurde wegen seiner Hinneigung zu den Karolingern Herzog von Sachsen. Seine Burg Ludolfshausen befand sich nördlich von Gandersheim. Von dort aus gründete er 852 das Kloster Gandersheim, das mit der Zeit große Güter erhielt, zu großem Reichtum kam und zu einem Reichsstift wurde.

Eingang zur Burgruine, mit dem großen hölzernen Tor.

Zum Schutz für Leinefurt und Straße war schon frühzeitig eine Burg in Greene vorhanden. Kaiser Otto II. (973-983) schenkte nach einer alten Urkunde im Jahre 980 dem Stifte Gandersheim "duos nostrae dominationis bannos, unum in Seeburg, alterum in Grene", das heißt: "unserer Herrschaft zwei Banne (nämlich Heer- und Gerichtsbann), den einen in Seeburg (Seesen), den anderen in Greene". Ein solcher Bann setzte eine Burg als Mittelpunkt des durch ihn bezeichneten Heer- und Gerichtsbannes voraus. Kaiser Heinrich II. (1002-1024) übergab 1021 dem Kloster Gandersheim die Grafschaft über den "Grenagau", und Kaiser Heinrich III. (1039-1056) bestätigte 1039 dem Kloster Gandersheim den Bann und die Grafschaft des Grenagaues. (Das Original der Urkunde vom 12.III.980 befindet sich im Staatsarchiv Wolfenbüttel).


980-1308

1113 erwarb das Kloster Corvey aus der Hinterlassenschaft eines Edlen Siegebert 5½ Hufen Landes (1 Hf. ist etwa = 30 Mg.) in Greene. Das Kloster Amelungsborn erhielt 1144 von dem Mainzer Erzbischof über ein mit Hilfe des Grafen Siegfried von Northeim zugewandtes Gut in Greene den Zehnten und legte damit den Grund zu seinen umfangreichen Gütererwerbungen und Land- und Waldbesitztümern im hiesigen Leinetale. Siegfried hatte 1129 das Cisterzienser=Kloster Amelungsborn bei Stadtoldendorf gegründet. Seine Mönche hatten es sich zur Aufgabe gesetzt, sumpfige Niederungen durch Regulierung der Bäche und Flüsse trocken zu legen und durch Rodungen gutes Ackerland zu gewinnen. Ihr Arbeitsgebiet war besonders unsere Gegend. Sie gelangten zu Besitztümern in Greene und in der Bruchhöfer Feldmark, wo sie in den Waldungen Rodungen ausführten und im Dorfe eine Zehntscheune, eine Mühle und sonstige Gebäude errichteten. In Erzhausen bauten sie einen Klosterhof auf, der bis 1936 bestand. In Greene gehörten ihnen etliche Höfe, darunter der den älteren Einwohnern noch bekannte "Große Hof" (s. u.). Alle die Besitztümer in und um Greene gingen allmählich durch Kauf und Tausch in die Hand der Edelherren von Homburg über, die ihren Sitz auf der Burg oberhalb Stadtoldendorfs hatten.

Im Jahre 1308 ist die Rede von einem "castrum juxta villam Grene constructum" (Burg nahe bei dem Dorf Greene erbaut), und zwar als Neuerrichtung einer Burg durch die Homburger Grafen, wegen der sie sich mit dem Kloster Amelungsborn betreffs der Güter auseinanderzusetzen hatten. Sie bekannten sich 1360 ausdrücklich als Vasallen und Schutzvögte des Gandersheimer Stiftes und waren Lehnsträger der Herzöge von Braunschweig.

Es ist nun die Frage, ob diese Burg anstelle jener errichtet wurde, die, wie oben erwähnt, bereits 980 bestand und vielleicht eine der alten sächsischen Holzburgen mit Pallisaden gewesen sein mag, wie sie oftmals die Edelingssitze jener Zeit aufwiesen. Reste dieser ältesten Greener Burg, die also auch auf dem Felsenvorsprung oberhalb des Ortes gestanden hätte, sind nicht mehr vorhanden. Dagegen nimmt Steinacker an, daß solche Reste auf der Hüburg an der Straße nach Ippensen zu finden seien Er hält es für durchaus glaublich, daß mit der Burg vom Jahre 980 diese Hüburg zu identifizieren ist. Auch Museumsdirektor Tode teilt diese An Sicht, wenn er schreibt: "Auf dem nördlichen Ausläufer des Knollen lieg eine frühgeschichtliche Burganlage mit Resten von Fundamenten und Mauerwerk. Die Anlage hat die Form eines fränkischen Kastells, das viel leicht auf der Grundlage einer noch älteren frühgeschichtlichen Burg er richtet wurde" (Der Landkreis Gandersheim I).

Es ist jedoch nicht einleuchtend, daß die Franken bei der Eroberung des Sachsenlandes gerade auf dieser Höhe, die versteckt und zudem ziemlich weitab von dem wichtigen Flußübergange lag und durch keine größere Straße mit der Hauptstraße verbunden war, ihr festes Kastell erbaut hätten. Es ist vielmehr anzunehmen, daß sie ihre Befestigung an der Leinefurt als eine Wasser- und Werderburg, die von der Leine umspült wurde, angelegt haben und zwar südlich der Furt und späteren Brücke. Ihr gegenüber bauten sie für die Verpflegung ihrer Burgmannschaft einen Wirtschaftshof auf. Dieser lag auf den Gelände der jetzigen Gastwirtschaft Rose und war im Mittelalter ein großer Ackerhof mit 5 Hufen Landes, der an die adligen Herren von Rhede verlehnt und ursprünglich herrschaftliches Besitztum war. Später gehört er dem Oberamtmann und Landkommissar Starke, der ihn um 1640 der Domäne in Greene übergab.

Von diesem Hofe und der Burg aus werden die Franken den Mühlengraben gezogen haben, an dem sie etwas südlicher die Mühle errichteten, die für den Hof wie für die Versorgung der fränkischen Burgbesatzung wichtig war. Zwischen Burg und Mühle ließen sie die ihrem Schutzheiligen Martin geweihte Kirche erstehen. So wird also die Burg von 980 mitten im Leinebett gelegen haben. Dort konnte sie am besten Straße und Furt und auf beiden den Nachschub für die fränkischen Soldaten sichern Die Franken haben gern ihre Befestigungen auf Fluß- oder Bachinseln und nicht auf Höhen aufgebaut, wie denn auch die in der Urkunde von 980 mitgenannte Seeburg (Seesen) sich in der Ebene befand. In dieser Urkunde heißt es auch nicht, wie bei der Burg von 1308, juxta, d. h. bei oder neben dem Ort Greene, sondern in Greene, wonach anzunehmen ist daß diese Burg nicht auf der Höhe, sondern im Tale, im Dorfe gelege hat. Diese Werderfestung, die aus Holz errichtet gewesen sein dürfte wird nicht sehr lange von Bestand gewesen sein, und die Fluten der Leine die oft über die Ufer gingen, werden alle Reste weggespült haben.

In den Jahren von 1202 bis 1336 läßt sich eine nach dem Orte Greene benannte niederadlige Familie in Hildesheimer und Amelungsborner Urkunden nachweisen.

1308-1700

Vom Jahre 1308 bis zum Jahre 1409 ist die Greener Burg im Besitz der Grafen von Homburg gewesen d. h. bis zu ihrem Aussterben. Danach kam es zwischen dem welfischen Herzogshaus und dem Bistum Hildesheim, die beide ihren Anspruch an die Burg geltend machten, zu Streitigkeiten, in deren Verlauf der Bischof von Hildesheim 1424 die Greener Kirche zerstörte. Erst 1499 kamen die Welfen endgültig in den Besitz der Burg, die nun Sitz eines herzoglichen Amtes wurde. Das Landgericht dieses Amtes wurde nach dem Erbregister vom Jahre 1547 jährlich dreimal gehalten und zwar nicht am Amtssitze, sondern unter der Linde zu Naensen, die wahrscheinlich bei der dortigen etwas erhöht gelegenen Kirche gestanden hat. 1715 wird berichtet: "Das Landgericht findet auf dem Amte Greene statt, ebenso das peinliche Halsgericht, das Freiengericht in Naensen und das Hägergericht in Wenzen.

Ort undBurg Greene haben im Laufe der Jahrhunderte ein wechselvolles Schicksal erlebt. Während der Hildesheimer Stiftsfehde in den Jahren 1519 bis 1522 zwischen den Welfenherzögen und dem Bischof von Hildesheim ausgetragen wurde, hatte unsere Gegend schwer zu leiden. Am schlimmsten war es im Jahre 1521, in dem Stiftsmannen aus dem Alfelder Gebiet die Gerichte Greene und Gandersheim völlig ausraubten. Es war die Zeit der Reformation. Die deutschen Lande wurden von Religionskriegen heimgesucht, in die auch das braunschweigische Herzogtum mit verwickelt wurde. 1553 fiel Graf Volrad von Mansfeld, ein rechter Landsknechtsführer, raubend und plündernd im Braunschweiger Land ein, verwüstete die Dörfer und zerstörte die Burgen, auch unsere Greener Burg. Dabei wurde natürlich auch unser Ort m seinen Höfen stark mitgenommen.

Große Verheerungen und Verwüstungen richtete dann im nächste Jahrhundert der 30 jährige Krieg an, der 1618 seinen Anfang nahm und zunächst den Süden und Westen Deutschlands heimsuchte, dann 1625 auf Niedersachsen übergriff. Bis 1627 erfuhr unsere Gegend schwerste Schädigung. Tillys und Wallensteins Söldnerscharen brachten durch Plünderung, Brandstiftung, Erpressung und Einziehung von Kontributionen Schrecken und Leid über die Bevölkerung. Aus dem Jahre 1625 berichtet das Greener Kirchenbuch: "Es werden wegen des Kriegswesens und weil der Superintendent Strübig zu Einbeck hat flüchten müssen, die kleinen Kinder zu Gandersheim und Heckenbeck getauft". 1625 sind nur 5 Kindertaufen verzeichnet, während es üblicherweise etwa 40 waren. Dann herrschte wieder vom Jahre 1641 ab bis zum Kriegsende viel Not und Elend. Nach dem Kriege lag ein Viertel des bebauten Landes verwüstet da. Pest, Hunger und Schwert hatten das Land entvölkert, das sich nur allmählich von den Kriegsleiden erholte.

Unglaube und wilder Aberglaube hatten sich breit gemacht, damit veband sich der fuchtbare Irrwahn, von dem das Mittelalter besessen war, der Glaube an Hexerei und Zauberei. Überall wurden Hexenprozesse abgehalten. Von einem solchen, der auf der Burg Greene stattfand, berichtet die Überlieferung. Grete Hundertmark, Hansen Metken alias Strohmeyers zu Greene ehelich Weib, 33 Jahre alt, war beschuldigt, in Naensen, Brunsen und Erzhausen Menschen und Vieh Krankheiten zugewiesen zu haben. Die Anklagen gingen an die Universität Rinteln, die sie nach Greene weitergab. Dort wurde am 18. Oktober 1665 das peinliche Verhör vorgenommen. Da die Grete leugnete, wurde sie entblößt und auf die Leiter geschnürt. Ihre Standhaftigkeit wurde ihre Rettung, die Universität Rinteln befürwortete ihre Befreiung. Grete trieb sich danach acht Jahre in der Fremde herum und schloß sich schließlich durchmarschierenden Truppen des Großen Kurfürsten an und fand ein frühes Ende.

Die Burg wurde im Verlauf des 30jährigen Krieges öfter belagert, erobert und zerstört. Sie wechselte vielfach ihre Besitzer. Obwohl sie bald nach Beendigung des Krieges neu instandgesetzt wurde, hatte sie doch zu sehr Schaden gelitten, so daß nach Rückkehr geordneter Verhältnisse ein Wiederaufbau nicht mehr in Frage kam, zumal die Unzulänglichkeit des steilen Hügels ihre wirtschaftliche Benutzung sehr erschwerte. Es wurde daher beschlossen, den Amtshaushalt ins Tal zu verlegen, zumal die dienstpflichtigen Bauern sich erboten, mehr Fuhren zu leisten, falls sie nicht mehr nötig hätten, die beschwerliche steile Straße zur Burg hinaufzufahren. So wurde denn ein neues Amts- und Domänengebäude vor dem damaligen Dorfe an der Stelle, wo die Amtsschäferei sich befunden hatte, in den Jahren 1696 - 1704 vom Ingenieur und Oberstleutnant Kaspar Völcker in Braunschweig errichtet. Der große massive, aber nüchterne Gebäudekomplex gruppiert sich mit vier Flügeln fast quadratisch um einen Hof. Nach der Straße zu ist das Wohnhaus gelegen, neben dem das Einfahrtstor auf den Hof führt. Dieses ist aus rotem Sandstein errichtet, im Korbbogen geschlossen und mit einem Giebel bedacht, der von einer Platte mit dem elffeldrigen, von fünf Helmen bekrönten und von zwei Löwen gehaltenen herzoglichen Wappen über einer erloschenen Inschrift besetzt ist. Auf der anderen Seite des Hauses nach dem Parke zu sieht man ein kurzes Mauerstück mit vergitterten Fensterschlitzen, das als Rest des Gefängnisses anzusehen ist. Das Wohnhaus weist im Innern die Kopie eines schönen barocken hölzernen Kronleuchters auf nach einem Original, das sich im Salzdahlumer Schlosse befunden haben soll, sowie eine Reihe von Ölbildern auf Leinewand, darunter vier Bildnisse von Herzögen. Im nördlichen Flügel der Domänengebäude wurde von 1820 bis 1963 der bekannte Greener Kornbranntwein hergestellt.




Die Zeichnung zeigt einen Übersichtsplan des Fleckens Greene aus dem Jahre 1757. Links im Bild ist der quadratische Gebäudekomplex der ehemaligen herzoglichen Domäne Greene zu erkennen.

1700-1815


Wie schon erwähnt, bildete Greene den Hauptort für das ganze mittlere Leinetal zwischen Salzderhelden und Freden sowie zwischen Einbeck und Gandersheim. Auf der Heerstraße herrschte ein lebhafter Verkehr, und der Handel mit den Erzeugnissen, die die Landwirtschaft in den umliegenden Dörfern hervorbrachte, fand in Greene seinen Mittelpunkt. So war es nur gerechtfertigt, daß i. J. 1732 der damalige Herzog Ludwig Rudolf dem Orte das Marktrecht verlieh. Die Verleihungsurkunde lautet: Von Gottes Gnaden. Wir Ludewig Rudolph Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg fügen hiermit jedermanniglich zuwißen. Demnach bey Uns die sämbtl. Gemeinde des Dorffs Greene untertänigst angesuchet, daß Wir zu Beforderung ihrer desto beßren Auffnahme und Nahrung dieselbe mit einen offentlichen Jahr- und Vieh-Marckte begnadigen mügten, Wire auch nach eingezogenen Berichte von Unsern Ambtmann daselbst solchem der Supplican den geziemenden Ansuchen in Gnaden deferiret und stattgetan. So concedieren und verstatten Wir der supplicirenden Gemeinde zu Greene das gebetene Privilegium hiemit gnädigst dergestalt und also, daß hinführo alljährlich und jedes Jahr besonders ein freyer Jahr- und ViehMarckt und zwar allemahl den Dienstag, Mittwoch und Donnerstag in der Woche post Domin. 17. post Trinitatis offentlich alda gehalten, und einen jeden ehrlichen Knauff- und Handelsmann auch sonst jedermanniglichen und zu forderst Unsern Unterthanen zu gelaßen sein soll'n, mit tüchtigen Seydenen - Wollenen - Leinernen, Holtzernen auch eysernen Waaren, und was zur Haußhaltung an Kleydung, Victuallien, Gewürtz und andern dergleichen Nothwendigkeiten gehörig, nichts davon ausgenommen, ingleichen mit allerhand großen und Kleinen Vieh an Pferden, Ochsen, Kühen, Schweinen, Hämeln, Schaafen und allerhand Feder Vieh, wie solches Nahmen haben mag, und zwar mit denen Krahm-Waaren in, und unter aufgeschlagenen Buden mit den Vieh aber an einen von Unserm dortigen Ambte Ihnen an zu weisenden Orte feil zu stehen, und solchergestalt ihre Waaren und Vieh an denen obbestimmten Tagen umb einen billigen Preyß zu verkauffen auch dabey aller Freyheiten und Gerechtigkeiten zu gebrauchen und zu genießen, wie die selbe an anderen Orten in hiesigen Unseren Landen üblich und gebräuchlich sind, damit auch diese Unsere Fürstl. Conceßion einige Abdrücke zu verfertigen und solche hin und wieder in Unseren Landen offentlich zu affigiren, auch es durch die gedruckte Zeitungen auswärts Rund zu machen, gnädigst befohlen. Uhrkundlich Unserer eigenhandigen Unterschrift und beygedruckten Fürstl.Geheimben Cantzeley Secrets geben in Unser Vestung Wolfenbüttel den 13ten Dezember 1732.

Mit dieser Urkunde war also unser Ort zu einem Marktflecken geworden. Er zählte damals etwa schon 750 Einwohner, und es befanden sich in ihm neben Pfarre, Schule und Domäne mit dem Gericht 30 Bauernhöfe, 20 Brinksitzer- und 24 Anbauerstellen, sowie 23 Häus(=Miet)linge. Unter ihnen waren 37 Handwerker, 1 Kramer, 2 Krüger, 1 Bader und unter den Handwerkern wieder 20 Leineweber. Der Leinewandhandel stand jahrzehntelang in hoher Blüte. - Die Straße, auf der der Krammarkt abgehalten wurde, war die nördlich von der Kirche gelegene Marktstraße.

Von jenen einst größeren Markttagen ist heute nicht viel mehr erhalten geblieben, aber doch wird in jedem Jahr im Oktober der Markt mit etlichen Buden und einem Karussell abgehalten.

Auf der ansteigenden Straße durch das Luhetal mit ihrem regen Verkehr mußten die Bauern mit ihren Pferden oft Vorspann leisten. Sie wurde auch von der Post von Braunschweig nach Holzminden befahren. Oberhalb des Amtsgerichtsgebäudes steht am Straßenrand ein Steinobelisk, ein alter Meilenstein, der die Inschrift trägt: "10 Meilen von Braunschweig, 3 Meilen von Seesen, 5½ Meilen nach Holzminden, 7 ¼ Meilen nach Höxter". Dieser Stein wird in jener Zeit aufgestellt sein, als unter dem Herzog Karl I. "zum besten der Publici und Commercili unserer Lande" am 26. Juni 1743 die erste fahrende Post nach Holzminden eingeführt wurde. Bis dahin hatte es zur Beförderung der Briefe nur Postreiter und später Postkutschen auf den Straßen gegeben. In Mühlenbeck befand sich eine Postexpedition, wo die Pferde umgespannt wurden.

Im Jahre 1753 wurde die Landesbrandversicherung eingeführt. Jedes Haus erhielt eine Versicherungsnummer Nr. ass. d. h. assecuration = Versicherung. Und zwar zählte man der Reihe nach die Häuser an der Straße und begann mit Nr. 1 bei dem der Domäne gegenüberliegenden Kothofe. Als letztes Haus erhielt die Luhmühle die Nr. ass. 74. Nach 1753 wurden die neu errichteten Häuser nach dem Baujahr numeriert.

Im Jahre 1757 wurde für Greene als ein bedeutsames Dokument eine ausführliche Dorf - und Flurbeschreibung mit Dorfkarte und Feldmarksplan aufgestellt. In ihr sind 6 Groß- und 24 Kleinkothöfe sowie 34 Brinksitzer und Anbauer aufgeführt mit alle dem, was ein jeder an Ländereien, Wiesen, Gärten, Vieh usw. besaß und was er an Abgaben, Diensten und Gefällen zu leisten hatte. Auch die Flur ist in allen Einzelheiten beschrieben (s. nächster Abschnitt).

In der Mitte des 18. Jahrhunderts wütete von 1756-1763 der Siebenjährige Krieg, in dem besonders in unserer Gegend das Jahr 1761 ein rechtes Schreckensjahr war. Die Franzosen drangen im Frühsommer über die Weser vor und zogen im August in Einbeck ein. Hin und her wogten die Scharmützel und Gefechte zwischen Seesen, Gandersheim und Einbeck. Brandschatzungen und Plünderungen nahmen überhand. Einen Hauptbrennpunkt der Kämpfe bildete die Hube, die oftmals den Besitzer wechselte, bis es im November schließlich gelang, den französischen Oberbefehlshaber Broglio zurückzuschlagen. Damit war unsere Heimat von den Franzosen befreit. Wie im 30jährigen Kriege und in sonstigen kriegerischen Ereignissen in unserem Leinegebiet spielte bei den Kämpfen um Einbeck und Gandersheim die Greener Brücke als Leineübergang eine bedeutsame Rolle.

In ruhiger Entwicklung gingen die auf den Siebenjährigen Krieg folgenden Jahrzehnte dahin. In Deutschland herrschte Friede, bis im Jahr 1806 das furchtbare Unglück durch Napoleon über unser Land hereinbrach. Als das Preußische Heer unter dem Kommando des braunschweigischen Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand die Schlacht bei Jena und Auerstädt verloren hatte, ergossen sich die französischen Truppen in unser Land. Am 2. November erschienen sie in Gandersheim.

Eine hohe Kontribution wurde Bürgern und Bauern auferlegt. 1807 machte Napoleon seinen Bruder Jerome zum König von Westfalen. Auch das Herzogtum Braunschweig wurde ihm zugeteilt. Das Amt Greene bildete einen Kanton des Leinedepartements. Die Last der Steuern und Zölle war groß und die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung trostlos. Junge Leute wurden zum französischen Heeresdienst eingezogen. Napoleon bereitete den Krieg gegen Rußland vor und setzte daher die Durchgangsund Hauptstraßen instand. 1811 wurde auch die Brücke über die Leine auf einem festen Steinfundament neu gebaut und wahrscheinlich auch die heutige Allee nach Kreiensen angelegt. Denn die alte Heerstraße bog bald hinter der Brücke nach Beulshausen zu ab (der heutige Beulshäuser Weg) und ging dann dort, wo sich der Bahnübergang zwischen Kreiensen und Beulshausen befand, in einem Knick direkt auf Kreiensen zu. Dieser Umweg wurde durch die neue Verbindungsstraße abgekürzt. Sie wird "Bult" genannt; dieser Name bedeutet eine Erhöhung, die aus Erde und Rasen in sumpfigem Gebiet hergestellt ist. So ist noch bei der Greener Bult deutlich erkennbar, daß dieser Damm durch Erde, die den anliegenden Wiesengrundstücken entnommen wurde, erhöht wurde. Die ganze Heerstraße wurde in jener Zeit mit Pappeln bepflanzt, von denen hier und da an der Bundesstraße noch einige erhalten sind.

Heute stehen auf der Allee, die die einzige Verbindungsstraße nach Kreiensen ist, stattliche hundertjährige Ahornbäume, die das Landschaftsbild des hiesigen Leinetals in schönster Weise beleben und einen ausgezeichneten Windschutz bilden. In gegenwärtiger Zeit wird in Höhe der Apotheke ein neuer Damm abgezweigt, auf den dann über eine Hochbrücke die Straße nach Kreiensen eingeht. Dadurch erfährt sie eine Abkürzung und kommt der jetzige verkehrshindernde Bahnübergang in Fortfall, doch müßte die Allee in ihrer erhabenen charakteristischen Pracht erhalten bleiben.

Von drei Flutbrücken, durch die bei Überschwemmung die gelbbraunen wogenden Wasserfluten dahinströmen, wird der Alleedamm unterbrochen. Auf ihm zogen 1812 Truppenverbände zum Feldzug gegen Rußland. Zu diesem Kriege hatte Napoleon ein großes Heer aufgeboten, zu dem auch das Königreich Westfalen und somit ebenfalls unser braunschweigisches Land Soldaten stellen mußte. Unter diesen befand sich ein Sohn des Superintendenten Reck in Greene. Als Leutnant hatte er die Schlacht von Jena und Auerstädt mitgemacht, war dabei in die Gefangenschaft der Franzosen geraten und hatte später in deren Dienst treten müssen. Als Infanterie-Kapitän ertrank er auf dem Rückzuge aus Moskau. Bis 1813 währte die Franzosenherrschaft, die durch die Freiheitskriege zerbrochen Kurde.1815 war Deutschland frei vom französischen Joch. Greene tellte eine erhebliche Zahl Freiheitskämpfer, 39 Greener wurden mit der Waterloo-Medaille ausgezeichnet. Allmählich trat eine Besserung der roirtschaftlichen Verhältnisse ein.


1814 --1914

Bei der Neuordnung des Gerichtswesens im Herzogtume i. J. 1814 wurde in Greene ein Kreisgericht eingerichtet, das ab 1833 Amtsgericht genannt wurde. Zu seinem Bezirk gehörten damals 17 Dörfer. 1800 erbaute man oberhalb des Domänengartens das Richterwohnhaus, das 1847 durch den Amtsgerichtsanbau mit Gefängnis erweitert wurde. Vorher befanden sich nur sehr dürftige Räume für das Gericht im seinerzeitigen sogen. Gartenhause der Domäne. 1819 wurde das 3 Jahre zuvor im Pfarrgarten errichtete Haus Nr. 80 von der Fürstlichen Kammer als "Aktuarienhaus" angekauft. Gegen den Willen der Bevölkerung und trotz dringender Bitten der Ortschaften des Amtsgerichts wurde dieses 1967 nach Bad Gandersheim verlegt. - Amtsrichter waren nach 1875: G. Müller (bis 1900), Kammerer (bis 1919), Pockels (bis 1922), Lämmerhirt (bis 1927), Fr. Müller (bis 1943), Dyck (1948-1955) und danach Gieseler.




Eine graphische Darstellung als "Kartengruß aus Greene" aus dem vorigen Jahrhundert. Der Ort als Mittelpunkt des Leinetats zählte damals schon rund 1400 Einwohner. Der Viadukt wurde 1865 eingeweiht.

Im Revolutionsjahr 1848 mußte wegen der inneren Wirren Militär in Greene einrücken. Auf der Grenze im Einbecker - Greener Walde an der Landwehr stand der Schlagbaum, der von Grenzjägern überwacht wurde, weil dort an der hannoversch.-braunschweigischen Grenze lebhafter Schmuggel betrieben wurde.

Vor rund 100 Jahren schrieb Lambrecht in seinem Buche "Das Herzogtum Braunschweig" unter anderem: "Greene ist Sitz des Amtsgerichts, hat eine Pfarre und Superintendentur, die der Landesherr und ein Collaboratur nebst 2 Schulen, welche das Konsistorium besetzt. Weiter ist im Orte eine Försterei, eine Postexpedition, eine Apotheke, ein Physicat und eine herzogliche Domäne. Von den Einwohnern wird ein ziemlich starker Leinewandhandel betrieben und hält man im Orte jährlich einen dreitägigen Kram- und Viehmarkt ab. An der Leine ist eine Mahl-, Öl- und Sägemühle und am Luhbach ebenfalls eine Mahlmühle. Von Kreiensen ab führt ein freundlicher Fußweg durch üppige Wiesen nach Greene, und von hier aus gewährt der Ort einen herrlichen Anblick. Bei Kreiensen ist ein Bahnhof mit stattlichen Gebäuden erbaut und von hier ab geht die Bahn nach Hannover und Göttingen. Es wird jetzt ein Bahnstrang nach Holzminden gelegt, an dem man bereits seit vorigem Jahre arbeitet, und bereitet die Durchbrechung des Berges bei Greene interessante Erscheinungen dar. Durch diese Bahnanlagen können die Bewohner ihre Produkte, namentlich Holz und Leinen, Korn und Mastvieh jetzt weit besser verwerten als früher, wo der Transport auf der Achse oder sonst ebensowohl teuer wie beschwerlich und dadurch eben dem Handel nachteilig war."

Der braunschweigische Staat hatte bereits 1856 die Bahnstrecke Braunschweig - Kreiensen fertiggestellt, die sich an die hannoversche Südbahn anschloß. Nun wollte er gern von Kreiensen nach dem ihm zugehörenden Holzminden gelangen, um dort Anschlug an das rheinisch-westfälische Industriegebiet zu bekommen. Der König von Hannover verlangte, daß die Holzmindener Bahn nur braunschweigisches Gebiet berühren durfte, und ließ keine andere und leichtere Planung durch Umgehung der Berge zu. Da berief der braunschweigische Staat den aus Böhmen gebürtigen Baumeister Rziha , der die in dem Durchbruch der Berge bestehenden Hindernisse zu beseitigen wußte. Nach seinen Plänen entstanden die landschaftlich anziehenden Leinebrücken aus Rotsandstein bei Kreiensen. In Greene erbaute er aus dem festen Selterdolomit, einem marmorartigen sehr harten Kalkstein, den imposanten Viadukt, der in 34 m Höhe auf acht mächtigen Pfeilern in kühnen Bogen Luhetal und Heerstraße überbrückt und eine Zierde unseres Ortes bildet. Auch führte Rziha nach einem von ihm erfundenen Tunnelbausystem in Eisen die beiden Tunnel von Ippensen und Naensen aus. Diese seine Bauten fanden damals nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland Bewunderung und Anerkennung. Am 18. September 1864 veranstaltete man in Ippensen anläßlich der Einweihung des Tunnels ein großes Volksfest. Die Eröffnung der Bahnstrecke Kreiensen - Holzminden fand am 10. Oktober 1865 statt. Wer auf dem unteren Waldwege den Selter durchwandert, findet hier, wenn auch ziemlich verfallen, den kleinen Rziha-Felsen-Tunnel, der der Baubahn diente, die das Material für die Bahnbauten heranschaffte.. Heute ist die Strecke Kreiensen - Holzminden fast zu einer Nebenlinie geworden. Wegen der großen Steigung und des dadurch verursachten Verschleißes fahren auf ihr keine Schnellzüge. Seit etlichen Jahren hat die Bundesbahn auf der Burghöhe eine Haltestelle eingerichtet. Sonst aber wurde Greene von dem Eisenbahnnetz umgangen und hat seine frühere Bedeutung verloren, während Kreiensen als wichtiger Eisenbahnknotenpunkt und neuerdings auch als Postverkehrsmittelpunkt den alten Marktflecken überflügelt hat. Hat doch dieser in den 90 Jahren von 1855 bis 1945 seine Einwohnerzahl kaum verändert.

In den Jahren 1869 - 1874 wurde in Greene die Separation durchgeführt. Näheres darüber siehe im nächsten Abschnitt.

Im Juli 1870 brach der Deutsch-Französische Krieg aus, der ein Jahr später siegreich für Deutschland beendet wurde. An ihm nahmen 42 Soldaten aus Greene teil, von denen zwei auf dem Felde der Ehre blieben, nämlich Heinr. Huwald und Heinr. Schlimme. Aus dem ganzen Kirchspiel fanden 4 Krieger den Heldentod, deren Namen auf einer Ehrentafel an der mittleren Priechenbrüstung in der Kirche angebracht sind. Auf den Schlachtfeldern von Frankreich wurde das Deutsche Kaiserreich gegründet, in dem das deutsche Volk 44 Jahre lang eine gesegnete Friedenszeit verleben durfte


1914-1967

Da begann am 1. August 1914 der 1. Weltkrieg. Züge mit Soldaten und Kriegmaterial rollten nach Ost und West. Nach 4 Jahren tapferen Widerstandes konnten sich die deutschen Armeen der Übermacht der Feinde nicht mehr erwehren. Deutschland verlor den Krieg, und dem deutschen Volke wurden sehr harte Friedensbedingungen auferlegt. Die Folge war eine gewaltige Geldentwertung in der Inflation, die erst im Herbst 1923 ihr Ende erreichte. Der Krieg hat von den Greenern 53 Todesopfer gefordert.

Erst ganz allmählich erholte sich unser Volk von dem schweren Schicksal. Es wurde bald vom Nationalsozialismus beherrscht. Als Hitler am 1. September 1939 deutsche Truppen in Polen einmarschieren ließ, entfachte er den 2. Weltkrieg. Nach der Niederwerfung Polens bezogen ostmärkisch-österreichische Soldaten in Greene Quartier. Als dann im Frühjahr 1940 der Krieg gegen Frankreich vorbereitet wurde, wurden alte Leute, Frauen und Kinder vom Westwall aus der Eifelgegend in unser Gebiet "evacuiert". Nach der Kapitulation Frankreichs kehrten sie wieder in ihre Heimat zurück. Auch im Winter danach erhielten unsere Dörfer Einquartierungen von deutschen Soldaten, besonders aus dem Rheinland. Von 1942 an errangen die feindlichen Flieger immer mehr die Luftherrschaft über Deutschland. Tiefflieger beschossen die Straßen und die Eisenbahnzüge, und Bombenflugzeuge suchten die größeren Städte, die Orte mit Kriegsindustrie und die Eisenbahnknotenpunkte heim. Auch das Bahnhofsgelände in Kreiensen wurde am 22. Februar 1945 mit schweren Bomben belegt. Angst und Schrecken bemächtigte sich der Bevölkerung, wenn die feindlichen Geschwader mit großem Getöse über unseren Ort hinwegbrausten. Aus den bombengefährdeten Nachbarstädten, wie besonders aus Braunschweig, wurden Mütter mit Kindern und Alte aufs Land ausgesiedelt. Zum Schutze des Viadukts wurde eine Flakbatterie mit 6 Sperrballonen nach Greene verlegt.

1945 kam der Feind vom Westen her immer näher heran, Am Sonntag, dem 8. April , vormittags wurden von Wenzen anrückende amerikanische Panzer gemeldet und Panzeralarm gegeben. Um die Mittagszeit ließ der Hauptmann der Flakbatterie Hauschild, ein gebürtiger Iserlohner, die Geschütze sprengen, weswegen er am Hang der Burg von SS-Soldaten erschossen wurde. Aus Dankbarkeit an seine entschlossene mutige Tat, durch die er unserem Orte viel Unheil erspart hat, setzte ihm die Gemeinde auf sein Grab, in dem er auf unserem Friedhof die letzte Ruhestätte gefunden hat, einen Findling mit der Inschrift: "Dem Retter Hauptmann Friedrich Hauschild, Marktflecken Greene".

An jenem sonnigen Sonntag war natürlich die Bevölkerung von einer gewaltigen Erregung ergriffen. Zwischen 2 und 4 Uhr nachmittags sah man feindliche Flugzeuge über den Kreienser-Billerbecker Wald Bomben abwerfen. Auf die Leinewiesen vor Greene fielen einige Granaten, die von deutschen Geschützen aus der Gegend von Echte abgeschossen waren. Ein paar amerikanische Granaten schlugen in Häuser auf der Neuen Reihe ein, ohne wesentlichen Schaden anzurichten. Nachmittags 6 Uhr zogen amerikanische Soldaten in Greene ein, freudig begrüßt von den in der Schule befindlichen Gefangenen. In der Gastwirtschaft Rose, wo der Saal mit Verwundeten belegt war, führte Vorsteher Haupt die Verhandlung der Übergabe des Ortes an die Amerikaner, die rechts und links der Brücke 2 schwere Panzer auffahren ließen. Am anderen Morgen brach der größte Teil zum Vormarsch weiter nach Osten auf. Die hier bleibenden Soldaten beschlagnahmten Wohn- und Domänenräume für ihre Unterkunft. Schulen und Banken wurden geschlossen und der gesamte Verkehr auf Straße und Schiene stillgelegt. Freigelassene Kriegsgefangene und Fremdarbeiter, besonders Polen, machten die Straßen unsicher und verübten Plündereien.

Am 8. Mai wurde die Kapitulation Deutschlands unterzeichnet. Der furchtbare Krieg war zu Ende, aber noch lange nicht die Not. Die Feinde teilten Deutschland in 4 Zonen ein. Das frühere Herzogtum Braunschweig kam zum neu gegründeten Land Niedersachsen, das unter englische Verwaltung gestellt wurde. Das deutsche Land östlich der Oder und Neiße wurde von den Russen und den Polen in Besitz genommen, die die deutsche Bevölkerung aus ihrer dortigen Heimat vertrieben. Nun ergoß sich ein großer Flüchtlingsstrom von dort nach Westdeutschland, wo die Gemeinden die Vertriebenen, die nur das Nortwendigste hatten mitbringen können, aufnehmen, versorgen und ihnen Wohnraum und Möbel verschaffen mußten. Das Jahr 1946 brachte in unseren Ort eine hohe Anzahl Flüchtlinge, die zumeist aus Schlesien stammten. Ein großer Teil von ihnen ist bei uns seßhaft geworden und hat hier eine neue Existenz aufgebaut. Der Krieg hat unter der einheimischen Bevölkerung viele Opfer an Gefallenen, Vermißten und Versehrten gefordert. Auch die Neubürger mußten infolge Krieg, Flucht und Umsiedlung großes Leid erdulden und hatten den Verlust von Angehörigen zu beklagen. Sie brachten etliche bei uns bis dahin unbekannte Familien-Namen in unseren Ort und die katholische Religion in unsere sonst rein evangelischen Gemeinden.

Mit der Währungsreform im Juni 1948 hoben sich Handel und Wandel wieder, es begann ein gewaltiger Aufschwung im Geschäftsleben und im Verkehr. Es kam das große sogenannte Wirtschaftswunder in unsere Bundesrepublik, an dem auch Greene Anteil haben sollte.