Es war einmal ein
kleiner Schaltkreis, der lebte in der Nähe einer großen Straßenkreuzung
und fragte sich ständig, wozu er eigentlich gut sei. Man konnte es
nicht unbedingt sehen, und auf den ersten Blick schon gar nicht, denn er
war in einem dunklen Kasten eingeschlossen.
Dieser Schaltkreis bestand nun im Wesentlichen aus einem Schwingkreis
und die Leute, die in der Elektronik nicht besonders bewandert waren, sagten
meistens: Viele bunte Drähte und komische kleine Kästchen dazu.
Das allerdings wurmte den Schaltkreis nicht besonders. Seine Gedanken kreisten
immer wieder um die Frage, was er machte, denn irgend etwas machte er,
das war nicht zu leugnen.
Ein paar Dioden lächelten müde. “Was sollen wir schon machen”,
sagten sie. “Wir lassen den Strom in der einen Richtung durch und halten
die aus der anderen Richtung an, wie in einer Einbahnstraße, bis
auf ein paar Rowdies, die sich nicht daran halten. Sie werden auch Quanteneffekte
genannt, aber so richtig wird das wohl keiner begreifen.”
“Aber irgend etwas machen wir hier doch!” beharrte der Schaltkreis.
“Ich schwinge hier so herum und alle paar Minuten mal schneller und mal
langsamer.” “He, stimmt ja”, sagte der Lautsprecher, der etwas weiter hinten
angeschlossen war. “Ich mache fast das Gleiche. Ich glaube aber nicht,
dass das zu etwas gut ist.”
“Seid mal ruhig jetzt!” brummte ein Kondensator. “Ich gerate ja ganz
außer Takt!”
“Ha! Als ob du musikalisch wärst”, plapperte eine kalte Lötstelle,
die ihre losen Kontakte nicht halten konnte.
“So wie ich vernommen habe, sollen deine Kollegen Karriere in elektronischen
Metronomen gemacht haben. Einige sollen sogar bei großen Synthesizern
eine führende Position übernommen haben...”
„...und haben jetzt jede Menge Stress. Stromkreisversagen nach nicht
mal zwei Jahren!”
“Du bist wahrscheinlich durch die Aufnahmeprüfung gefallen.”
“Nur durch das Regal, wirklich! Schicksal...”
“Ach was, nicht besonders angestrengt hast du dich!”
“Ha! Und du?” ereiferte sich eine Spule. “Wie bist du hier hereingeraten?”
“Durch einen Komplott, eine Intrige. Gezwungen hat man mich...”
„...Gefoltert mit heißen Eisen, wir wissen das, du hast die Geschichte
schon öfter erzählt.”
“Nicht mal in der Widerstandsbewegung war er”, beklagte sich der Widerstand.
“Kollaborateur, Verbindungen erschleichend, pfui Stromkreis!”
“Nun ist aber gut, Leute”, sagte der Schaltkreis. “Ich würde jetzt
wirklich gerne wissen, was wir hier machen...”
“Der Widerstand ist schuld!” rief ein wackeliges Relais. “Ich weiß
es. Er hält die ganzen Elektronen weg.
“Diese Vorstellung ist nun wirklich überholt”, brummte der Kondensator.
“Das sind komplizierte Wechselwirkungen, die sich in Wärme...”
“Alles Geschwätz. Das sagen die Wirtschaftsbosse auch”, hielt
der Widerstand entgegen. “Wir müssen eine gewisse Kapitalmenge zurückhalten,
damit das Ganze florieren kann!”
“Was hat das denn mit Elektronik zu tun?” Der Schalter schüttelte
sich.
“Entschuldigung, das war nur ein ganz banaler Deutungsversuch...”
“Also, wenn ich nicht bald mehr Strom kriege, dann läuft hier gar
nichts mehr!” sagte die Lötstelle
“Fünf Jahre in dieser Firma und noch keine Spannungs-Erhöhung.
Ich glaube wir sollten uns mal an die vereinigten Atomrümpfe wenden.
Das ist Ausbeutung!”
“Spannung ist jetzt genug da!” riefen die Akkus von unten herauf. “Sollen
wir etwas schicken?”
“Das ist nicht gut, das ist nicht gut”, flehte der kleine Schaltkreis.
“Bitte, bitte, beruhigt euch doch.”
“Das ist die Lötstelle, die macht den ganzen Ärger. Die ganze
Zeit schon”, jammerte der Kondensator.
“Ich will mehr Strom!” “Von mir nicht!”
“Geizkragen! Alles will er für sich!”
“Ist ja gar nicht wahr, du aufgeblasener Elektronenwurz!”
“Da, sieh doch mal, ob du das vertragen kannst!” rief die Lötstelle
und riss vollends von der Platine. Das Relais schnappte zurück. Eine
große Stromwelle schwappte auf den Schaltkreis zu.
“Das ist mir jetzt zu blöd, ihr könnt mich alle mal...” grollte
der Widerstand und schmorte durch. Daraufhin brach das ganze Netz zusammen.
Der Schaltkreis verlor die Kontrolle. Der Kondensator jappste nach Elektronen.
Die Spule gab Rauchzeichen. Die Dioden wurden solange durchtunnelt, bis
sie KNACKS sagten, und der Lautsprecher schwieg.
“Diese verfluchten Apparate, dauernd geht etwas kaputt”, schimpfte der
Mann vom Straßenwachdienst etwas später. “Dabei sind die Geräte
doch nun wirklich robust gebaut. Na, wenigstens haben wir die nächste
Stunde etwas zu tun. Denn dazu sind wir ja da.”
Björn Wulkop |