Telekolleg Physik Physik, 3.Trimester - Atomphysik

Entfesselte Kräfte

In dieser Sendung geht es um die Kernspaltung. Die Entdeckung dieser ungeheueren Energiequelle aus dem Jahr 1938 beeinflusst unser heutiges Leben ganz entscheidend. Sie führte einerseits zur Entwicklung der Kernwaffen mit dem bekannten "Gleichgewicht des Schreckens", andererseits zur friedlichen Nutzung in der Medizin und in Kernkraftwerken. Die Sendung gliedert sich in folgende Abschnitte:

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Kernspaltung

Bild aus der Sendung

Die gewaltige Energie eines Kernkraftwerks wird mit einer vergleichsweise geringen Menge an Brennmaterial und Abfall bewerkstelligt. Aber dies bedeutet ganz und gar nicht, dass der Betrieb unproblematisch ist. Die abgebrannten Brennstäbe können nur in Sicherheitsbehältern, sogenannten Castoren, transportiert werden. Regelmäßige Protestveranstaltungen von Anti-Kernkraft-Initiativen erfordern einen sehr hohen Begleitschutz der Polizei. Es gibt auch viele Befürworter der Nutzung der Kernkraft. Sie weisen darauf hin, dass die Kernkraft im Gegensatz zur Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas kein Kohlenstoffdioxid freisetzt und deshalb dem Treibhaus-Effekt entgegen wirkt. Außerdem sind sie überzeugt, dass der Energiebedarf der Menschen auf absehbare Zeit nur mit Kernenergie befriedigt werden kann.

Die Kernspaltung wurde 1938 eher zufällig von Otto Hahn und Fritz Straßmann entdeckt. Sie versuchten, Uran235-Kerne durch Beschuss mit Neutronen in größere Nuklide zu verwandeln, aber überraschend fanden Sie anschließend viel kleinere Kerne wie Barium und Krypton, offensichtlich die Spaltprodukte von U235. Die Forscher überall auf der Welt erkannten sehr schnell die Bedeutung dieser Entdeckung, denn damit konnte mit einer einzigen Reaktion eine gewaltige Energie von 210 MeV gewonnen werden. Außerdem werden bei der Reaktion drei Neutronen freigesetzt, die nun ihrerseits weitere U235-Kerne spalten können. Für den neuen Begriff "Kettenreaktion" wurde schnell ein sehr anschauliches Modellexperiment gefunden: In einem Raum werden sehr viele gespannte Mausefallen aufgestellt, auf denen je zwei Tischtennisbälle liegen - drei Bälle für drei Neutronen haben leider keinen Platz! Nichts passiert solange kein freies Neutron eindringt, aber mit einem von außen geworfenen Tischtennisball startet die Kettenreaktion erst langsam und dann exponentiell ansteigend.


Kontrollierte Kettenreaktion

Bild aus der Sendung

Die Entdeckung der Kernspaltung wurde in den Kriegsjahren vor 1945 schnell für die Entwicklung der Atombombe genutzt. Damals führte man in Unkenntnis der Umweltschäden noch oberirdische Kernwaffentests durch. Die erschreckenden Bilder von damals dokumentieren die Gewalt einer nuklearen Kettenreaktionen. Wie gelingt es in einem Kernkraftwerk, die Reaktion zu kontrollieren? Die Idee ist einfach, pro Reaktion darf von den drei freigesetzten Neutronen nur eines eine weitere Reaktion verursachen. Man kann überschüssige Neutronen in geeigneten Materialien absorbieren - dies ist die Aufgabe von Regelstäben - oder man kann die Geometrie der Brennstäbe und ihre Zwischenräume so gestalten, dass Neutronen den Brennbereich verlassen, ohne eine Reaktion bewirkt zu haben. Sinkt die Rate freigesetzter Neutronen pro Reaktion unter eins, dann wird der Reaktor "herunter gefahren", ist die Rate größer als eins, dann wird der Reaktor "hochgefahren" und man muss aufpassen, dass er nicht "überkritisch" wird.

Die drei Neutronen, die bei einer Kernspaltung freigesetzt werden, sind so schnell, dass sie erst abgebremst werden müssen, bevor sie eine weitere Reaktion auslösen können. Diese Aufgabe übernimmt das Wasser zwischen den Brennstäben, man spricht von einem "Moderator". Durch Stöße mit möglichst leichten Molekülen verlieren die Neutronen kinetische Energie, bis ihre Geschwindigkeit der thermischen Energie entspricht.


Reaktoraufbau

Bild aus der Sendung

Wasser eignet sich wegen seiner guten Wechselwirkung mit Neutronen auch dafür, die Neutronenstrahlung im Kernbereich eines Kernkraftwerks abzuschirmen. Oberhalb der Brennkammer befindet sich ein großes Wasserbecken in dem über Verbindungsschächte Brennstäbe gewechselt werden können. Wie sehen diese Brennstäbe aus? Sie sind aus gepressten Tabletten aufgebaut, die Uran235 in einer Konzentration von mindestens 3% enthalten. Frische Tabletten enthalten keine Spaltprodukte und sind deshalb noch ungefährlich, aber die umsetzbare Energie entspricht etwa einer halben Tonne Steinkohle. Diese Tabletten werden in langen Metallröhren gesammelt, dazwischen liegen Röhren mit Regelstäben. Ein einzelnes Brennelement ist etwa 5 m lang, mit einem quadratischen Querschnitt mit einer Kantenlänge von mehreren Dezimetern.

Das Wasser in den Hohlräumen zwischen den Brennstäben nimmt die frei werdende Wärme der Kernspaltungen auf und transportiert sie zu Turbinen und Generatoren. In Deutschland gibt zwei technische Typen von Kernkraftwerken. Bei Siedewasserreaktoren entsteht Wasserdampf, bei Druckwasserreaktoren wird der Siedevorgang mit einem hohen Wasserdruck verhindert. Im Studio wird der Aufbau der Druckwasserreaktoren weiter erläutert. Hier können im Sicherheitsbereich Wärmetauscher eingebaut werden. Damit bleibt das radioaktive Brennkammerwasser in diesem Bereich, die Wärme wird mit einem zweiten Wasserkreislauf in die Maschinenhalle transportiert. Das heiße Wasser treibt mit hohem Druck Turbinen an, die über gemeinsame Achsen mit Generatoren verbunden sind. Insgesamt finden drei Energieumwandlungen statt, die zusammen einen Wirkungsgrad von 30 bis 40% aufweisen. Diese Zahlangabe bedarf einer Einordnung: Ein Kernkraftwerk ist dem Prinzip nach ein Wärmekraftwerk und deshalb ist dieser Wirkungsgrad aus thermodynamischen Gründen nahe am Optimum. Anderseits sollte man diese Zahl zum Anlass nehmen mit elektrischer Energie sparsam umzugehen, denn für jede elektrisch genutzte Kilowattstunde, geben die Kühltürme zwei Kilowattstunden an Abwärme ab. Eine sinnvolle Verwendung für diese ungenützte Wärme scheitert bisher an der ungünstigen Kosten-Nutzen-Bilanz.


Sicherheitsmaßnahmen

Bild aus der Sendung

Eine Gefahrenabschätzung für Kernkraftwerke muss zwei Fragen beantworten: Wird die radioaktive Strahlung, die vom Uran235 und seinen Spaltprodukten ausgeht, ausreichend abgeschirmt? Bleiben alle radioaktiven Substanzen auch bei bedeutenden Störfällen innerhalb des Sicherheitsbereichs unter Kontrolle? Die Sorgen der Menschen werden mit zwei Unfällen begründet: 1997 kam es im Kraftwerk in Harrisburg zu einer Kernschmelze und einer Freisetzung von Radioaktivität an die Umgebung, der Sicherheitsbereich blieb dabei intakt. 1986 passierte in Tschernobyl ein GAU, ein "größter anzunehmender Unfall". Besonders bedenklich war hier das Aufeinandertreffen von nicht ausreichender Sicherheitsausstattung und schweren Fehlern der Bedienungsmannschaft. Bei der Bauart von Kernkraftwerken gibt es erhebliche Unterschiede zwischen russischen und westlichen Reaktortypen. Während in Tschernobyl Grafit als Moderator verwendet wurde, das Neutronen besser abbremst, wird in westlichen Reaktoren Wasser verwendet, das deutlich mehr Sicherheit beim Betrieb bietet. Wenn sich das Wasser im Brennbereich zu sehr erhitzt, weil der Reaktor überkritisch zu werden beginnt, nehmen die Abstände zwischen den Molekülen zu und das Wasser wird ein schlechterer Moderator. Dieser Effekt steuert der Gefahr entgegen.

Neben den Betriebs-Gefahren muss für Kernkraftwerke die Endlagerung abgebrannter Brennstäbe gelöst werden. Hierfür werden in Deutschland Lagerstätten in Stollen von ehemaligen Salzbergwerken untersucht. Salz ist plastisch und dichtet deshalb die Kammern gut gegen einsickerndes Wasser ab. Außerdem kann Salz die anfallende Reaktionswärme gut nach außen ableiten. Unklar ist noch, ob sich durch die hohe radioaktive Strahlung Risse bilden können, die radioaktive Substanzen aus der Lagerstätte in die Umgebung gelangen lassen.


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