Gedanken zum Amateurfunk

Viele haben dem Amateurfunk prognostiziert, dass er sich wegen diesen und jenen Gründen nicht mehr lange halten kann und aussterben wird. Lange Zeit habe ich diesen Pessimisten keinen Glauben schenken wollen, doch ich entdecke zunehmend, dass in dem, was sie angesprochen haben ein wahrer Kern steckt und der Amateurfunk jetzt auch aus meiner Sicht in eine ernste Krise steuert.

Aus welchen "Teilen" setzt sich das Hobby Amateurfunk zusammen?

Per Definition ist der Amateurfunk zu "experimentellen und technisch-wissenschaftlichen Studien, zur eigenen Weiterbildung, zur Völkerverständigung und zur Unterstützung von Hilfsaktionen" da (she. AfuG 1997 §2 Abs.2). Neben diesen findet die zwischenmenschliche Kommunikation auf die unterschiedlichsten Spielarten, je nach "persönlicher Neigung" statt.
Ich möchte einmal auf das Thema Kommunikation und ihre Bedeutung für die Menschen im Laufe der Jahre eingehen.

Noch am Anfang des letzten Jahrhunderts war Kommunikation, vor allem Kommunikation über weite Entfernungen etwas besonderes, ja etwas elitäres und deshalb auch entsprechend teuer. Es war nicht so leicht einen Nachricht schnell und zuverlässig z.B. über den "großen Teich" zu bringen. Umso interessanter war natürlich ein Hobby, das quasi zum Nulltarif solche Kommunikation ermöglichte! Und das Beste war noch, man konnte mit einfachen Mitteln SELBST etwas basteln, mit dem diese Informationsübertragung gelang - kurz, man selbst und das was man tat war damit etwas Besonderes.
Die Situation änderte sich zunehmens mit dem Ausbau der Funksysteme und neuer Übertragungsmethoden. Einen der wohl gravierendsten Einschnitte brachte das für jedermann verfügbare Internet und die damit verbundene grenzenlose Kommunikation und das zu einem immer niedriger werdenden Preis.
Das heißt also, die Kommunikationsmöglichkeiten wurden immer mehr Leuten, für immer weniger Aufwand und Geld zugänglich. Kommunikation ist heute Massenprodukt und ALLGEGENWÄRTIG. Internet, Handy, SMS usw., usw.
Nun kommt parallel dazu, dass die Amateurfunktechnik immer mehr ausgereizt wurde. Mit Filtern, Antennensystemen und und und, weiss heute JEDER Funkamateur nach ein paar QSO's auf KW, dass man mit 100 Watt überall hinkommt! Hier sieht man also eine zweite Entwicklung, nämlich dass die Funkamateure immer gewöhnter an die Sache der weltweiten Kommunikation wurden und die Besonderheit von früher verblasste.

Nun kann man zusammenfassend sagen: Der Anteil der Kommunikation als Anreiz zum Amateurfunk schwindet zunehmend. Ich will nicht sagen, dass der convers in PR oder die OV-Runde auf 2m nicht ihren Reiz hat und auch behalten wird. Auch ist ein QSO mit 10 Watt zu einer Forschungsstation in die Antarktis immer noch ein Erlebnis, aber im Gesamten gesehen denke ich, kann das nicht der Kerninhalt dieses Hobbys sein!
Auch muss man ehrlich zugeben, dass ein SSB QSO auf 20m mit dem Inhalt: Name, Raport, Wohnort, 73, nicht unbedingt als Kommunikation im engeren Sinn bezeichnet werden kann. Man muss sich allein mal die Wortwahl überlegen: Ich habe den und den auf 20m "gearbeitet". Wenn ich mit einem Freund am Abend was trinken gehe und mich nett unterhalte, sage ich denn da, ich habe gestern den sowieso im Wirtshaus "gearbeitet"?! Wenn jetzt jemand meint das könne man nicht vergleichen, dann muss ich sagen, wenn das Funken also keine "echte" Kommunikation unter Funkfreunden ist, warum stellt man nicht einfach eine CQ-Maschine hin und wir lassen die Dinger den ganzen Tag durcharbeiten und schauen Abends wieviel andere Maschinen wir heute wieder gearbeitet haben? Am besten noch die QSL-Karten gleich beschriften lassen und nix wie ab damit zur anderen Maschine. Und immer drauf schreiben lassen: "Danke fürs nette QSO, lieber OM" auch wenns nur 3 Worte waren.... Zugegeben, das klingt etwas sarkastisch, aber manchmal bringt erst Ironie die wesentliche Aussage deutlich hervor.

Kurzum: Kommunikation ist ein schöner Teil des Amateurfunks, jedoch muss man ernsthaft überlegen ob er diesen Stellenwert, wie manche Vereine darstellen und hochhalten, noch wirklich hat.

Was also ist dann noch das reizvolle am Amateurfunk?

EXPERIMENTELLER UND WISSENTSCHAFTLICHER ZWECK

Eine Geschichte von einem Projekttag am Ickinger Gymnasium:
Für unseren Projekttag haben wir verschiedene Sachen vorbereitet. Wir wollten Kurzwelle demonstrieren, SSTV zeigen und natürlich auch PR. Dann hatten wir noch zum Spass zwei Morsesummer dabei, welche man mit einem langen Draht miteinander verbinden konnte. Dazu lagen noch einige Morsealphabete aus.
Als nun die Schüler kamen, stellten wir ihnen mit voller Begeisterung und Stolz Kurzwelle, PR usw. vor und erhielten nur ein müdes Gähnen und gelangweilte Gesichter. Dann nahmen sich einige die Tasten und fragten was man mit denen machen könnte. Wir zeigten es ihnen und schon waren zwei Leute in unterschiedlichen Räumen und haben gemorst und sich Wörter rübergegeben. Kurz darauf waren fast alle Schüler nur noch mit dem abwechselnden "Geiheimschrift" geben beschäftigt.
Beim nächsten Projekttag, wollten wir einen Morsesummer mit Taste (AATiS) basteln und hatten also 15 Bausätze besorgt. Sehr viele Schüler aller Altersstufen haben sich angemeldet. Auch während dem Aufbau, bei dem die Schüler mit großer Begeisterung dabei waren, wurden wir oft gefragt, ob wir denn noch einen Bausatz hätten. Wir hätten mehr als die doppelte Menge an Tasten aufbauen können!

Die Frage ist nun, was hat diese Leute so fasziniert?

Die Fasziniation, war wieder das Besondere! Mit ein paar Bauteilen baue ich etwas, was es nicht so zu kaufen gibt. Ich kann selbst etwas Individuelles konstruieren und wenn es nur eine Blinkschaltung ist. Sonst arbeitet man nur mit Modulen. Beim PC kann man zwar die Karten austauschen und nette Programme abspielen, aber nur wenige kommen so weit den PC wirklich selbst unter Kontrolle zu haben und ihre eigenen Wünsche programmieren zu können. Auch beim Handy kann man vielleicht gerade noch die LED's bei der Beleuchtung austauschen und da ist man schon "der king" bei den anderen.
Mit dem SELBSTBAU in der Elektronik, von einfache Transistorschaltungen über OPV-Schaltungen bis hin zur komplexeren Mikroprozessorentechnik, kann man hier eigene Ideen verwirklichen.
Viele interessieren sich auch hier für wissenschaftlichen Themen. Irgendwelche Messwerte sollen übertragen werden, warum denn nicht mit Funk! Diese Verknüpfungen und Möglichkeiten, welche der Amateurfunk bietet, die müssen stärker herausgestellt werden. Hier kann man von "alten Hasen" lernen, Filter, Schaltungen usw. manchmal besser und einfacher zu bauen, als sie z.B. die Industrie liefert. Es geht nicht darum, dass jeder wieder sein eigenes Funkgerät baut - das ist utopisch. Aber wieviele Möglichkeiten bieten sich im Amateurfunk mit Elektronik zu experimentieren und mit unkonventionellen Themen zu verknüpfen. Es müssen nicht immer nur Vorverstärker, Antennen, PA's oder Anpassgeräte sein. Genauso baut sich einer mit Mikroprozessoren eine Schaltung mit der die Elektronik in seinem Auto steuert und vieles mehr. Es ließen sich hier viele Beispiele anfügen.
Auch hat sich ein Denken eingeschlichen, wenn ich keine Elektrotechniker bin, brauch ich ja gar nichts zu schreiben. Denn dann kommen wieder die vielen Besserwisser und Nörgler mit den Sprüchen, "das ist ja ganz falsch", "das hatten wir doch schon dreimal" oder "man sollte sich vorher gescheit informieren und mit der Thematik beschäftigen bevor man sowas schreibt!". Doch wer bitte schön kann denn einen DATV-TRX noch selber bauen. Viele sind doch gar nicht in der Lage SMD-Bauteile zu löten! Also ist die Frage, ob hier nicht ein gesundes Mittelfeld fehlt, das nicht nur für Anfänger oder Profis, sondern auch für den Durchschnitts-Funkamateur etwas bietet.

Neben dieser inhaltlichen Diskussion muss man auch die Vereinsproblematik betrachten.

Was junge Menschen abschreckt, sind Institutionen in denen sie nur als Beitragszahler gesehen werden und mit Vorschriften und Satzungen überhäuft werden. Jugendgruppe ist wunderbar, aber bitte macht nur das was der Vorstand euch sagt - das wird keinen Jugendlichen begeistern.
Wenn man nun eine "Taskforce Mitgliedergewinnung" ins Leben ruft, dann denke ich, man fährt den Karren nur noch tiefer rein. Anstatt zu versuchen, Beitragszahler zu ködern und die Quantität der Funkamateure zu erhöhen, sollte man sich überlegen ob vielleicht nicht die "menschliche Note" und der so viel beschworenen Ham Spirit fehlt. Wenn man zum Beispiel langjähre zahlende Mitglieder vergisst und nicht mal ein Dankschreiben kommt, zeigt das für mich sehr deutlich, dass der Kontakt zwischen dem Vorstand und den Mitgliedern schlecht ist. Vor allem ein junger Mensch muss sich angenommen fühlen. Man muss ihm nicht alles mögliche "vorn und hinten reinschieben". Es fängt damit an, beim Besuch von einem interessierten Jugendlichen, dass man auf ihn zugeht, sich für ihn INTERESSIERT - auch ohne monatlichen Beitrag. Wenn er merkt, hier interessiert sich jemand für meine Interessen, für meine Person und zahlt mir vielleicht überraschenderweise auch noch das Getränk, dann sind das kleine aber äußerst wirkungsvolle Gesten. Denn vor allem junge Menschen werden dauernd von Angeboten und Werbern unterschiedlichster Art überhäuft, die alle nur das Geld des Jugendlichen wollen. Wenn nun ein Verein mit einer "taskforce" auch nur auf das zahlende Mitglied aus ist, um den Mitgliederindex um eine Stelle verändert zu haben, fällt es nicht schwer sich vorzustellen, wie der junge Mensch reagiert.

DER AMATEURFUNK BRAUCHT EINE VISION UND PERSONEN DIE FÜR DIESE VISION STEHEN.

Unser Problem ist nicht CW für KW ja oder nein. Das Problem sitzt viel tiefer und ist von struktureller Natur. Ich sehe mit Sorge, dass sich zu wenige Funkamateure sich diesen Problemen bewusst werden und bereit sind etwas dagegen zu tun.

Die Probleme sind selbstgemacht. Wir könnten sie auch selbst lösen!

Autor: Stefan Kneifel, DH1STF